Sein Klarinettenspiel klang oft bizarr und kauzig. Doch der Schriftsteller Philip Larkin schrieb begeistert über Pee Wee Russells »schreckliche, schnaubende, asthmatische Stimmlosigkeit, diese Töne, die gehalten werden, bis sie zerbrechen, und diese plötzliche leidenschaftliche Intensität«.
In den 1960er Jahren wurden Kompositionen des »schrägen« Beboppers Thelonious Monk zu kleinen Jazz-Hits. Auch die Pioniere des Free Jazz wie Ornette Coleman und John Coltrane sorgten für Schlagzeilen. Es war also nichts Ungewöhnliches, wenn ein Jazzmusiker in den 1960er Jahren Stücke von Monk, Coleman und Coltrane spielte.
Seiner Zeit voraus
Doch die späten Aufnahmen von Pee Wee Russell (1906 bis 1969) sorgten damals genau wegen solcher Stücke für Aufsehen und Irritation. Denn Pee Wee Russell kannte man als Dixieland-Klarinettisten und Veteranen des Chicago-Jazz der 1920er Jahre. Er war noch mit der Prä-Swing-Legende Bix Beiderbecke um die Häuser gezogen, er war 20 Jahre älter als John Coltrane.
Während viele Jazzmusiker im fortgeschrittenen Alter nostalgisch und konservativ werden, spielte der 60-jährige Pee Wee Russell mit Überzeugung Monks »Ask me now«, Colemans »Turnaround« oder Coltranes »Some other Blues«.
Sein Bläserpartner Marshall Brown (Ventilposaune) fand das ganz natürlich: »Vor langer Zeit hat Pee Wee Russell in seinem Spiel schon vorweggenommen, was heute moderne Sounds sind. Eine Menge Musiker mussten ihn erst einmal einholen.«
Ein Exzentriker auf der Klarinette
Pee Wee Russell war ein absoluter Sonderfall der Jazzgeschichte, ein Exzentriker auf der Klarinette. Er gehörte keiner Schule an, er passte in keinen Stil. Russell spielte »völlig individuell, zeitlos und außerhalb jeder Tradition«, wie der Dixieland-Musiker Sandy Brown meinte.
In seinen Improvisationen ging Russell oftmals abenteuerliche Wege, experimentierte mit der Intonation und brachte auf seinem Instrument seltsame Knurr-, Fauch- und Flüsterlaute hervor.