Orchestra, Szene | Von Klaus Härtel

Die Big Band der Bundeswehr in Malaysia: Ein Abenteuer!

Im Herbst des vergangenen Jahres erging ein »Befehl zur Durchführung einer Konzertreise nach Kuala Lumpur« an die Big Band der Bundeswehr. Die deutsche Botschaft hatte geladen. Die Big Band fliegt nach Malaysia? Ein Auftrag, klar. Ein Abenteuer? Unbedingt!

Reise in ein unbekanntes Land

»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen«, wusste Matthias Claudius schon im 18. Jahrhundert. Heute informiert sich der geneigte Weltreisende bereits im Vorfeld im Internet. Auf der Seite des Auswärtigen Amtes erfährt man so allerhand über das Reiseziel.

Etwa, dass in Malaysia weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge besteht und dass mit Erd- und Seebeben gerechnet werden muss. Solche Dinge. Wissenswert ist noch, dass für den Handel mit Rauschgift eine mandatorische Todesstrafe gilt. Das Auswärtige Amt empfiehlt zudem, die Standardimpfungen gemäß aktuellem Impfkalender des Robert-Koch-Instituts vornehmen zu lassen.

Man erfährt, dass Malaria durch den Stich blutsaugender nachtaktiver Anopheles-Mücken übertragen wird und dass insbesondere die gefährliche Malaria tropica bei nicht-immunen Europäern häufiger tödlich verläuft. Unbehandelt wohlgemerkt. Details über Denguefieber, Cholera oder Japanische Enzephalitis möchte man dann schon gar nicht mehr wissen…

Da war es dann irgendwie schon wohltuend, dass das größte Abenteuer bereits einige Zeitzonen weiter westlich begann: Der Flug fiel aus. Grund dafür waren weder Krankheiten, Drogen noch rohe Gewalt. Nein, in Amsterdam und in Düsseldorf hatte es geschneit. Und wenn es in diesen Gegenden schneit, muss man wissen, geht verkehrstechnisch gar nichts mehr. ´

Es wurde hektisch diskutiert, telefoniert, umgebucht. Und nein: die alte Bundeswehrweisheit »Y-Tours, wir buchen, Sie fluchen« durfte diesmal nicht gelten. Das Wetter kann vermutlich nicht einmal die Verteidigungsministerin beeinflussen. Aber da ja ein »Befehl zur Durchführung einer Konzertreise« vorlag, wurde der auch befolgt.

Was gleich eine weitere Weisheit auf die Probe stellte und umwandelte: »Alle Wege führen nach Rom« heißt es – aber allerhand Wege führen auch nach Kuala Lumpur. Aus allen Himmelsrichtungen trudelten nach und nach die auf verschiedene Flieger und Flugrouten – via Dubai, Hongkong oder Phuket – umgebuchten Musiker in Malaysia ein.

Kuala Lumpur: Hektische Betriebsamkeit und zuvorkommende Einwohner

Kuala Lumpur ist wohl das, was man einen Moloch nennt. Die Luft ist stickig, der Lärm immens, die Häuser sind hoch. Die Temperaturen liegen jenseits der 30 Grad, die Luftfeuchtigkeit ist extrem. Die Stadt hat fast 1,6 Millionen Einwohner, die Metropolregion gar über 8 Millionen.

Und ein Großteil von denen scheint auf den Straßen und in den Häuserschluchten unterwegs zu sein. Bevorzugt auf knatternden Mopeds, die sich zwischen den Autos hindurchschlängeln und an den Ampeln immer im Pulk in der ersten Reihe stehen.

Zwischen traditionellen Märkten ragen überall Hochhäuser in den blauen Himmel. Die bekanntesten von allen sind sicherlich die Petronas Twin Towers. Mit 88 Stockwerken und 452 Metern Gesamthöhe sind sie echte Giganten. Es ist hektisch, Entschleunigung nicht angesagt. Die Menschen eilen durch die Straßen, die Gesichter maskengleich.

Bis man mit ihnen ins Gespräch kommt. Dann nämlich scheint eine Fassade zu bröckeln und die Leute entpuppen sich als unheimlich freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Egal, ob man bei ihnen Streetfood kauft, sich im Taxi nach Sehenswürdigkeiten erkundigt oder auf der Straße nach dem Weg fragt.

Die Bevölkerung

Übrigens, so viel zur Statistik, besteht die städtische Bevölkerung zu 52 Prozent aus Chinesen, 39 Prozent Malaien und 6 Prozent Indern. Hinzu kommen Araber, Sri Lanker, Europäer, Indonesier und Philippiner.

Auch Deutsche trifft man in Kuala Lumpur. Und damit sind nicht die zahlreichen Touristen gemeint, die mit der AIDA im nahen Port Klang einlaufen. Kuala Lumpur, erzählt uns der Schulleiter der Deutschen Schule, Dr. Ulrich Mayer, hat etwa 1500 deutschsprachige Einwohner.

In die Deutsche Schule gehen dann die Kinder derjenigen Eltern, die bei einem der mehr als 300 deutschen Unternehmen arbeiten wie etwa Siemens, DaimlerChrysler, BMW, BASF und so weiter…

Einsatz der Big Band an der Deutschen Schule

Zur Deutschen Schule Kuala Lumpur reist unterdessen eine kleine Abordnung der Big Band der Bundeswehr. Leiter Timor Oliver Chadik und Tourmanager Johannes Langendorf erzählen den aufmerksamen Schülerinnen und Schülern von den Karrierewegen und -möglichkeiten, die man auch als Musiker bei der Bundeswehr hat.

Die Sänger Susan Albers und Marco Matias übernehmen den praktischen Teil und treten den Beweis an, dass die Militärmusik mehr ist als Marschmusik. Die Big Band ist dabei ja ohnehin ein gewisser Sonderfall und besticht durch ihre musikalische Bandbreite und Vielseitigkeit. Die beiden Sänger, die seit einem Jahr mit der Band unterwegs sind, bringen lupenreine Popmusik ins Klassenzimmer.

Beide (zusammen mit der nicht mit nach Malaysia gereisten Jemma Endersby) wurden übrigens »gecastet«. Erfahrung hatten sie damit ja. Und es ist Susan Albers genreübergreifende Stilsicherheit sowie ihre bestechende Musikalität, die sie nicht nur bei Dieter Bohlens »Deutschland sucht den Superstar« auf den 4. Platz brachte, sondern auch als Sängerin zur Big Band der Bundeswehr.

Auch Marco Matias hat bei der Swingformation in Uniform seinen Platz gefunden – denn Marco Matias groovt mit so viel Leidenschaft, Kraft, Charme und Gefühl, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Das hatten sie auch schon bei der Casting-Show »Die deutsche Stimme« gemerkt…

Das große Konzert im Renaissance Kuala Lumpur Hotel

Am Abend steht dann das Highlight auf dem Programm – das Konzert im Grand Ballroom des Renaissance Kuala Lumpur Hotel. In Deutschland wird die Band für zahlreiche Staatsbesuche, Benefizkonzerte, Tanzgalas, Bälle, Kanzler- oder Bundespräsidentenfeste engagiert und sie sorgt bei jedem Anlass für den richtigen musikalischen Rahmen.

So ist sie in den Monaten Mai bis August im gesamten Bundesgebiet unterwegs; von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, von Aachen bis Frankfurt an der Oder verbreitet sie im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung gute Laune und macht Werbung in eigener Sache. Von September bis April gastiert die Big Band in den Konzerthallen der Republik. Kuala Lumpur liegt dabei eigentlich nicht ganz auf der regulären Route. Wie kam es denn dazu?

Der Anlass: 60 Jahre deutsch-malayische Beziehungen

Eingeladen hat die deutsche Botschaft in Kuala Lumpur in Person des deutschen Botschafters Nikolaus Graf Lambsdorff. Warum? Weil es was zu feiern gibt! Offiziell bestehen seit 1957 diplomatische Beziehungen zwischen Malaysia und der Bundesrepublik. Damals waren die Diplomaten noch in temporären Büros im Hotel »Majestic« untergebracht. Und heute feiert man nicht nur die Diplomatie.

Bandleader Timor Oliver Chadik drückt es so aus: »Wir freuen uns, dass wir das 60-jährige Bestehen der deutsch-malayischen Beziehungen und der Freundschaft feiern dürfen.« Freundschaft ist ein großes Wort, doch die Herzlichkeit, mit der man sich vor, während und nach dem Konzert begegnet, wirkt echt.

Aber trotzdem – Kuala Lumpur! Ist solch eine Auslandsreise normal oder doch eher unüblich? Chadik grinst. »Natürlich ist eine Reise wie diese nach Malaysia etwas Besonderes für alle Beteiligten. Aber es kommt schon vor.« Man habe zu ähnlichen Anlässen kürzlich in Südkorea in Seoul und auch für die deutsche Botschaft in Moskau gespielt.

Der Tourmanager Johannes Langendorf ergänzt lapidar: »Solche Dinge passieren.« Er lacht. Der Anlass ist ein Jubiläum – der Grund jedoch, warum die Big Band der Bundeswehr überhaupt spielt, ist in der Millionenstadt Kuala Lumpur eigentlich kein anderer als im rheinland-pfälzischen Luftkurort Emmelshausen. Langendorf: »Die Big Band der Bundeswehr ist eine klingende Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland. Im Ausland wie im Inland. Die Visitenkarte der Big Band besteht eben aus Swing, Rock und Pop.«

Zugegebenermaßen bedeutet eine Asienreise einen etwas größeren Aufwand als eine Busfahrt in den Hunsrück. Doch das diplomatische Jubiläum »60 Jahre Freundschaft zweier Nationen ist ein ausgezeichneter Anlass«, findet Johannes Langendorf. Und so reist man eben mit Sack und Pack an.

Eine logistische Herausforderung

Musiker, Techniker, Sänger – eine Reisegruppe von über 30 Personen – haben Uniformen, die komplette Bühnen- und Veranstaltungstechnik und natürlich ihre Instrumente dabei. Und alles kommt heil im Grand Ballroom an. Fast alles, denn das Keyboard von Phuong Nam Nguyen Cong hat es zerlegt. Panik? Natürlich nicht. Man hat ja ein Ersatzinstrument dabei.

Logistisch ist Kuala Lumpur eine Herausforderung. Im August bereits war ein Team von drei Personen vor Ort, um die Örtlichkeiten zu checken und grundlegende Dinge zu klären. »Denn wir können nicht davon ausgehen«, meint Langendorf, »dass die Botschaft weiß, was auf sie zukommt.« Die entscheidenden Dienststellen wurden einbezogen, Details mit Reisegesellschaften abgeklärt, Material schließlich nach Asien geschafft.

Für die Musiker war die Malaysia-Reise erst einmal schlichtweg »Dienst«. Und der Tourmanager weiß: »Wir mussten niemanden überzeugen, mitzufliegen. Alle Musiker wussten, dass dies eine besondere Reise wird. Und ich glaube, alle haben sich gefreut.« Die Stimmung unter den Musikern jedenfalls war gelöst, man war neugierig auf »die andere Seite der Welt«, gespannt auf das, was einen dort erwarten würde.

In der Zeit zwischen den Musikeinsätzen – wie es bei der Bundeswehr heißt – wurden Märkte, Sehenswürdigkeiten oder botanische Gärten erkundet, am Pool entspannt oder Reiseandenken für die Daheimgebliebenen gekauft. Abends genossen viele die beeindruckende Skyline auf Dachterrassen oder in Sky-Bars.

Die musikalische Planung

Mit der organisatorischen Planung der Reise ging die musikalische Planung einher. Von der Botschaft war schnell der Wunsch an den Big-Band-Leiter herangetragen worden, ein weihnachtliches Programm aufzulegen. Das bedeutete neue Herausforderungen, denn schon im Sommer mussten die Arrangements in Auftrag gegeben und das Programm einstudiert werden.

So kommt im Renaissance Hotel in Kuala Lumpur ein Programm zur Aufführung, das aus Swing-Klassikern, Pop-Musik (etwa »Purple Rain« von Prince) und Weihnachtssongs zusammengestellt war. Bei über 30 Grad und Sonnenschein Weihnachtslieder zu schmettern, mag für einen Mitteleuropäer merkwürdig anmuten, spätestens beim Anblick der Weihnachtsbeleuchtung auf Kuala Lumpurs Straßen wundert einen die hervorgerufene Begeisterung nicht mehr. Weihnachten wird in Malaysia überraschenderweise sehr kommerziell gefeiert.

Ein voller Erfolg!

Das Publikum und die Verantwortlichen der deutschen Botschaft waren schon nach dem Soundcheck völlig überwältigt von der hohen Qualität der Big Band der Bundeswehr. Zuvor hatte man scheinbar noch nicht so ganz einordnen können, »wen man sich da ins Haus geholt hatte«. Nicht nur, dass dort auf der Bühne ausnahmslos Vollprofis und Vollblutmusiker standen, die das auch zeigten. Die Musiker sind auch und vor allem hervorragende Instrumentalisten und Individualisten ohne Drang zur Selbstdarstellung.

Ob das nun die Trompeter Jörg Brohm, Thomas Inderka, Andreas Sicking oder Peter Blum sind, die Posaunisten Bert Conzen, Adi Becker, Ronald Lehmann und Frédéric Martin, ob das die Saxofonisten André Cimiotti, Christoph Müller, Klaus Dierolf, Christoph Heftrig und Peter Esser sind oder die Rhythmusgruppe mit Martin Hanisch (Gitarre), Rainer Peters (Bass), Nam Phuong Nam Nguyen Cong (Keyboards), Thomas Lieven (Drums) und Martin Eßer (Percussion) – alle Musiker sind in gewisser Weise Alphatiere und Emotionsmenschen zugleich.

Sie sind selbstbewusst und doch zurückhaltend. Sie beherrschen das Kraftvolle genauso wie das Melancholische, das Laute genauso wie das Leise. Und gemeinsam sind die Musiker zuallererst eine verdammt gute Bigband – das wissen sie nicht nur in Emmelshausen, sondern jetzt auch in Kuala Lumpur.