Karin Bonelli wurde 2012 mit gerade einmal Anfang 20 als erste Frau in die Bläsersektion der Wiener Philharmoniker aufgenommen. Wie wird man so jung schon so erfolgreich? Wir sprachen mit der Flötistin über ihre musikalische Laufbahn, warum ihr das Thema Probespiel-Vorbereitung so wichtig ist und ihr neuestes Projekt, die Penthesilea Academy.
Eigentlich ist Karin Bonelli auf den großen Bühnen der Welt unterwegs – kammermusikalisch, als Solistin oder mit ihrem Orchester, den Wiener Philharmonikern. Normalerweise stehen ihre Konzerttermine zwei Jahre im Voraus fest. Zurzeit könne sie aber nicht einmal sagen, was in sechs Wochen ist. „Momentan gibt es keinen Alltag.“ Geprobt werde im Orchester zwar in normaler Besetzung sowie ohne zusätzlichen Abstand und Maske, aber eben deutlich seltener als sonst. „Wir werden fast täglich getestet“, ergänzt Bonelli.
Für die Wiener Philharmoniker stehen im Mai nun einige Projekte an, auch eine kleine Konzertreise nach Italien. (Anmerkung der Redaktion: Das Interview fand am 3. Mai statt.) In Italien gelten allerdings ganz andere Bestimmungen als in Österreich. Die Streicherinnen und Streicher müssen dann mit Maske spielen, die Bläserinnen und Bläser mit eineinhalb Meter Abstand. „Ich selbst bin bei diesem Konzert leider nicht dabei, aber schon ganz gespannt, was die Kollegen erzählen. So zu spielen ist für uns ja ganz ungewohnt.“
Schon früh sehr erfolgreich
Aber auch in Karin Bonellis Kalender steht im Mai ein Konzerttermin im Ausland, in Bulgarien mit Sofia Philharmonic: „So wie ich das mitbekommen habe, ist in Bulgarien alles ziemlich offen. Sämtliche Geschäfte und auch die Theater haben geöffnet – obwohl die Corona-Fallzahlen relativ hoch sind.“ Auch wenn das ein gewisses Risiko mit sich bringt – ängstlich ist sie deshalb nicht: „Ich denke, man muss diesen Virus ernst nehmen und vulnerable Gruppen schützen, aber ich persönlich bin niemand, der sich deshalb jetzt vor lauter Angst zu Hause einsperrt.“
Wie wird man denn so jung schon so erfolgreich? Bonelli schmunzelt: „Das kann man nicht planen, das passiert einfach.“ An Glück glaubt sie allerdings nicht: „Wichtig ist eine gute Vorbereitung und dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Als Jungstudentin begann sie ihre Laufbahn mit 14 Jahren am Konservatorium in Linz, mit 15 ging es dann in Wien weiter und mit 17 folgte ein Jahr in München bei Philippe Boucly vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Nach der Matura studierte sie dann in Wien bei Wolfgang Schulz und Karl-Heinz Schütz, mit einem Jahr Unterbrechung in Frankreich.
Die Wiener Philharmoniker
Schon mit 19 absolvierte sie ihr erstes Probespiel für ein Berufsorchester und landete direkt auf dem zweiten Platz. „Ich war dann sehr oft Zweite“, ergänzt sie lachend, bis es schließlich bei den Wiener Philharmonikern geklappt hat – übrigens sogar noch vor ihrem Bachelor-Abschluss. „Das war ein richtiger Kindheitstraum, der da in Erfüllung ging. Schon als Kind saß ich am 1. Jänner vor dem Fernseher und habe zu meiner Mama gesagt: Da spiel ich auch mal mit!“
Als erste Frau bereicherte sie ab 2012 die Bläsersektion der Wiener Philharmoniker. Probleme gab es deshalb nie. Einerseits hätten sich ihre Kollegen schon darauf einstellen können: „Es gibt einfach sehr viel mehr Flötistinnen als Flötisten, dementsprechend war es sehr wahrscheinlich, dass auch eine Frau die Stelle bekommt.“ Andererseits habe sie mit ihren Kollegen auch sehr viel Glück gehabt: „Da gab es überhaupt keine Vorbehalte mir gegenüber, ich wurde wirklich mit offenen Armen empfangen.“
Probespiel-Vorbereitung – ein Herzensthema
Seit zwei Jahren ist Karin Bonelli auch an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien für das Fach Orchesterliteratur zuständig. „Ich bereite die Studierenden auf das Repertoire vor, das sie für das Probespiel brauchen.“ Letztes Jahr habe sie dann mit ihren Studierenden einen Kurs zum Nachholen von Unterrichtsmaterial aus dem letzten Studienjahr gemacht. Stattgefunden hat dieser in Traunkirchen (Oberösterreich), wo auch ihre Familie herkommt. „Da gibt es die Internationale Akademie für Wissenschaft in einem 1000 Jahre alten Kloster, in dem auch Hugo Wolf schon komponiert hat“, schwärmt die Flötistin.
Dort sei die Idee entstanden, den Kurs regelmäßig anzubieten, eben nicht als „normalen“ Flöten-Kurs, sondern als gezielte Vorbereitung auf Probespiele mit Unterstützung von Mental- und Körper-Therapeuten sowie einem Übungs-Probespiel. „So eine Art Boot-Camp für Studierende, die gerade dabei sind, ins Orchesterleben einzusteigen“, fasst sie die Gedanken zusammen, die ihr diesbezüglich schon länger im Kopf umherschwirrten. Die Geburtsstunde der Penthesilea Academy. Im Studium selbst sei für diese Themen immer viel zu wenig Zeit. „Man beschäftigt sich ja nicht nur mit dem Repertoire, das man fürs Probespiel braucht. Da gibt es einfach eine riesige Liste an Standard-Repertoire zu erarbeiten. Vor dem Probespiel ist dann immer Stress und das funktioniert einfach nicht gut.“
Zwar werde das Thema auch an den Universitäten mittlerweile mehr berücksichtigt, „dieses umfangreiche Konzept, das wir an der Penthesilea Academy anbieten, gibt es aber sonst bisher nirgends.“ Bonelli zieht hier gerne einen Vergleich zum Spitzensport: „Ein Spitzensportler hat meistens ein Team mit 15 Personen um sich, Mental-Coaches, Körper- und Physiotherapeuten, Masseure, Diätologen und so weiter.“ Ein Probespiel sei durchaus mit einem Wettkampf im Spitzensport vergleichbar. „Bei manchen Orchestern bewerben sich bis zu 150 Flötistinnen und Flötisten auf eine Stelle. Zum Probespiel werden vielleicht 80 eingeladen und dann hat man vier Minuten Zeit, sich zu präsentieren. Da muss man auf den Punkt funktionieren.“ Mit dieser Situation haben Bonelli zufolge auch große Musikerinnen und Musiker zu kämpfen. „Es gibt große Solisten, die nie ein Probespiel geschafft haben.“
Die Penthesilea Academy
Um diese Herausforderung meistern zu können, brauche es eine ganz besondere Vorbereitung. Und diese will Bonelli mit ihrem Team in der Penthesilea Academy bieten. Sie selbst wird dabei für die künstlerische Vorbereitung zuständig sein. Zum Team gehört außerdem die Psychologin Dr. Vera Popper, die auch eine Ausbildung als Mentaltrainerin hat. Oluwafemi Oladeji kümmert sich um die Arbeit mit dem Körper, er ist Therapeut und Experte auf den Gebieten Pilates, Kung-Fu sowie Shiatsu und hat schon mit vielen Musizierenden zusammengearbeitet. Ziel seiner Arbeit ist es, den Körper wieder in Balance zu bringen, beispielsweise auch über Atem- und Entspannungsübungen. Darüber hinaus wird das Team vom Pianisten Nikolaus Wagner verstärkt. Eine Ärztin wird außerdem einen Vortrag zum Thema Performance Nutrition beisteuern, bei dem es um die Frage geht, wie man sich richtig ernährt, um gut zu funktionieren.
Gemeinsam mit der Internationalen Akademie Traunkirchen ist außerdem ein wissenschaftlicher Vortrag geplant. Dabei soll ein Experte auf dem Gebiet Mentaltraining und Psychologie ein Podiumsgespräch mit Gudrun Hinze, Solo-Piccoloflötistin des Gewandhausorchesters Leipzig, führen. Außerdem finden in der Woche vom
28. August bis 5. September drei Kammermusikkonzerte statt sowie ein Abschlusskonzert, das Übungs-Probespiel mit einer professionellen Jury, unter anderem mit Gudrun Hinze und Bonellis Kollege Matthias Schorn, Solo-Klarinettist bei den Wiener Philharmonikern.
„Sperrt euch nicht acht Stunden am Tag ins Übezimmer!“
14 aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich für die Akademie anmelden, darüber hinaus ist auch eine passive Teilnahme möglich. Auch für die Zukunft gibt es bereits verschiedene Visionen zum Ausbau des Programms – beispielsweise auch für andere Instrumente. „Jetzt müssen wir aber erst einmal schauen, dass wir die Akademie in diesem Jahr tatsächlich hinbekommen. Es ist durchaus nicht ganz einfach, so ein Projekt unter den aktuellen Voraussetzungen zu planen. Vor diesem Hintergrund wird die Organisation in Zukunft sicher ein Leichtes sein.“
Jungen Flötistinnen und Flötisten, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen, gibt Karin Bonelli folgenden Rat mit auf den Weg: „Sperrt euch nicht acht Stunden am Tag ins Übezimmer – das bringt nichts! Noch immer ist in den Köpfen vieler Musizierender verankert, dass je länger wir üben und je härter wir uns vorantreiben, desto mehr aus uns herauskommt.“ Dabei sei die Forschung in Bezug auf Lernprozesse schon so viel weiter. „Ich kann nur dazu aufrufen: Findet euren eigenen Weg! Macht euch schlau, wie Lernprozesse funktionieren, und schaut, was für euch am besten funktioniert. Wer Musik macht, besteht nicht nur aus einer perfekten Fingertechnik. Wir müssen etwas erleben, damit wir auf der Bühne dann auch etwas zu sagen haben!“

Tickets gewinnen
Am 30. Juni spielt Karin Bonelli mit Annaleen Lenaerts (Harfe) ein Konzert im Kleinen Saal der Elbphilharmonie Hamburg. Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Bach, Fauré Smetana und Rota.
In Kooperation mit dem Künstler- und Konzertmanagement Preisinger verlost die BRAWOO zwei Tickets für dieses Konzert! Schreiben Sie eine E-Mail mit dem Betreff „BRAWOO Ticket-Verlosung Bonelli“ an gpkonzerte@t-online.de
Weitere Informationen zum Konzert finden Sie unter https://dvo.tips/elphi-bonelli