News | Von Klaus Härtel

Zornig im neuen Lockdown: Offener Brief von „Pro Musik”

Lockdown

In der vergangenen Woche erregte der Jazzmusiker Till Brönner mit einem Video Aufmerksamkeit. Es ist eine viel geteilte Wutrede über die Situation der Kulturschaffenden unter Corona. Und er sendete seine Botschaft vor dem zweiten “Lockdown Light”, der so viele Musiker ins Mark trifft und in eine Existenz bedrohende Lage bringt. Eine bedrohende Lage auch für viele selbstständige Musiklehrer und Dirigenten von Musikvereinen.

Es könne nicht angehen, dass ein Wirtschaftszweig wie die Veranstaltungsbranche mit einem Umsatz von rund 130 Milliarden Euro im Jahr einfach so untergehe, führt Brönner im Video aus. Und das ohne wirksame Hilfe vom Staat. Mit Brönner kommen auch endlich die womöglich besser situierten Künstler an die Öffentlichkeit. Vor allem jene, denen man zu hört. Udo Lindenberg hat sich schon solidarisch erklärt, Herbert Grönemeyer, Sarah Connor. Aber auch Film- und Fernsehmenschen wie Christiane Paul oder Caroline Beil. Rocksänger Campino von den “Toten Hosen” nutzte die Bühne des Aktuellen Sportstudios, um auf die Lage aufmerksam zu machen. Brönner im Video: “Ich sehe, wie übervorsichtig sich Bühnenkünstler auch nach über acht Monaten zu dieser Misere äußern, obwohl ihre Existenz gerade fundamental auf dem Spiel steht.”

“Es geht um Geld!”

Aber “es geht hier nicht um Selbstverwirklicher, die in ihrer Eitelkeit gekränkt sind. Es geht um Geld.” Die Krise habe eine Strukturschwäche entlarvt. “Wir in der Veranstaltungs- und Kulturbranche sind noch immer zu leise, weil wir keine ernst zu nehmende Gewerkschaft haben. Und das rächt sich jetzt! Wer ist es, der der Politik stellvertretend im Nacken sitzt, wie der Lokführergewerkschafts-Boss Claus Weselsky der Deutschen Bahn?Und das mit nur 9000 Mitgliedern.”

Und hier setzt ein Brandbrief der kürzlich gegründeten Interessengemeinschaft “Pro Musik – Verband freier Musikschaffender” an. Saxofonist Axel Müller hatte das schon in einem BRAWOO-Interview zu Beginn der Pandemie, im ersten Lockdown angedacht – und nun gehandelt. Zum vergangenen Wochenende ging der Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Vizekanzler und Bundesminister Olaf Scholz sowie Bundesminister Peter Altmaier.

Lockdown Musikergewerkschaft

Hier finden Sie den offenen Brief im Wortlaut.

Veheerende Auswirkungen auf die Kulturbranche

Es geht dabei mit keiner Silbe um das Verkennen der Gefährlichkeit des Virus., nicht darum, den Lockdown per se zu verurteilen. Es geht auch hier um Geld. “Mit großer Sorge verfolgen wir seit Beginn der Pandemie, welche verheerenden Auswirkungen die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens auf die Kulturbranche haben. Ebenso müssen wir leider feststellen, dass sich die von Ihnen getroffenen Maßnahmen zur Unterstützung der Solo- Selbstständigen der Kulturbranche in vielen Fällen nicht mit der wirtschaftlichen und finanziellen Lebenswirklichkeit der Betroffenen vereinbaren lassen.”

Die Forderungen scheinen nicht weltfremd: “Machen Sie eine monatliche Umsatzausfallerstattung möglich, welche sich an den individuellen Einnahmeverhältnissen der Betroffenen unter Einbeziehung der Steuererklärungen der letzten Jahre orientiert. Es braucht eine langfristige und vorausschauende Lösung. Nur so kann der Branche individuell und fair geholfen werden.” Und weiter: “Des Weiteren möchten wir anbieten, Ihnen mit unserer Branchenkenntnis beratend zur Seite zu stehen, um Ihnen in diesen schweren Zeiten mehr Einblick in die Lebenswirklichkeit der Kulturschaffen- den zu bieten und endlich eine gerechte Lösung für dieses Problem zu ermöglichen. Lassen Sie die Chance bitte nicht ungenutzt, unsere Erfahrung und Expertise zu nutzen.”