Das Lexikon weiß: Mit Intonation wird in der Praxis des Musizierens die Feinabstimmung in der Tonhöhe bezeichnet. Das ist auch das Thema des 19. Beitrags von “Üben üben!” Die Serie befasst sich mit der Gestaltung bzw. Planung des Übens.
Beim Klavier stimmen in sich eigentlich nur die Oktaven und selbst deren obere Töne werden durch Streckung bzw. Spreizung manchmal höher und die unteren tiefer gestimmt. Bei vielen elektronischen Orgeln sind die Töne ganz einfach so gestimmt, dass sich die Frequenz eines Halbtons aus dem vorhergehenden durch die Multiplikation mit der zwölften Wurzel aus zwei ergibt (etwa 1,059463 und noch viele Stellen mehr). Diese Töne sind also vollkommen starr in ihrer Intonation, während bei Blasinstrumenten die Tonhöhen flexibel während des Spielens angepasst und verändert werden können.
Schwebungsfreie Dreiklänge
Deshalb kann im Gegensatz zum Klavier eine Bläsergruppe auch (wenn sie es möchte) reine und damit schwebungsfreie Dreiklänge erzeugen. Im Fall eines Dur-Dreiklangs wird dazu die große Terz vertieft (um 13,7 Cent, wobei ein Halbton 100 Cent hat) und beim Moll-Dreiklang die kleine Terz erhöht (um 15,6 Cent). Doch Sie wissen ja zum Beispiel von Goethes Mephisto (“Grau, teurer Freund, ist alle Theorie…”) über die Unzulänglichkeit eines nur theoretischen Wissens, weshalb hier drei Hinweise genannt werden, wie Sie sich mit dieser Thematik auch praktisch näher vertraut machen können:
- Die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim stellt unter anderem zum Üben des Intonationshörens unter www.eartraining-online.de ein kostenloses Gehörbildungstraining zur Verfügung, welches mit einer einmaligen Registrierung sofort verwendet werden kann.
- Stimmgeräte sind manchmal (zum Beispiel Korg TM-60) mit Markierungen versehen, welche die Frequenz der reinen großen und kleinen Terz anzeigen.
- Mit dafür geeigneten Keyboards (etwa Yamaha Harmony Director HD-300) können reine Intervalle sogar im Orchesterverband vorgespielt und passende Übungen anhand der aktuell auf den Notenpulten liegenden Literatur entwickelt werden.
Melodie oder Harmonie?
Sehr wichtig ist noch, dass wir beim Intonieren von Melodien ein ganz anderes Ziel als beim Intonieren von Dur- oder Moll-Akkorden haben. Bei Melodien soll der Unterschied zwischen Ganz- und Halbtönen besonders deutlich werden. Also erweitern wir große und verengen kleine Intervalle und intonieren Halbtonschritte enger in Richtung des Zieltons, damit die Leittonwirkung verstärkt wird. Denn im melodischen Verlauf empfindet unser Hörsinn Oktav, Quint und Quartsprünge dann als ideal, wenn sie im Vergleich zu den mathematischen Stimmungswerten etwas gespreizt sind. Also die große Terz bei melodischen Abläufen erweitern und bei Harmonien verkleinern.
Man muss sich also immer fragen: “Was ist wichtiger? Melodie (melodisch-horizontale Intonation) oder Harmonie (harmonisch vertikale Intonation)?” Denn eine angemessene Intonation hat sehr viel mit Hörbewusstsein zu tun, bei dem das Ohr die Regie führt und nicht das Auge.
Der Autor Jürgen K. Groh ist Master of Arts, Dirigent, Moderator und Vizepräsident der WASBE Sektion Deutschland. Er ist unter der E-Mail Adresse juergenkgroh@brawoo.de zu erreichen.