Im Jahr 2021 würde der Trompeter Louis Armstrong seinen 120. Geburtstag feiern. Vor 50 Jahren verstarb »Satchmo«. Auch aus diesem Grund widmet sich der Trompeter Martin Auer dessen Musik. Die South West Oldtime All Stars spielen Louis Armstrong.
„Wir verneigen uns vor Miles Davis“, erklärte der Trompeter Martin Auer anlässlich seines Albums „Our Kind of…“ Jene Veröffentlichung im Jahre 2015 war eine Hommage, eine intelligente Bearbeitung von „Kind of Blue“, einem Meilenstein der Musikgeschichte. Jetzt, fünf Jahre später, nimmt sich Martin Auer Louis Armstrong vor. Drunter macht er es nicht. Ist das mutig, waghalsig?
Martin Auer lacht. „Konsequent würde ich sagen.“ Miles Davis sei eine wichtige Säule für den modernen Jazz und wenn man sich dann überlege, wer ihn maßgeblich beeinflusst hat, komme man an Louis Armstrong nicht vorbei. Allerdings sei das nicht der alleinige Grund gewesen, sich mit Armstrong zu beschäftigen.
Die South West Oldtime All Stars gibt es seit fast 20 Jahren, erklärt Martin Auer, heute Dozent für Jazztrompete an der Musikhochschule Leipzig. Die Band ist sozusagen ein Relikt aus alten Mannheimer Studientagen. Gemeinsam mit dem Klarinettisten Gary Fuhrmann und dem Posaunisten Felix Fromm hatte man schon damals ein Faible für Oldtime Jazz. Mit dabei sind nun für die Alben – die jüngst erschienene ist Volume 2 – zudem Thilo Wagner (Piano), Thomas Stabenow (Bass), Matthew Bookert (Sousafon) sowie Jörg Teichert (Banjo).
Schlagzeuger Trevor Richards aus New Orleans schließlich verleiht der Band einen unmittelbaren Bezug zur Quelle der Musik. Richards nämlich ist Meisterschüler des Schlagzeugers Zutty Singleton, der wiederum Mitglied der Originalbesetzung von Louis Armstrongs »Hot Seven« war. Singleton vererbte Trevor Richards sogar das Schlagzeug – auf den Aufnahmen zu hören.
Diese erste Begegnung mit Trevor Richards war dann sozusagen der Wink mit dem Zaunpfahl, Louis Armstrongs Musik als Bandprojekt zu lancieren. Martin Auer erzählt, dass er sich seit etwa 20 Jahren mit der Musik Armstrongs beschäftige. „Damals habe ich die ersten Sachen transkribiert – allein der ‚West End Blues‘ ist ein extrem wichtiges Stück für Trompeter“.
Neben dem West End Blues, der von Jazzkritikern zur Jazzplatte des (vorigen) Jahrhunderts gewählt wurde, entstanden in den 1920er-Jahren zahlreiche Aufnahmen, die Louis Armstrong hauptsächlich mit Quintett- und Septett-Formationen machten, die sich Louis Armstrong and His Hot Five bzw. Hot Seven nannten. Viele dieser Aufnahmen gelten heute als Meilensteine der Jazzgeschichte. „Wild Man Blues“, „Fireworks“ und „Heebie Jeebies“ etwa. Diese Stücke finden sich nun auch auf dem Album der South West Oldtime All Stars.
Weil die Musik so gut ist…
Bevor aufgenommen wurde, beschreibt der Trompeter Martin Auer, habe man viel diskutiert. Über die Musik, die Herangehensweise, über jedes kleinste Detail. „Man stößt bei den alten Aufnahmen auf manche Ungereimtheiten“, erklärt er. Man transkribiert, man arrangiert, man ändert – und bleibt dabei prinzipiell immer sehr originalgetreu. Die Band habe die Musik von Louis Armstrong nicht einfach nur nachspielen wollen. Natürlich habe man neu interpretiert. „Aber wir sind sehr behutsam mit dem Material umgegangen.“ Puristen brauchen sich da keine Sorgen zu machen: stilistisch bleibt die Band in Louis Armstrongs Sprache – vielleicht etwas moderner an manchen Stellen und solistisch auch etwas länger als damals. „Das ist dann unser Beitrag“, lacht Auer. Doch auch so manches Solo von damals wurde schlicht übernommen. Aus dem einfachen Grund: „Weil die einfach so gut sind…“
Weil die Musik so gut ist. Deshalb drängt sich die Frage auf: Wie gefährlich ist es, sich an Louis Armstrong heranzuwagen? Darf man das? „Das darf man schon!“, ruft der Trompeter aus. „Da sind wir ja auch nicht die ersten…“ Und er gibt zu, dass Armstrongs Musik kein leichtes Unterfangen ist. „Die Schwierige ist, dass diese Stücke so extrem anspruchsvoll sind. Gerade für die Trompete ist das sicherlich vergleichbar mit schwierigen klassischen Werken. Die technischen Herausforderungen sind sehr hoch.“ Gerade bei den Stücken der 1920er Jahre.
1927 wechselte Armstrong dem allgemeinen Trend folgend vom weicher klingenden Kornett zur härteren Trompete. Die Schwierigkeit im Trompetenspiel ist auch dadurch gegeben, „dass Louis Armstrong eben ein sehr kraftvoller Spieler war, ein sehr lauter Spieler“, findet Martin Auer. „Diese komplette Range abzudecken bis zum geschriebenen F3 – und das ständig – erfordert immense Kraft und Ausdauer.“ Der Trompeter fasst lapidar und lachend zusammen: „Das ist anstrengend!“
Armstrong ist zeitgemäß
Louis Armstrong, findet Auer, hat auch 120 Jahre nach seiner Geburt nichts von seiner Faszination verloren. „Satchmo“ hat viele Musiker geprägt und tut das heute noch. Auch Martin Auer ist mit Louis Armstrongs Musik aufgewachsen. Zu Hause lag regelmäßig Armstrong auf dem Plattenteller. Das seien zwar dann vor allem die späten Sachen gewesen, wie „Wonderful World“ oder „Hello Dolly“, aber der Anfang war gemacht. Das frühere Material kam dann mit dem Studium. Und er fügt lachend hinzu: „Ich teile sogar den Namen mit Armstrong, denn mein zweiter Vorname ist Ludwig.“
Martin Auer hofft nun, mit dem Projekt der South West Oldtime All Stars im Jahr 2021 auch live Armstrong zu seinem 120. Geburtstag gratulieren zu können. Wann Corona das zulässt, ist noch unklar. Corona hat leider auch dem zweiten Armstrong-Projekt vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit seinem Quintett plant Auer, den „den modernen Gegenpart“ zum Oldtime Jazz anzubieten. Doch er freut sich jetzt schon darauf: „Dann ist für jeden was dabei!“

Martin Auer, geboren in Prien/ Chiemsee studierte Trompete (bei Stephan Zimmermann bzw. Gerard Presencer) und Komposition/ Arrangement (bei Jürgen Friedrich) in Mannheim und Berlin. Er lebt in Berlin Kreuzberg. Seit Herbst 2008 hat Martin Auer einen Lehrauftrag für Jazztrompete an der Musikhochschule in Leipzig und war Dozent bei zahlreichen Ensembles. Die Liste der Showgrößen, mit denen er gemeinsam auf der Bühne stand, ist lang.