Wie klingt die Zukunft? Man könnte denken, in den Soundtracks von Science-Fiction-Filmen müssten blubbernde Synthesizer, sphärische Theremintöne und experimentelle Elektronik dominieren. Aber nein: Die Klassiker des Genres sind geprägt von Bläserklängen.
Eine Legende der deutschen Science-Fiction heißt “Raumpatrouille”. Diese siebenteilige Fernsehserie, noch in Schwarzweiß gedreht und streng wie ein Kammerspiel inszeniert, war einst eine große Pioniertat. Als sie im Fernsehen startete (September 1966), kannte man weder Captain Kirk und die Enterprise noch Stanley Kubricks Odyssee im Weltraum. Alle Einfälle rund um das Raumschiff Orion waren Innovation und Premiere. Die technische Ausstattung, die Trickeffekte, der Zukunftsjargon – auch die Musik. Für den Soundtrack engagierte man Peter Thomas (1925 bis 2020), der zuvor schon Jerry-Cotton- und Edgar-Wallace-Verfilmungen vertont hatte.
Thomas ließ sich für die Zukunftsmusik der „Raumpatrouille“ zwar elektronische Effekte einfallen (einen Synthesizer gab es noch nicht), aber im Kern war sein “Sound Orchester” eine Bigband nach Jazzvorbild. “Ich spielte nach dem Krieg in amerikanischen, englischen und französischen Clubs“, erzählte Thomas. “Dort merkte ich, dass die Kameraden, die uns besiegt hatten, eine andere Auffassung von Musik besaßen – sie spielten Swing. Ich habe dann versucht, das in meine Musik hineinzunehmen.”
Schrille Alien-Töne
Im Grunde klingt die Titelmelodie zur “Raumpatrouille” wie eine kleine Bigbandnummer – der B-Teil featuret die elektrische Orgel. “Die Kombination aus Orgel, dem Knackbass [Fender] und dazu Posaunen – das hatte sich zu einem Peter-Thomas-Sound entwickelt. Ich spielte viel auf der Hammond B5, aber mein Erkennungszeichen sind ganz klar die Posaunen.”
Durch den gesamten Soundtrack geistern starke, rhythmische Posaunenriffs. Manchmal, etwa in “Lancet Bossa Nova” und “Outside Atmosphere”, improvisieren auch mehrere Solobläser, zum Teil gleichzeitig. Für alieneske Spannungselemente sorgen schrille Töne von der Pikkoloflöte und von gestopften Trompeten. Mit fantasievollen Bläsereffekten lässt sich gut eine bizarre Zukunftswelt suggerieren.
Besonders frappante Beispiele für ungewohnt futuristische Bläserklänge lieferte kurz danach die amerikanische TV-Serie “The Invaders” (deutsch: “Invasion von der Wega”). Die Musik dafür schrieb Dominic Frontiere (1931 bis 2017), der in den 1950er Jahren Platten als Jazz-Akkordeonist gemacht hatte, bevor er musikalischer Direktor bei 20th Century Fox wurde. In seinen Partituren für die Mystery-Serie um feindliche Aliens stellt er sperrige, dissonante Bläserklänge ins Zentrum – Posaunen-Cluster, atonale Flötenmotive. Die Musik zu “The Invaders” kommt selten in einen melodischen Fluss, sorgt vielmehr für ständige Irritation bei den Zuschauern und ein Gefühl schauerlicher Fremdartigkeit. Noch heute klingt das ziemlich avantgardistisch.
Reise durchs Sternentor
Der erste ambitionierte Science-Fiction-Film, “2001: A Space Odyssey”, kam 1968 in die Kinos. 35 Technik-Designer und 25 Effekt-Spezialisten entwickelten dafür technologische Zukunftsvisionen. Der Produktionsetat betrug über 10 Millionen Dollar – dem entspräche heute etwa die achtfache Summe. Stanley Kubrick, der Regisseur, hatte die Rohfassung des Films mit klassischen Musikstücken unterlegt, u.a. von Richard Strauss und Johann Strauß. Bei der Produktionsfirma aber war man der Meinung, ein amerikanischer Zukunftsfilm könne auf keinen Fall von Klängen europäischer Vergangenheit begleitet werden. Deshalb wurde der Filmkomponist Alex North damit beauftragt, in Anlehnung an die von Kubrick gewählten Stücke eine neue Filmmusik zu komponieren. Erst bei der Premiere stellte North fest, dass sich Kubrick am Ende doch für die Klassik-Originale entschieden hatte.
Der Hit des Soundtracks war natürlich die Einleitung zu Strauss’ “Also sprach Zarathustra”, diese eineinhalbminütige Trompetenfanfare mit Orgel und Pauken. Doch das umfangreichste und gewichtigste Stück in “2001” heißt “Atmosphères” – eine im Original 23-minütige Orchesterkomposition von György Ligeti (1923 bis 2006). Im Film begleitet sie die psychedelische Reise durchs “Sternentor”, eine Art kosmische Lightshow, die später auch als Drogentrip oder religiöse Vision gedeutet wurde. Entstanden ist das Stück als orchestrale Umsetzung von elektronischen Klangeffekten. Dabei spielen die Farbmischungen der 19 Bläser im Orchester eine wichtige Rolle.
“Atmosphères” beginnt mit einem chromatischen Cluster über fünf Oktaven. Was dann folgt, beschrieb Ligeti als “Netzstruktur”: “Es fehlt darin jede Art von Figur oder rhythmischer Gestalt. Die Form besteht ausschließlich aus Transformationen der Klangfarbe und Lautstärke.” Die Entscheidung, dieses Avantgarde-Stück in einem Hollywood-Film zu verwenden, kann man nur bewundern. Die Unbegreiflichkeit von Zukunft, Weltall, fremden Lebensformen lässt sich musikalisch kaum eindrücklicher unterstreichen.
Bewährte Emotionen
Wie dagegen ein typischer Science-Fiction-Film aus Hollywood zu “klingen” hat, haben Klassiker wie “Star Trek” und “Star Wars” vorgeführt. Auch hier stehen schon in den Titelmelodien die Bläser sehr im Vordergrund. Hörner, Trompeten und Posaunen spielen aufsteigende Intervallfiguren, markige Fanfaren, Marsch- und Galoppmotive. Die musikalische Botschaft lautet: Aufbruch, Abenteuer, Optimismus und Stärke. Die übliche Science-Fiction-Erkennungsmelodie aus den USA hat etwas eindeutig Martialisches. Sie würde auch gut zu einem amerikanischen Western- oder Kriegsfilm passen.
Im Fall von “Star Wars” war dieser “nicht-futuristische” Charakter der Musik eine ganz bewusste, programmatische Entscheidung. Den ersten Film der “Star Wars”-Reihe (1977, heute: Episode IV) hatte Regisseur George Lucas – ähnlich wie schon Kubrick bei “2001” – zunächst mit klassischen Musikstücken unterlegt, darunter Werken von Bach, Beethoven und Tschaikowsky. Als feststand, dass John Williams die Filmmusik schreiben würde, soll ihm Lucas die Rohfassung mit den Klassikstücken präsentiert haben – mit den Worten: “So, nur besser!” Lucas war angeblich überzeugt davon, dass die Musik einen Gegenpol zu den Zukunftsvisionen bilden und auf bewährte emotionale Effekte vertrauen müsse.
Williams, der die Musik für alle neun Science-Fiction-Filme der drei Trilogien schrieb, orientierte sich dabei anfangs tatsächlich an Vorbildern aus der klassischen Musik: Wagner, Holst, Prokofjew, Strawinsky, Tschaikowsky usw. Seine “Star Wars”-Soundtracks verlangen ein rund 100-köpfiges Orchester und einen fast ebenso großen Chor. Zehn Holzbläser und 14 Blechbläser sind Standard, auch Wagnertuben kommen zum Einsatz. Die verschiedenen Melodien kehren wie Leitmotive immer wieder. Besonders in kämpferischen und bedrohlichen Szenen geben die Blechbläser den Ton an. Etwa in den Stücken “The Imperial March” (Episode V), “The Throne Room” (Episode IV), “The Arena” (Episode II), “Escape From Cloud City” (Episode V) und “The Droid Invasion” (Episode I).
Der Cantina-Hit
Ein originelles Bläser-Kuriosum ist im ersten “Star Wars”-Film von 1977 versteckt. Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi treffen in einer Bar in der Raumhafenstadt Mos Eisley (auf dem Planeten Tatooine) auf Han Solo und Chewbacca. Im Hintergrund hat eine Alien-Band einen Live-Auftritt. “Star Wars”-Nerds wissen natürlich Bescheid über diese Band: Sie heißt Figrin D’an And The Modal Nodes. Die Musiker sind Bith von Clak’dor VII – über dieses nichthumanoide Volk und seinen Planeten weiß der “Star Wars”-Fan ebenfalls alles Mögliche. Der Musikstil der Band ist Jizz, und die Blasinstrumente tragen so schöne Namen wie Kloo Horn, Ommni Box, Fixxx, Fanfar und Bandfill.
Das Stück, das sie spielen, ist ein Medley aus zwei Themen, die John Williams extra für diese Szene komponiert hat. Lucas hatte ihn ausdrücklich um eine Alien-Swingnummer gebeten. Das Stück wurde bekannt als “Cantina Band”. Es erinnert in der Filmversion (eine Nonettfassung mit vier oder fünf Bläsern) an virtuosen Small-Band-Swing, wie ihn um 1940 Benny Goodman, Artie Shaw, John Kirby oder Raymond Scott gespielt haben. “Cantina Band” ist ein heimlicher Standard geworden und hat seit 1977 unzählige weitere Einspielungen erlebt.