Orchestra, Szene | Von Jochen Mettlen

Brassband-EM in Oostende: Die Wikinger trumpfen auf!

Ein norwegisches Sprichwort sagt: »Drei Dinge braucht man zu allem: Kraft, Verstand und Willen.« Von alledem haben die Musiker der Brassband Eikanger-Bjørsvik Musikklag reichlich. Verdient gewannen die Wikinger Ende April die Brassband-Europameisterschaft (EBBC) in Oostende. Vize-Europameister wurde die Valaisia Brass Band aus der Schweiz vor Titelverteidiger Cory Band.

Es war fast wie das Warten auf Godot, ehe im Kursaal von Oostende die Resultate bekanntgegeben wurden. Titelverteidiger Cory Band und die European Youth Brass Band hatten den Galaabend gestaltet, doch die vielen Zuhörer warteten nur auf eins: auf die Resultate.

Championship Section

Nachdem die zwölf Brassbands der Championship Section, der Höchststufe, ihre Pflicht- und Wahlwerke vorgetragen hatten, wurde reichlich diskutiert und gefachsimpelt. Journalisten der Brass-Internetseite 4barsrest.com gaben sogar Online-Prognosen ab. Das letzte Wort, wie bei allen Musikwettbewerben, haben aber die Juroren. Mit 193 von möglichen 200 Punkten kürte die Jury die Brassband Eikanger-Bjørsvik Musikklag zum neuen Europameister.

Vereinspräsident Stig Ryland küsste den Boden und war überglücklich. »Wir haben so dafür gekämpft. In den letzten Jahren waren wir immer nah dran, wir waren dreimal Vizechampion. Jetzt sind wir nach 28 Jahren wieder Europameister. Fantastisch«, so Ryland.

Unter der Leitung von Ingar Bergby überzeugten die Norweger vor allem mit dem Wahlwerk »Fraternity« von Thierry Deleruyelle, das sie mit einer unglaublichen Dynamik und Intensität vortrugen. Standing Ovations und die höchste Jurorenwertung (98 Prozent) belegen die musikalische Klasse.

Für Eikanger ist es der insgesamt dritte EM-Titel. Am Heimatflughafen Bergen wurde das »Siegerflugzeug« mit Wasserfontänen begrüßt und 200 Fans boten den Musikern einen triumphalen Empfang, was den hohen Stellenwert der Brassband-Musik in Norwegen widerspiegelt.

Valaisia zweiter vor Cory

Vize-Europameister, mit nur zwei Punkten Rückstand, wurde die Valaisia Brass Band aus der Schweiz. Unter der Leitung von Arsène Duc hatten die Schweizer die beste Performance (96 Prozent) beim Pflichtwerk hingelegt. Dadurch verdrängten die Eidgenossen die punktgleiche Cory Band auf Rang drei.

Belgiens Aushängeschild Brassband Willebroek wurde mit 188 Punkten Vierter in Oostende. »Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden«, erklärt Dirigent Frans Violet bei seinem Heimspiel. »Natürlich möchte man gewinnen, aber es ist absolut keine Schande, in diesem Klassefeld Vierter zu werden.«

In die Top 5 schob sich die Tredegar Town Band aus Wales, punktgleich vor der Concord Brass Band aus Dänemark und der Paris Brass Band aus Frankreich. Dahinter folgten Brighouse & Rastrick (England), die Brass Band Schoonhoven (Niederlande), die Brass Band Oberösterreich, die Brass Band Buizingen (Belgien) und die 3BA Concert Band (Deutschland).

Sehr hohes Niveau

Das musikalische Niveau beim EBBC war auch in diesem Jahr beeindruckend. »Das Niveau war sehr hoch bis unglaublich hoch«, schwärmt der belgische Komponist, Dozent und Dirigent Jan Van der Roost, der in Oostende als Juror in der Championship Section tätig war. »Einige Leistungen waren fast professionell, die Bands haben eine großartige Klangbeherrschung, virtuose Technik, große dynamische Unterschiede und eine fantastische Flexibilität gezeigt. Alle Ensembles waren sehr gut. Die Brassband-Szene steht an der Spitze der Amateurmusik.«

Als Ausrichter der Brassband-EM hatte der flämische Musikverband Vlamo die Pflichtwerke in Auftrag geben. Zum Zuge kamen zwei junge, aufstrebende belgische Komponisten. Für die Championship Section hatte Kevin Houben, ein ehemaliger Schüler von Jan Van der Roost, das Stück »Where Angels Fly« komponiert. »Kevin Houben hat ein schönes Werk geschrieben, das technisch und auch physisch schwierig ist, da Ausdauer gefragt ist. Es war ein Pflichtwerk, wie man es sich für eine Brassband-EM wünscht«, so Van der Roost.

»Where Angels Fly« basiert zum Teil auf der sehr schönen Melodie aus »Le Retour au Pays« des belgischen Komponisten Paul Gilson. »Das Stück hat ruhige und leise Momente, die viel Musikalität abverlangen. Es hat auch Solopassagen, aber keine übertriebene ›Akrobatik‹. Die Schwierigkeiten waren nicht ausschließlich technischer Natur. Es kam vor allem auf den Gesamtklang und die Interpretation an. Ich glaube, dass die Brassbands das Werk gerne gespielt haben. Wir Juroren haben es jedenfalls mit Vergnügen zwölf Mal gehört«, erklärt Jan Van der Roost. Für die Challenge Section hatte der Belgier Bart Picqueur das Pflichtwerk »Insomnia« komponiert.

Brassband-Weltrangliste

Im Fußball oder im Tennis ist sie gang und gäbe: die Weltrangliste. Den ein oder anderen mag es überraschen, aber auch für Brassbands besteht eine Weltrangliste. Mit dem Sieg in Oostende macht die Eikanger-Bjørsvik Musikklag einen Sprung unter die Top 5 und ist jetzt Vierter (+7). Die Valaisia Brass Band ist Sechster (+12) und Willebroek Achter (+4). Die Top 3 bleiben unverändert: Cory ist souveräner Weltranglistenerster vor Brighouse & Rastrick und Black Dyke. Die Cory Band hatte 2016 den Brassband-Grandslam gewonnen.

Übrigens, die Brassband-Europameisterschaft feierte in Oostende ein kleines Jubiläum: es war die 40. Auflage. Klassenprimus ist die Black Dyke Band mit 13 EM-Titeln. Nach 2009 war Oostende zum zweiten Mal Schauplatz dieses hochklassigen Musikwettbewerbs. 2019 findet die EBBC in Utrecht in den Niederlanden statt.