Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Zum 200. Geburtstag von Jean-Baptiste Arban

Arban
Foto: André Adolphe-Eugène Disdéri - Bibliothèque nationale de France, Gemeinfre

Er galt als der erste Virtuose auf dem Ventilkornett: Jean-Baptiste Arban (1825 bis 1889) feierte Erfolge auch in England, Deutschland und Russland. Als Professor in Paris verfasste er die „Bibel der Trompeter“.

Von klein auf begeisterten ihn die Militärkapellen in seiner Heimatstadt Lyon. Früh machte er das neuartige Ventilkornett zu seinem Instrument, spielte es mit »flötenartigen« Stakkato- und Zungentechniken. Mit 16 Jahren wurde Jean-Baptiste Arban in die Trompetenklasse des Pariser Konservatoriums aufgenommen. Schon zu dieser Zeit hatte er auch professionelle Engagements, vor allem in London. Sein Professor, François Dauverné, erlaubte ihm deshalb monatelange Absenzen.

Obwohl der Student dadurch einen Teil des Prüfungswettbewerbs verpasste, gewann er 1844 einen 2. Preis und beschloss sein Studium 1845 mit einem 1. Preis. Nun konnte er sich – 20 Jahre alt – ganz der Karriere eines reisenden Virtuosen widmen. Die Presse schwärmte von Arbans lyrischem Ton und seiner sensationellen Doppel- und Dreifachzunge. Zu seinen Glanznummern auf dem Kornett gehörten auch virtuose Stücke von Theobald Böhm, eigentlich für die Flöte geschrieben. Man feierte Arban, den ersten wahren Kornettvirtuosen, als den »Paganini der Trompete«.

1848 präsentierte der bekannte Instrumente-Erfinder Adolphe Sax ein neues Kornettmodell mit Kompensations-Ventilen. Arban war begeistert, machte die Neuheit durch seine Konzerte bekannt und begann eine Zusammenarbeit mit Sax – daraus entstand Jahre später das »Cornet Arban«. Ein Leben lang hat sich der Virtuose aus Lyon um die Verbesserung seines Instruments bemüht – und um die Anerkennung des Kornetts als seriöses Solistenwerkzeug, vergleichbar der Flöte oder Violine: »Das Kornett sollte mit edlem Stil und exzellenter Technik gespielt werden.« Er selbst komponierte eine Reihe von Parade-Nummern für sein Instrument, häufig auf der Basis bekannter Opernmelodien (Verdi, Bellini, Weber). Die Stücke heißen Fantasien, Capricen, Etüden oder Variationen. Eines der bekanntesten ist »Caprice et Variations« – Arban widmete es seinem Kollegen Wilhelm Wurm, den er bei Gastspielen in Deutschland kennengelernt hatte. Für Adolphe Sax fertigte er eine Fassung für Altsaxofon und Klavier an. 

Die erste Professur

Die Zusammenarbeit mit Sax betraf auch ein neues Bügelhorn, das Sax ab 1845 in verschiedenen Größen vorstellte: das Saxhorn. Arban beriet den Erfinder nicht nur bei der Entwicklung der einzelnen Saxhorn-Größen, sondern wurde prompt der erste Professor für Saxhorn an der Militärmusikschule in Paris (1857). Dort verfertigte er sein berühmtes Lehrwerk: »La grande méthode complète de cornet à piston et de saxhorn« (1864). In dieser Kornettschule – der ersten für ein Ventilinstrument – legt der Autor vor allem Wert auf Artikulation, Atmung, Skalenspiel, Intervalltechnik, Fingerfertigkeit und Doppelzunge. (Zu Fragen des Ansatzes erfährt man allerdings nichts.) 

Das Pariser Konservatorium übernahm Arbans Buch sofort als offizielles Lehrwerk für den Trompeten-Unterricht. Im Gutachten des Konservatoriums-Komitees heißt es: »Diese sensible Darstellung beruht auf exzellenten Grundsätzen und enthält jede wesentliche Lehre, um einen guten Kornettisten zu machen. Es ist im Grunde ein Resümee des Wissens, das durch die langjährige Erfahrung des Autors als Professor und Interpret gesammelt wurde. In diesem reichen Schatz an Anweisungen erkennen wir gerne Monsieur Arbans profunde Kenntnis der Schwierigkeiten – und seine Fähigkeit, diese zu überwinden.« Zu den Unterzeichnern des Gutachtens gehören unter anderen der Komponist Giacomo Meyerbeer sowie Arbans ehemaliger Professor François Dauverné. Noch heute gilt »der Arban« vielfach als die »Bibel« der Trompeter. (Es empfiehlt sich aber eine aktualisierte Ausgabe, die heutigen Anforderungen gerecht wird.)

Arbans Grande Méthode

Arbans »Grande Méthode« enthält auch Musikbeispiele: zwölf Solostücke fürs Kornett. Darunter ist seine allerberühmteste Komposition: »Variations sur ‚Le Carnaval de Venise‘». Mit diesem technischen Glanzstück schlug Arban bewusst eine Brücke zum sprichwörtlichen »Virtuosen« des 19. Jahrhunderts, nämlich dem Geiger Niccolò Paganini. Dessen 20 Variationen über den »Karneval in Venedig« waren 1829 entstanden und rasch weltberühmt geworden.

Das Ausgangsthema selbst ist ein italienischer Gassenhauer – man kennt die Grundmelodie im Deutschen unter dem Namen »Mein Hut, der hat drei Ecken« oder »Ein Mops kam in die Küche«. Nach Paganini und Arban haben später auch viele andere Komponisten Variationen über dieses Lied geschrieben, etwa Tárrega für die Gitarre, Bottesini für Kontrabass, Chopin und Liszt für Klavier, Hemke für Saxofon. Arbans Komposition ist ein hochvirtuoses Tempostück mit viel Doppel- und Dreifachzunge – noch heute eine der eindrucksvollsten Nummern für Solotrompeter. (Es gibt auch etliche Bearbeitungen, etwa für Brass-Ensemble oder sinfonisches Blasorchester.)

Die zweite Professur

Nachdem Arban vom Pariser Konservatorium als Trompeten-Guru anerkannt ist, zielt er natürlich auf eine Professur dort. Allerdings glaubt er nicht recht, dass man ihn das Kornettspiel lehren lässt, denn das Image des Kornetts ist (trotz Arbans Bemühungen) durch zu viele Unterhaltungskünstler beschädigt. Hector Berlioz schildert das eindrücklich (1844): »Das Kornett ist heutzutage in Frankreich sehr gebräuchlich, namentlich in einer gewissen musikalischen Sphäre, wo Erhabenheit und Reinheit des Stils nicht als wesentliche Eigenschaften gelten. Es ist zum unentbehrlichen Soloinstrument bei Kontretänzen, Galoppaden, Variationen und anderen Kompositionen zweiten Ranges geworden.«

Deshalb schlägt Arban dem Konservatorium eine kombinierte Professur vor: für Trompete und Kornett. Sein Antrag klingt, als gehe es ihm dabei um die Rettung der Trompete: »Es ist ein Faktum, dass heute kaum mehr jemand Trompete spielt und dass die Provinztheater – und selbst die Theater in Paris – keine Trompeter mehr haben. Man kann heute ein exzellenter Trompeter sein und doch verhungern, während jeder komfortabel leben kann, der Kornett spielt.«

Arban gilt als mitreißender Lehrer

Das Konservatorium ist interessiert, will die Studiengänge aber getrennt haben. Arban wird 1869 Professor, jedoch speziell für sein Instrument, das Kornett. Er gilt als ein mitreißender Lehrer, der auch die berufliche Zukunft seiner Studenten immer im Auge hat. Zwei von ihnen werden später selbst Professoren in Paris. Doch seine Solistenkarriere will Arban noch nicht aufgeben. Vor allem in Russland – in St. Petersburg und in der Zarenresidenz Pawlowsk – schätzt man seine Gastspiele. In St. Petersburg wird eigens für seine Auftritte ein Konzerthaus errichtet; der Park, in dem es liegt, heißt »Garten der Arban-Konzerte«. Für seine Konzertreisen nimmt Arban regelmäßig Urlaub vom Konservatorium. 1874 jedoch ist die Geduld des Direktors ausgereizt: Als der Urlaub diesmal nicht bewilligt wird, kündigt Arban. Sechs Jahre später allerdings wird er auf seinem Posten als Kornett-Professor re-installiert.  

Auch in den 1880er Jahren noch bemüht sich Arban um Verbesserungen seines Instruments. Für das mit Adolphe Sax entwickelte »Cornet Arban« (mit zusätzlicher Biegung im dritten Ventilzug) entsteht ein besonderes Mundstück (das »Arban-Courtois«). Um 1885 tut sich Arban außerdem mit dem Ingenieur Bouvet zusammen und kreiert ein weiteres Kornettmodell, das Arban-Bouvet. Kurz vor Arbans Tod gründen die beiden sogar eine gemeinsame Firma. Hergestellt wird das Arban-Bouvet-Kornett vom Fabrikanten François Millereau, dessen Firma später von Selmer übernommen wird. 

In seinem letzten Lebensjahr soll Arban übrigens auch eine Tonaufnahme gemacht haben. Für den Erfinder der Grammonfonwalze, Thomas Edison, schrieb er eine »Fanfare d’Edison« und spielte sie selbst auf dem Kornett ein. Leider ist die Aufnahme verschollen.