Orchestra | Von Jochen Mettlen

WMC-Pflichtwerk von Hafabra Music

WMC
Louis Martinus mit "Nitescence crépusculaire"

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der ­Wereld Muziek Concours (WMC) in Kerkrade wurde coronabedingt um ein Jahr verschoben und findet nun vom 7. bis 31. Juli 2022 statt. Erneut werden tausende Musizierende und Musikbegeisterte im Blasmusik-Mekka erwartet, die sich auf die Wettbewerbe in den diversen Leistungsklassen freuen. ­Freuen kann sich auch der belgische Musikverlag Hafabra Music, der zum siebten Mal ein Pflichtwerk stellt.

Für Hafabra-Geschäftsführer Louis Martinus ist es fast zur Gewohnheit geworden, dass die WMC-Verantwortlichen Musikstücke aus seinem Verlag als Pflichtwerke für die Wettbewerbe auswählen. Seit 2009 ist das bei jeder WMC-Auflage der Fall gewesen. Diesmal fiel die Wahl für das Pflichtwerk in der ersten Kate­gorie Harmonien auf “Nitescence crépusculaire” des französischen Komponisten Alexandre Kosmicki. Über die erneute Wahl eines WMC-Pflichtwerks aus seinem Verlag sprachen wir mit Hafabra-Geschäftsführer Louis Martinus.

“Nitescence crépusculaire” ist das WMC-Pflichtwerk in der ersten Kategorie Harmonien. Wie ist es dazu gekommen?

Das Werk ist eigentlich eine doppelte Auftragskomposition. Zum einen vom niederländischen Instrumentenbauer Adams aus Anlass des 50-jährigen Firmenjubiläums, zum anderen vom WMC in Kerkrade als Pflichtwerk für die erste Kategorie Harmonien. Die WMC-Verantwortlichen hatten Adams den französischen Komponisten Alexandre Kos­micki vorgeschlagen, der schon seit sieben, acht Jahren exklusiv für mich schreibt. 

Das Stück als solches ist für Adams geschrieben, das heißt Adams hatte ein paar Auflagen gemacht, damit Schlagwerk und Eufonium – Instrumente, die Adams baut – etwas zur Geltung kommen. Auf der künstlerischen Ebene hat man Kosmicki sehr viele Freiheiten gelassen. Für den WMC mussten Aspekte wie Schwierigkeitsgrad und Länge des Stücks beachtet werden. Alexandre Kosmicki kennt den WMC, er war schon zweimal als Zuhörer hier, und sein Werk “Danse satanique” wurde mehrmals in Kerkrade aufgeführt. Es stellte also kein Problem für ihn dar, das Pflichtwerk für die erste Division Harmonien zu komponieren. 

Wie würden Sie das Werk beschreiben?

Es ist ein Alexandre Kosmicki, das heißt, das Stück ist sehr französisch. Er hat den Vorteil, dass er noch nicht zu sehr “amerikanisiert” ist, nicht zu sehr von Film- oder Theatermusik beeinflusst wurde. Er ist mehr geprägt von Ravel und Debussy als von John Williams. Alexandre Kosmicki hat in dem Stück die Perkussionssoli sehr intelligent eingebaut, nicht prahlerisch, sondern im Sinne der Musik.

Seine Musik ist nicht einfach und manchmal ist sie ziemlich massiv. Aber wenn man die Musik analysiert und verstanden hat, merkt man, dass er immer mit einem ­Groove arbeitet. Er baut immer eine Rhythmik ein, die schwierig ist, die aber alle zwei, drei ­Takte wiederkommt. Man darf nicht Takt pro Takt schauen, dann versteht man nichts mehr. Wenn man dieses System verstanden hat, also sich das Ganze mit mehreren Takten anschaut, wird das Stück weniger kompliziert (lacht), da man sieht, wohin es gehen soll und wie sich das ­Puzzle aus seinen Einzelteilen zusammensetzt. 

Beim WMC gibt es für die Höchststufe der Harmonien kein Pflichtwerk mehr. Wäre “Nitescence crépusculaire” dafür geeignet?

Absolut, eigentlich würde ich es – wie auch andere Stücke von Alexandre Kosmicki – für die Höchststufe empfehlen, weil es so interessant ist und einen Mehrwert für das Orchester hat. Das Problem derartiger Werke ist, wenn man sie zum ersten Mal auf den Notenständer legt, und sich dann die Frage stellt: Was ist das eigentlich für eine schlechte Musik, die ist so schwierig und klingt nicht. Einige Proben und Monate später sagt man: Wow, die ist gut. Das benötigt Zeit. “Nitescence crépusculaire” ist sicherlich etwas für die Konzertabteilung beim WMC, auch weil das Stück keine Überlänge hat.

Komponisten auf diesem Niveau haben immer die Tendenz, zu lange Stücke zu schreiben. Ab einem gewissen Moment “übersättigen” Harmonie­orchester, das ist nicht vergleichbar mit Sinfonieorchestern. Alle bei mir verlegten Werke von Alexandre Kosmicki wurden von der belgischen Militärkapelle Guides eingespielt. Die Guides haben wirklich ein Faible für seine Musik. Seit Jahren arbeite ich mit den Guides zusammen, für mich das beste Harmonieorchester in der Welt.

  • Nitescence crépusculaire
  • Komponist: Alexandre Kosmicki
  • Verlag: Hafabra Music
  • Stil: Originalwerk für Harmonieorchester
  • Dauer: 17 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: 6
  • www.hafabramusic.com
Das siebte Hafabra-Pflichtwerk beim WMC, was bedeutet Ihnen das?

Es ist fast zur Gewohnheit geworden. Es ist die vierte WMC-Auflage in Folge, bei der Pflicht­werke aus meinem Verlag gespielt werden. Kerkrade ist mein Garten. Ich liebe den WMC-Wettbewerb, sein Niveau, die diversen Leistungsklassen, Harmonien, Fanfaren und Brassbands. Dort findet man alles.

Wirtschaftlich gesehen mache ich durch den Verkauf einiger Stücke nicht das große Geschäft, aber Kerkrade ist ein wunderbares Schaufenster. Ensembles aus der ganzen Welt kommen dorthin. Es bietet mir die Möglichkeit, diesen Kunden andere Werke anzubieten und Hafabra somit bekannter zu machen. In meinem Portfolio habe ich Stücke wie “Danse funambulesque” von Jules Strens, “Bachseits” von Johannes Stert, “Escenas de los Aztecas” von James Barnes oder die Werke von Adam Gorb. Ich habe eine Reihe von sehr bekannten Komponisten, die die großen Werke schreiben. In diesem Bereich habe ich mir weltweit einen Namen machen können. Wenn Ver­eine originelle Werke der Schwierigkeitsgrade 5 oder 6 suchen, kommen sie zu Hafabra.

Jedes Jahr machen wir eine CD-Aufnahme mit den Guides, wo Stücke dieser Schwierigkeitsgrade eingespielt werden. Darauf haben wir uns spezialisiert. In den amerikanischen Universitäten wird häufig Hafabra gespielt, in den High­schools eher nicht. Das hätte ich lieber, deren gibt es mehr. (lacht) Es ist wirklich meine Passion, Harmoniemusik auf hohem Niveau zu machen.

Decken Sie auch noch den Markt der anderen Schwierigkeitsgrade ab?

Absolut, ich mache immer noch alles. In diesem Bereich ist die Konkurrenz groß und da gibt es riesengroße Verlage. Hal Leonard beschäftigt 400 Personen, bei Hafabra sind wir zu zweit. Da kann ich nicht konkurrieren. Bei Filmmusiken wird es zudem mit den Rechten schwierig. 

Jedes Jahr produziere ich eine CD mit dem Ad Hoc Wind Orchestra, es ist ein »Telefon-Orchester«. Es sind langjährige Weggefährten, die ich dann für das Projekt anrufe. Im Orchester spielen Musiker der Militärkapelle Guides, der Oper Lüttich, der Philharmonie Lüttich und mehrere Musiklehrer aus den drei Sprachenregionen Belgiens. Mit diesem Orchester spielen wir Werke der Schwierigkeitsgrade 1 bis 5 ein, also Stücke für alle Orchester.

Ich mache weniger als früher, aber ich versuche es besser zu machen. Andere Verlage machen mehr und mehr und auf einmal ist zu viel auf dem Markt und das Niveau leidet. Es sage nicht mehr zu allem ja. Ich habe einige sehr gute Komponisten an den Verlag binden können. Jean-Pierre Haeck ist ein belgisches Talent. Er hat ein unglaubliches Händchen für die Melodie und ist mit der Harmoniemusik aufgewachsen. Und ich habe mit José Schyns und Roland Smeets ganz tolle Arrangeure aus Belgien. 

Mit dem Ad Hoc Wind Orchestra nehmen wir in zwei Tagen 115 Minuten Musik auf. Das ist unglaublich. Und die Qualität ist hervorragend und immer gleichbleibend, ob wir nun ein Werk für Jugendorchester einspielen oder von Rossano Galante. Obwohl er auch für die beiden größten Verlage Hal Leonard und Alfred Music arbeitet, schreibt Rossano Galante auch zwei bis drei ­Stücke pro Jahr für meinen Verlag. Es zeigt, dass er zufrieden ist und für mich ist diese Zusammenarbeit auch sehr interessant. Ich lege meinen Schwerpunkt auf Originalmusik. Pro Jahr mache ich auch zwei bis drei Filmmusiken sowie ein Pop-Werk. Dabei suche ich eine Musik aus, die nicht oft angeboten wird. “Don’t worry, be happy” oder “Stromae” waren große Erfolge. “Let it be” oder “Music” von John Miles mache ich nicht, davon gibt es schon dutzende Arrangements. Etwa 60 Prozent meiner Bestseller sind Originalkompositionen.

www.wmc.nl