Beim Anruf im Zentrum Militärmusik der Bundeswehr in Bonn wird man prompt zu Oberstleutnant Dr. Manfred Heidler durchgestellt. Denn der sei zweifellos DER Experte für »Musik in Bewegung«. Wir haben da mal ein paar Fragen. Heidler antwortet.
Stellt die Marschmusik eigentlich eine Kunstform dar? Ist sie nicht eher Gebrauchsmusik?
Musik diente bereits im Heerwesen der Antike zum Herstellen von Ordnung bei militärischen Verbänden, das heißt, primär wurde ihr Potenzial funktional genutzt. Musik wurde als essenzielles Unterstützungselement für militärische Formationen »gebraucht«, indem sie Ordnung mit den Parametern Geschwindigkeit (Marschtempo) und Gleichmäßigkeit geschlossener Formationen sicherstellte.
Gesang, Pfeifer und Trommler unterstützen mit Melodie und Rhythmus seit den Landsknechten bei den Fußtruppen sowohl die Bewegung des Einzelnen als auch der gesamten Formation, da schwere körperliche Anstrengung bekanntermaßen durch musikalische Untermalung in Gemeinschaft »leichter zu ertragen« ist. Märsche sind »bewegte Musik« im Sinne ihrer Funktion, können aber zur musikalischen Kunst werden, wie sich an vielen Beispielen jenseits militärischer Kontexte zeigen ließe.
Ist das Musizieren und Marschieren in Uniform tatsächlich noch negativ behaftet?
Uniform, Marsch und Marschierende sind gängige Metaphern von Totalitarismus und daher im kollektiven Gedächtnis negativ besetzt. Die nachhaltigen Schädigungen der NS-Zeit mit der Omnipräsenz eines »braunen Kults« (Gamm), ständigen Paraden und einem »marschierenden Volkskörper«, haben ein verständliches Negativbild entstehen lassen, das in unserer zwischenzeitlich »entmilitarisierten Gesellschaft« heute nochmals seine aktuelle Aufladung in der Ablehnung von Uniformen und Märschen erfährt.
Ich habe die gesamte Problematik in einem umfänglichen Artikel unter dem Titel »Kontrapunkt: Militärische Symbolik in einer ›entmilitarisierten‹ Gesellschaft. Anmerkungen zum Umgang mit militärmusikalischen Traditionen außerhalb der Bundeswehr« umfänglich thematisiert.