Brass, News, Orchestra, Wood | Von Christian Schick

Woodstock Academy – ein facettenreicher voller Erfolg

Woodstock
Alle Fotos auf dieser Seite: Klaus Mittermayr

Ende August konnte allen Widerständen und Widrigkeiten zum Trotz die erste “Woodstock Academy” in den Kitzbüheler Alpen erfolgreich stattfinden. Musizierende bildeten sich in allen nur erdenklichen Bereichen der Musik, auf der Bühne, mental, sportlich und allem, was noch dazwischen passt, weiter. Drei Tage lang waren auch wir zu Gast und konnten uns als Teilnehmer selbst ein Bild von diesem Mammutprojekt machen.

Tag 1: Anreise, Check-in und erste Erfahrungen

Es ist Montag 6 Uhr. Abfahrt Richtung Kitzbühel. Die “Woodstock Academy” läuft bereits seit Sonntag. Einige Tage zuvor schickten die Organisatoren allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Mails mit “Last Infos” und einer “Packliste”. Enthalten waren zudem Details zur Anmeldung und hilfreiche Informationen zur Organisation: Für die “Woodstock Academy” wurde nämlich eine eigene App programmiert. Und die war auch nötig! Bei der Fülle an Workshop-Angeboten kann einem recht schnell der Überblick verloren gehen. Sage und schreibe über 50 Dozentinnen und Dozenten waren am Event beteiligt.

Nach knapp drei Stunden komme ich schließlich in Kirchberg in Tirol – einer der insgesamt fünf Standorte der “Woodstock Academy” – an. Eine Beschilderung erleichtert die Orientierung und Parkplätze sind ausreichend vorhanden. Eine erste Unsicherheit macht sich breit, denn ich sehe beim Aussteigen keine Menschenseele. Müsste das bei einem Event mit solchen Aus­maßen nicht irgendwie anders sein? Ich betrete die Mittelschule, die in der Ferienzeit zum “Academy Office” umfunktioniert wurde. Und auch hier gibt es weder Menschenmassen, Schlangen vor der Anmeldung noch sonstige Anzeichen auf einen Workshop. Der Check-in ist in nicht einmal fünf Minuten erledigt, ich bekomme eine Filztasche mit Teilnehmerkarte, einen Parkschein und einige Kleidungsstücke mit entsprechendem Logo.

Drei Stunden geballte Expertise

Und dann geht’s auch schon weiter ins 20 Minuten entfernte Kitzbühel zum ersten Workshop. “Basics für Tuba” mit Dozent Andreas Martin Hofmeir. Drei Stunden geballte Expertise also. Wir fangen aber erst eine halbe Stunde später an, da fast die Hälfte der teilnehmenden Tubistinnen und Tubisten an diesem frühen Morgen unerklärlicherweise noch etwas “müde” sind. Der Kurs fängt etwas anders an als gewohnt: mit Theorie. Hofmeir meint, dass höchstwahrscheinlich die wenigsten Tubistinnen und Tubisten wirklich wissen, was sie eigentlich machen, damit ein Ton rauskommt – womit er vermutlich nicht ganz unrecht hat. Mit seiner gewohnt charmanten und sympathisch bayerischen Art sowie absolut durchdachtem System und Fachwissen fällt es niemandem der knapp 20 Teilnehmenden sonderlich schwer, konzentriert zu bleiben. Nach dem Mittagessen geht’s für mich zurück nach Kirchberg, um im Hotel einzuchecken. Ein passendes zu finden war ein Kinderspiel, da auch hier die Organisatoren eine entsprechende Seite auf ihrer Homepage angelegt haben.

Mittlerweile ist es Abend und das erste große Treffen aller Academy-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer steht an: der Musikantenstammtisch im Lifthotel Aschaber in Kirchberg. Vor dem Haupteingang spielen die bereits leicht angeheiterten Jungs von “Schnopsidee”. Nach und nach treffen immer mehr Menschen – bewaffnet mit ihren Instrumenten – ein. Da es im Hotel aufgrund von Reservierungen noch einige Verzögerungen in der Lobby gibt, bleiben wir alle noch draußen und quatschen. Schnell fällt auf, dass man sich hier einfach kennt. Alle fünf Minuten höre ich aus allen möglichen Richtungen Leute miteinander reden: “Hey, du auch hier!?” Immer wieder komme ich mit Bekannten ins Gespräch und schnell machen sich einige, die ganze “Woodstock Academy” übergreifenden Erkenntnisse breit: Alles hier – von der Organisation über die Aufteilung bis zu den Dozenten – ist hoch professionell, trotzdem sehr menschlich und von vorne bis hinten intelligent durchdacht.

Woodstock-Gesamtspiel-Vibes am Abend

Später am Abend fangen nach und nach alle an, gemeinsam zu spielen. Einige Woodstock-Gesamtspiel-Vibes flackern vor meinem inneren Auge auf. Irgendwann nimmt “Schnopsidee”-Tubist Manfred Hirtenlehner das Ruder in die Hand, stellt sich in der Mitte der Lobby auf einen Tisch und brüllt wie ein Wahnsinniger die herrlichsten Sprüche um sich. Nachdem ihm seine Stimme immer mehr versagt, hält er seine Moderationen etwas knapper und sagt schließlich nur noch die Stücke an, die dann alle spielen. Und das alles klappt erstaunlich gut. Ein “Abba Gold” komplett auswendig von knapp 200 Leuten ist schon etwas Besonderes. Selbst einige Dozenten nehmen ihre Instrumente zur Hand. Nach heftigen Bitten aller Teilnehmenden spielt schließlich Alex Wurz mit irgendeinem Tenorhorn eines Nebensitzers “Hey Jude”, hinter ihm Fritz Winter (hat sich ebenfalls das nächstbeste Instrument ausgeliehen) mit einer wunderbar improvisierten zweiten Stimme und Andreas Hofmeir an der Tuba. Und alle Teilnehmenden spielen mit. Ein unglaubliches Erlebnis.

Tag 2: Die unterschiedlichsten Workshops

Der zweite Tag ist angebrochen. Um 9 Uhr geht es für mich wieder los. Eine große Stärke der “Woodstock Academy” ist der Facettenreichtum der Kurse. So gibt es neben den eher standardmäßigen Basic-Angeboten und Einzelunterrichten etwa Morgensport, Improvisationskurse, Arbeiten mit Notationssoftware, Arrangier­stunden, Dirigieren, Bergwanderungen mit anschließendem, genreübergreifendem Auswendigmusizieren, Alphornworkshops vor der schönsten Kulisse – und vieles mehr. Bei dieser schieren Anzahl an Workshops kann es unmöglich langweilig werden. 

Wer zum ersten Mal den Kalender auf der Anmeldeseite öffnet, um sich bei den Kursen ein­zutragen, wird fast erschlagen. Doch intelligente Filtermöglichkeiten erleichtern diesen Vorgang erheblich. Umso beeindruckender ist hier der Gedanke, was für ein organisatorischer Aufwand das alles gewesen sein muss. Verschiedene ­Locations für reibungslose Abläufe, praktisch nie Menschenmassen aufgrund der Aufteilung in mehrere Orte, abwechslungsreiche Kurs­ange­bote, das Anmeldeprozedere, tägliche Mails mit Updates für den kommenden Tag und noch vieles mehr, das im Hintergrund läuft. So gibt es etwa eine Liste mit allen Locations und den entsprechenden Parkmöglichkeiten. Diese wurden alle im Vorfeld abgeklärt, damit sie kostenlos zu benutzen sind. Und doch wirken sämtliche Or­ganisa­torin­nen und Organisatoren immer sehr ruhig und entspannt, wenn man ihnen über den Weg läuft.

Eiswasser und Atemübungen: Die Wim-Hof-Methode

Auf dem Weg zum ersten Workshop an diesem eher bewölkten und kühlen Dienstag habe ich ein etwas mulmiges Gefühl, denn es steht die “Wim-Hof-Methode” an. Und wer schon einmal diesen Namen gehört hat, weiß, es geht zum Eisbaden. Wir treffen uns in Westendorf und warten in einer Hotel-Lobby. Insgesamt sind wir neun Leute. Der Dozent Roman Rindberger verspätet sich ein klein wenig, weil seine Pool-Pumpe defekt ist und er kurzfristig Ersatz auftreiben musste, damit wir nicht um die Gelegenheit gebracht werden, im Eiswasser baden zu können. Das freut uns alle natürlich sehr. Der Workshop ­dauert etwa vier Stunden und gliedert sich in die drei Teile Theorie, Atemübung und Eisbaden. Und so viel sei hier schon mal verraten: Im Vergleich zur Atemübung ist das Eisbaden ein Kinderspiel (über die Wim-Hof-Methode folgt ein ausführlicher Beitrag in der November-Ausgabe).

Nach einer kurzen Mittagspause geht es für mich gleich weiter zu “Improvisieren” mit Dozent Lorenz Raab. Dieser erklärt auf sehr spielerische Weise die grundlegendsten Basics für Jazz-Improvisation. Wir sitzen im Kreis und spielen Akkord-Lines und nacheinander darf jeder Teilnehmende darüber improvisieren. Das funktioniert sehr schnell sehr gut. Während einer ­kurzen Pause schwärmen zwei Trompeter aus Südtirol, die beide Markus heißen, über einen Volksmusik-Workshop in einer Gondel, die auf einen nahegelegenen Gipfel fuhr, bei dem dann alle gemeinsam auswendig spielten.

Woodstock-Workshops: pragmatisch und praxisbezogen

Mein letzter Stopp für diesen Tag ist Bernhard Holls Workshop “Arrangieren für Tanzlmusi”. Holl erklärt sehr pragmatisch und praxisbezogen, wie man ein Stück am einfachsten “runterhört”, für die einzelnen Instrumente entsprechend aussetzt und arrangiert, damit es am Ende nach Tanzlmusi klingt. Doch man merkt schnell, dass ein Vorwissen über instrumentenspezifische Eigenheiten und vor allem eine gewisse Kenntnis über Akkorde im volkstümlichen Bereich Grundvoraussetzung ist. Und auch hier – wie bisher bei jedem Workshop – überzeugt der Dozent auf der ganzen Linie mit seiner Professionalität.

Tag 3: Groove in allen Lebenslagen und Zahlen, Daten, Fakten

Mein letzter Tag der Academy ist angebrochen. Da der erste Kurs erst mittags anfängt, gehe ich zur Musikschule in Kitzbühel, in deren Eingangsbereich die Instrumentenausstellung von Buffet Crampon aufgebaut ist. Einige Fachsimpeleien später beginnen dann zwei Workshops mit Blechhauf’n-Tubist Albert Wieder über die Tuba im modernen Musikbereich sowie “auswendig spielen” und einer mit LaBrassBanda-Tubist ­Stefan Huber über “Tuba Groove”. Die Heran­gehensweise beider Tubisten könnte unterschiedlicher nicht sein: Während Wieder gänzlich auf ein akkordisches Denken setzt, was sehr viel Grundkenntnisse voraussetzt, dafür aber ein umso beeindruckenderes Ergebnis erzielt, baut Huber eher auf das “Trial and Error”-Prinzip, das im Amateurbereich wahrscheinlich die kleinere Hürde darstellt. Es lässt sich also exemplarisch an der Tuba schon eine gewaltige Vielfalt rund um die Musik und deren Vermittlung erkennen.

Die erste “Woodstock Academy” hatte ihre 250 Teilnehmenden in insgesamt 88 Workshops für über 20 verschiedene Instrumentengruppen untergebracht. Daneben gab es noch jeden Abend und sogar über die Tageszeit verteilt immer wieder Konzerte, Vorträge, Interviews oder sonstige Events. Das ist schon eine gewaltige Zahl. Alles auf die Beine gestellt von einem 15-köpfigen Organisationsteam. Und die sitzen bereits an den Planungen für 2022! Der Termin steht schon: 21. bis 28. August!