Es war schon Tradition geworden, dass Oberst Dr. Michael Schramm sich den CLARINO-Fragen stellte. Einmal im Jahr sprach er zur Lage der Militärmusik. Nun fand das letzte Interview der Dienstzeit statt. Am 17. Februar verabschiedete sich der langjährige und die Militärmusik prägende Leiter in den Ruhestand. Zeit für ein Resümee…
Herr Oberst Dr. Schramm, in Ihrer Dienstzeit als Leiter des Militärmusikdienstes der Bundeswehr haben Sie insgesamt sechs Verteidigungsminister erlebt: Rudolf Scharping, Peter Struck, Franz Josef Jung, Karl-Theodor zu Guttenberg, Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen. Welcher war denn der musikalischste?
Das ist eine schwere Frage. Minister Struck hatte die Musik definitiv sehr gern. Struck hatte ein großes Ohr für uns, großes Interesse. Die aktuelle Ministerin, Ursula von der Leyen, kommt aus einem sehr musikalischen Umfeld. Der Dirigent George Alexander Albrecht ist ja ihr Onkel. Sie spielt zudem Flöte, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Thomas de Maizières Vater war ein sehr guter Pianist. Ihm hatten wir ja – nebenbei bemerkt – die Streicher im Spielmannszug zu verdanken. Ulrich de Maizière – damals Generalinspekteur der Bundeswehr – hat das beim Stabsmusikkorps angeschoben. Auch Minister Jung hatte einen engen Draht zu uns, vor allem zur Bigband. Zu Guttenberg kennt die Musik natürlich auch über seinen Vater, den Dirigenten Enoch zu Guttenberg. Also: Musikalisch oder der Musik verbunden waren und sind sie eigentlich alle.
Wie wichtig ist denn die Beziehung der Verteidigungsminister zur Musik im Hinblick auf die Rolle der Militärmusik?
Die Rolle der Militärmusik erkennen sie alle an – ohne Wenn und Aber. Alle haben sehr schnell die Bedeutung für die Organisation erkannt. Die Militärmusik wurde nie infrage gestellt, sie war immer eine Selbstverständlichkeit. Aber natürlich: Je größer die Affinität, desto leichter wird man auch auf Gehör stoßen. Aber alle Verteidigungsminister haben sich aktiv für die Militärmusik eingesetzt und viel mit ihr erlebt. Minister Struck etwa hat sich nach der Flutkatastrophe explizit für Benefizkonzerte ausgesprochen. Und den eigenen Zapfenstreich erleben dann ohnehin alle…
Sie haben 2001 im Oktober als Leiter der Militärmusik angefangen. Wie war das damals? Was haben Sie vorgefunden? Wie sahen Ihre ersten Amtshandlungen aus?
Das weiß ich noch genau. Zu der Zeit hatten wir 21 Musikkorps. Es war gerade entschieden worden, dass Stuttgart aufgelöst würde. Das habe ich dann ausführen »dürfen«. Wir hatten damals erhebliche strukturelle Probleme, zum Beispiel bei der Beförderungsmöglichkeit. Es ging da etwa um die Bewertung von Dienstposten nach einer Vorgesetztenstruktur, die den Anforderungen an einen Orchestermusiker überhaupt nicht entsprach. In Folge war die Militärmusik der am schlechtesten beförderte Bereich der Bundeswehr. Dazu kam das Problem der Grundwehrdienstleistenden. Die Dauer der Wehrpflicht ging immer weiter zurück. Damals lag sie bei einem Jahr. Abzüglich der Grundausbildung und der Urlaube bleibt da nicht mehr viel. Im Musikkorps hatten wir damals neun Grundwehrdienstleistende – von 50. Das waren immerhin 20 Prozent.
Wie schwierig war die Situation denn damals?
Die Situation war insofern schwierig, als dass die Grundwehrdienstleistenden eben nicht mehr in der erforderlichen Zahl zur Verfügung standen. Vor allem instrumententypisch. Es wurde immer einfacher, freigestellt zu werden. Das ist nicht wertend gemeint, sondern bedeutete schlicht, dass sich bei den Grundwehrdienstleistenden erhebliche Lücken auftaten. Im berüchtigten Sommerloch mussten wir mit arg zusammengeschmolzenen Orchestern spielen. Da fühlt man sich als Musiker überhaupt nicht mehr wohl. Und von Professionalität kann man dann erst recht nicht mehr sprechen…