„Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Musikvereine.“ Was für uns alle ganz selbstverständlich klingt, ist für den Dirigenten Christian Weng darüberhinausgehend ein besonderes, ein großes Anliegen. Ein Porträt der Serie „Schrittmacher der Blasmusik„.
In der Jugendarbeit muss die Grundsteinlegung für künftige Führungskräfte auf musikalischer wie organisatorischer Ebene gelegt werden, ist Christian Weng überzeugt. Kinder und Jugendliche sind bezüglich Motivation, Einsatz, Übeverhalten und Interesse an der Gemeinschaft heterogen. Es ist also eine besondere Herausforderung, aus so einer heterogenen Gruppe einen homogenen Klangkörper zu formen. Eine Herausforderung, die Weng immer wieder sehr gerne annimmt und die ihn begeistert.
Ersten Dirigierunterricht erhielt er 2007 bei der damaligen Bläserschule Mindeltal bei Stefan Tarkövi. Es folgten die C3-Prüfung beim ASM unter der Kursleitung von Toni Scholl und Johnny Ekkelboom. Diese motivierten ihn auch, sich weiter mit dem Dirigieren zu beschäftigen, sodass er von 2011 bis 2017 ein Studium der Blasorchesterleitung bei Prof. Hermann Pallhuber an den Musikhochschulen Stuttgart und Mannheim anschloss. Neben zahlreichen Meisterklassen absolvierte er die internationale Fortbildung zum Juror des europäischen Blasmusikverbandes CISM in Trossingen. Eine besondere Erfahrung war außerdem die Möglichkeit, mit Prof. Werner Bloemeke und den Hofer Sinfonikern in die Welt der klassischen Orchestermusik einzutauchen.
Nach dem Abitur entschied er sich zunächst für ein Lehramtsstudium (Deutsch/Sozialkunde) in München, da er sich nicht sicher war, ob Musik als Beruf zu 100 Prozent das Richtige für ihn ist. Nach wenigen Semestern bemerkte er allerdings, dass ihm das Unterrichten sehr gefällt, jedoch die musikalische Herausforderung fehlt. Heute ist er froh, beide Welten kennengelernt zu haben, weil die musikalisch-praktischen Vertiefungen des Musikstudiums seine pädagogisch-geisteswissenschaftlichen Erfahrungen des Lehramtsstudiums optimal ergänzen: „Diese Kombination ist für meine tägliche Arbeit als Schulleiter des Musikzentrums Mindeltal unheimlich wertvoll.“ Die Schulleitung übernahm er bereits mit 23 Jahren und war somit einer der jüngsten Schulleiter einer Musikausbildungseinrichtung in Deutschland.
Berater beim Thema Musik
Christian Weng ist Dirigent des Blasmusikvereins Jettingen, der heuer sein 270-jähriges Bestehen feiert. Neben vielen Events aus diesem Anlass freut er sich besonders auf den Oberstufenwettbewerb des Bayerischen Blasmusikverbandes, für den sich sein Blasorchester auf Verbandsebene qualifizieren konnte. Er selbst sieht sich innerhalb des Vereins und dessen Führung vor allem als Berater in den Themengebieten, die die Musik betreffen. Die musikalisch-strategische Ausrichtung, die Erstellung und Umsetzung von Konzerten sowie eine stetige Gewinnung aktiver Mitglieder liegen ihm besonders am Herzen.
„Dirigenten sollten in allen musikalischen Belangen einbezogen werden und das musikalische Programm – entsprechend der Leistungsfähigkeit des Orchesters und der grundsätzlichen Ausrichtung des Vereins – erarbeiten und umsetzen.“ So gibt es in Jettingen besondere Sitzungen der Vereinsleitung mit Musikthemen, zu denen er eingeladen wird. Dagegen werden Sitzungen mit Themen wie etwa Festorganisation, Trachtenbeschaffung oder Ähnliches ohne ihn durchgeführt.
Christian Weng hat klare Vorstellungen von einer idealen Vorstandschaft im Verein. Dass es Personen und Teams gibt, die sich um ihre jeweiligen Aufgaben selbstständig und proaktiv kümmern, sollte obligatorisch sein. Auf die Ergebnisse und Umsetzungen aller Themen – sowohl musikalisch als auch organisatorisch – sollte hundertprozentiger Verlass sein. Für einen Dirigenten ist es seiner Meinung nach immer müßig, sich um jeden Zwischenschritt oder jeden Einzelaspekt mit kümmern zu müssen.
„Mir ist es wichtig, klare Aufgabenprofile zu erstellen und sie den entsprechenden Personen zuzuordnen. Gibt es diese klare Aufgabenverteilung, können keine wichtigen Punkte vergessen oder übersehen werden.“ Weiter helfen Checklisten für regelmäßige Ereignisse, wie etwa Konzerte und Feste. Am wichtigsten aus seiner Sicht ist es, dass die Vorstandschaft ein harmonisches Team ist, das sich gegenseitig unterstützt und viel miteinander kommuniziert. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und die Arbeit bleibt nicht an einzelnen Personen hängen.
Qualifizierte und motivierte Dirigenten
Neben Kinder- und Jugendensembles am Musikzentrum Mindeltal und dem BMV Jettingen dirigiert Christian Weng auch das Bezirksjugendorchester Günzburg – eine Aufgabe, die ihn mit großer Freude erfüllt: „Die Begeisterungsfähigkeit und die Hingabe, die junge Musizierende aufbringen können, lässt sie musikalische Hürden durch schieres Wollen überwinden. Als Dirigent erhalte ich außerdem ein schnelles Feedback, da sich Unmut und Ungeduld, aber auch Freude und Begeisterung in den Proben schneller abzeichnen.
Allgemein gesagt ist die Interaktionsgeschwindigkeit und damit auch der Probentakt oft höher.“ Deshalb sollten Jugendorchester nur von entsprechend qualifizierten und vor allem motivierten Dirigenten geleitet werden, die diesen Herausforderungen auf musikalischer und pädagogischer Ebene begegnen können. „Wird bereits im Jugendstadium gute Ausbildungsarbeit geleistet, dann stehen für die großen Orchester super motivierte und engagierte Musiker zur Verfügung.“

Für die Zukunft der Musikvereine wünscht sich Christian Weng, dass das Image weiter verbessert und noch mehr Menschen der künstlerische Wert der Blasmusik bewusst wird. Zum Abbau von Vorurteilen ist eine Vernetzung der Szene und ein reger Austausch unter allen Aktiven notwendig, so Weng. Wichtig sind in diesem Zusammenhang aber auch gut ausgebildete Dirigenten.
„Die große Frage, die sich viele Musikvereine heute stellen müssen: Wohin soll die musikalische Reise gehen? Welche Schwerpunkte sollen für die Zukunft gesetzt werden? Welche musikalischen Ziele sollen erreicht werden? Unumgänglich dazu ist eine Analyse der organisatorischen und musikalischen Herausforderungen. Will man sich musikalisch verbessern, ist es zwingend notwendig, sich einen Dirigenten zu suchen, mit dem diese Weiterentwicklung bestritten werden kann. Da für gut ausgebildete Personen höhere Kosten anfallen als für die früher zum Teil sogar ehrenamtlichen Orchesterleiter müssen die Vereine heute kreativer in der Beschaffung finanzieller Mittel denken.“
Beiträge sind noch sehr niedrig
Neben musikalischen Auftritten, Fördermitgliedern und der Organisation von Festen gibt es nach Meinung von Christian Weng noch ein paar andere Stellschrauben, an denen gedreht werden kann: „In vielen Vereinen ist es noch nicht üblich, dass die Orchestermitglieder einen Beitrag bezahlen, oder die Jahresbeiträge sind sehr niedrig. Vergleicht man die Musikvereine hier etwa mit den Sportangeboten, so stellt man fest, dass es dort absolut normal ist, ‚Trainerstunden‘ zu bezahlen. Analog hierzu könnte also auch jedes (selbst verdienende) Orchestermitglied einen Beitrag leisten.“
Ansprechpartner, Plattformgeber und Unterstützer für die Zukunft der Musikvereine sind in erster Linie die Blasmusikverbände. Hier kann Christian Weng vor allem aus Sicht eines Dirigenten im Gebiet des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes (ASM) sprechen. Für die Ausbildung von qualifizierten Dirigenten erhalten Musikvereine entsprechende Zuschüsse. Dann gibt es immer mehr Fortbildungen und Workshops, die dirigentische Themenkomplexe aufgreifen oder mit nationalen und internationalen Dirigierpersönlichkeiten durchgeführt werden.
Seit 2019 bietet der ASM auch ein sogenanntes Dirigenten-Coaching an. In diesem Programm können sich Vereine einen versierten Dirigenten in die Probe holen, der vor Ort mit dem Dirigenten und den Musikern arbeitet. So kann man direkt auf vereinsspezifische Problemstellungen eingehen und mit dem Orchester Lösungswege erarbeiten.
Christian Weng selbst ist als Coach Teil des Programms und kann von ausschließlich positiven Erfahrungen der Vereine berichten. Handlungsbedarf für Verbände sieht Christian Weng bei der Gewinnung von neuen Dirigenten: „Auch in unserem Verband gibt es derzeit viele Vereine, die auf der Suche nach engagierten Dirigenten sind und sich schwer tun, entsprechende Personen zu finden.“
Musik und insbesondere Blasmusik ist für Christian Weng ein wichtiger Lebensinhalt geworden: „Mich hat schon immer das emotionale Spannungsfeld gemeinsamen Musizierens fasziniert. In einem Orchester erwächst aus Noten und Spielanweisungen in einem gemeinsamen Prozess ein Produkt, das weit über das hinausgeht, was durch diese Noten inhaltlich ausgesagt werden kann.
Das gemeinsame Musizieren multipliziert also den eigentlichen Inhalt um ein Vielfaches.“ Da ihm die qualifizierte musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen besonders am Herzen liegt, haben wir mit Christian Weng über die besten Wege der Nachwuchsgewinnung für Musikvereine gesprochen.
Ein Interview mit Christian Weng lesen Sie hier.