Orchestra | Von Klaus Härtel

Dirigent Andrea Barizza ist der Maler Gustave de la Reine

Barizza
Foto: Alessandro Corio

Nicht dass es ein großes Geheimnis gewesen wäre, doch jetzt ist der Schleier endgültig gelüftet: Der Dirigent Andrea Barizza und der Maler Gustave de la Reine sind ein und dieselbe Person. Im Rahmen des Konzerts der Dresdner Bläserphilharmonie am 11. Juli (unter der Leitung von Barizza) wird es nun eine Vernissage von Gustave de la Reine im Rathaus Dresden geben.

Die Pandemie hat auch den Dirigenten ­Andrea Barizza voll erwischt. Sein letztes Konzert datiert aus dem Februar 2020. Danach: keine Proben, keine Dirigate, keine Auftritte. Die Arbeit mit der Dresdner Bläserphilharmonie, deren künstlerischer Leiter er seit der Saison 2019/2020 ist, lag genauso brach wie die mit zahlreichen Orchestern in ganz Europa. Und Andrea Barizza denkt, dass diese ausgefallenen Konzerte zum Großteil auch nicht wieder aufzuholen sind. Denn viele Häuser haben schon bis ins Jahr 2024 geplant – da wird es eng im Terminkalender. 

Er konnte keine Musik mehr machen und seine musikalische Zukunft lag im Ungewissen. An­drea Barizza machte allerdings aus der Not eine ­Tugend und ließ eine Leidenschaft wieder auf­leben, die er schon beiseite gelegt hatte: die ­Malerei. „Ich war viel zu Hause und hatte viel Zeit“, sagt er. Also schlüpfte Andrea Barizza in die Haut eines Malers. Seine „andere Seite“, Gus­tave de la Reine, wurde sein bester Freund während des Lockdowns. „Zusammen verbindet sie die Liebe zur Musik und tiefgründiges musikalisches Wissen durch die poetische Symbolik der Notenschrift“, erklärt Barizza. 

Emotionale und auch psychologische Interpretation

Barizza beziehungsweise de la Reine malt mit Tinte und Farbe und hört dabei Musik. Diese fließt sozusagen über die Finger aufs Papier. Akustisch erklingen Mahler, Mozart und Bruckner und dienen als Inspiration. Was dann erscheint, ist eine sehr emotionale, stellenweise auch psychologische Interpretation. Barizza merkt aber an, dass er beim Malen nicht kom­poniert. Die Noten, die er aufs Papier zaubert, dienen einem ästhetischen und symbolischen Konzept. Unspielbar sei das sicher nicht, sagt er. „Eine Jazzband könnte sich an den Noten sicherlich mal versuchen!“ Er lacht. Entstanden ist ein sehr individueller Stil.

Gustave de la Reine
„The Bee“ aus dem Zyklus „Ancient Mysterium“
Dresdner Bläserphilharmonie

Nach mehr als einem Jahr im Corona-Lockdown, wo er seinen Stil stetig weiterentwickelte, kommt nun die erste Ausstellung. Andrea Ba­rizza und Gustave de la Reine treten gleichzeitig auf, denn die Ausstellung wird anlässlich seines ersten Konzerts nach dem Lockdown am 11. Juli stattfinden. Weitere Konzerte sollen auf der Freilichtbühne des Schlossparks Lauchhammer (17. Juli) und auf dem Kirchplatz der Stadtkirche St. Barbara in Ortrand (18. Juli) stattfinden. Unter dem schlichten, aber treffenden Titel „Endlich wieder Musik“ erklingen Werke von Jacob de Haan, Johan de Meij, Jan Van der Roost, Pavel Staněk, Antonín Dvořák, Edward Elgar und George Gershwin.

Fundraising-Kam­pagne auf kickstarter

Damit diese Ausstellung auch zu realisieren war, startete Andrea Barizza eine Fundraising-Kam­pagne auf kickstarter.com. Barizza schätzte, dass er etwa 3500 Euro benötigen würde, um die neueste Serie „Ancient Mysterium“ – Acryl-Malereien auf Premium-Papier – zu realisieren. Dabei sollen Zuschauer am Konzertort Musik live erleben und sind gleichzeitig eingeladen, sich die Ausstellung anzuschauen. „Art will never stop“ war der Titel der Kampagne, die vom 2. Mai bis 6. Juni lief. Von der Resonanz war Barizza schlichtweg überwältigt. Über 12 500 Euro trugen die Unterstützer zusammen, die sich mit ihrer Spende Lesezeichen, Bleistifte, Magnete, Taschen, T-Shirts, Konzerttickets und auch Originale sichern konnten. „Das Ziel wurde zu 360 Prozent erreicht“, jubelt Andrea Barizza. Das Geld soll zum Teil nun in die Vermarktung fließen. 

Andrea Barizza freut sich darauf, endlich wieder dirigieren zu können. Denn bei allem Enthusiasmus für die Malerei ist sie doch kein wirklicher Ersatz für die Musik, gesteht er. „Ich konnte aber die Noten aufs Papier stellen, die ich nicht dirigieren durfte“, erklärt er. Auch mit der Malerei könne er „groß­artige Emotionen“ ausdrücken. „Und doch ist es anders als in der Musik.“ Barizza ist sich sicher, dass Gustave de la Reine auch weiterhin ein Teil von ihm bleiben wird. „Wenn ich ­früher in den Bremer Bürgerpark gegangen bin, habe ich das hauptsächlich akustisch auf mich wirken lassen. Ich habe den Geräuschen gelauscht, die um mich herum waren. Heute – als Gustave – nehme ich viel mehr auch die Farben, die Kontraste wahr.“

Andrea Barizza ist seit 2019 musikalischer Leiter der Dresdner Bläserphilharmonie. Diese Ernennung erfolgte nach vier Jahren enger Zusammenarbeit als Assistent des damaligen Chefdirigenten der Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling, bei der er sämtliche Vorbereitungen der sinfonischen Konzerte sowie auch die CD-Produktionen aller Beethoven- und Schostakowitsch-Sinfonien begleitete. Kommende Höhepunkte umfassen Konzerte mit dem Kammerorchester Berlin, dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt und dem Jugend-Sinfonieorchester Por­tugal. Im Jahre 2019 debütierte er beim ­Orquestra Sinfónica do Porto Casa da ­Música. Andrea Barizza absolvierte sein Dirigierstudium an der Hochschule für ­Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden.

www.gustavedelareine.com

www.andreabarizza.com

www.dresdner-blaeserphilharmonie.de