Seit 1990 widmet sich die Pannonische Forschungsstelle des Instituts Oberschützen (Kunstuniversität Graz) unterschiedlichen Themenbereichen der Blasmusikforschung. 2013 wurde sie zum International Center for Wind Music Research (Internationales Zentrum für Blasmusikforschung) erweitert, womit eine in Europa einzigartige Institution geschaffen wurde.
Im September 2017 hat Dr. phil. David Gasche die Leitung der Pannonischen Forschungsstelle am Institut Oberschützen übernommen. Das Ziel bleibt deutlich: »Die Blasmusikforschung soll weitergetrieben werden. Sie ist ein riesiges Feld und es gibt einen kontinuierlichen Bedarf. Die Blasmusikforschung muss immer lebendiger, zugänglicher und praktischer werden.« Wir sprachen mit ihm über Blasmusik und Kultur.
Blasmusik ist noch nicht sehr lange Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung – warum eigentlich nicht?
Das ist eine zentrale und gleichzeitig eine komplexe Frage. Die Antwort hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Vielleicht zwei kurze Gegenfragen, um diese Situation zu erklären: Was denken die meisten Leute, inkludiert die Studenten und die Forscher, über den Begriff »Blasmusik«? Triviale oder ernste Musik?
In dem Musiklexikon MGG2 findet man zwar die Stichwörter »Bläserkammermusik« oder »Blasorchester«, aber nichts über die »Blasmusik« – obwohl es einen Artikel in der ersten Auflage gab. Nur eine kleine Anekdote, die vielleicht beweist, dass das Thema Blasmusik von der Musikwissenschaft lange Zeit ignoriert worden ist, obwohl es einen umfangreichen Forschungsbereich umfasst.
Ein Grund dafür hängt wahrscheinlich mit der Darstellung der Musik des 19. Jahrhunderts zusammen. Die Blasmusik wurde bedauerlicherweise immer eher negativ beurteilt. Sie stellt die Volksmusik oder die populäre Musik dar. Eine Musik, die von der großen Menge gern gehört wurde. Hier muss einem oft geäußerten Missverständnis begegnet werden.
Für die meisten Menschen ist noch heute Blasmusik eine Stadtkapelle, die ausschließlich Arrangements, Marschmusik, Polkas oder Walzer spielt. Die Blasmusik ist viel mehr und die Blasmusikforschung versucht, dieses falsche Bild zu korrigieren. Die Musikwissenschaft hat trotzdem lange Zeit ein so verbreitetes Phänomen mit Vorurteilen betrachtet.
Es besteht zudem das Problem der Begriffsbedeutung und die Trennungslinie zwischen Bläsermusik und Blasmusik. Dies ist eine Schaffung der frühen modernen Musikwissenschaft, die alles kategorisieren wollte. Eine Folge davon ist, dass die Forschung die geblasene Musik zu wenig als Kunstmusik betrachtet hat. Und auch für die Praxis und ebenso für die Medien ist diese Trennung zwischen Kunst- und Darbietungsmusik sichtbar.
Dazu kamen noch andere Elemente. Selbst gesellschaftliche, soziale Gründe oder einfach die Frage des Geschmacks und der Mode können erklären, warum die Blasmusik ein ziemlich neues Forschungsfeld der Musikwissenschaft ist.
Und warum gibt es einen »kontinuierlichen Bedarf«?
Ein erster Punkt ist die Blasmusikforschung in sich. Seit 30 bis 40 Jahren gibt es Forscher (Wolfgang Suppan, Bernhard Habla, Eugen Brixel, Achim Hofer u. a.), die schon das Thema auf eher wissenschaftlicher Ebene behandelt haben. Und gute Literatur ist immer leichter zu finden. Aber die Blasmusik ist ein riesiges und lebendiges Feld. Daher ist es schwierig, einen vollständigen Überblick zu behalten.