»Was kommt dort von der Höh?« sangen die Revolutionäre im März des Jahres 1848 in den Wiener Vorstädten und beim Sturm auf das Ständehaus. Ist es 164 Jahre später wieder so weit? Blutig wirds hoffentlich nicht werden – doch jetzt kommt »Vienna Revolution«.
Es ist doch immer wieder erstaunlich. Erstaunlich, dass es auf einer Musikmesse wie der in Frankfurt immer wieder Neuheiten, ja Neuerfindungen zu geben scheint. Wobei das natürlich auch den Reiz eines solchen Branchentreffpunkts ausmacht. Sicherlich wird man das Rad nicht neu erfinden können, aber es gibt immer wieder Denker, Bastler und Tüftler, die das Rad scheinbar ein bisschen runder machen. Mit dem Flügelhorn »BFL-Vienna Revolution« und der Konzerttrompete »KTR-Vienna Revolution« bringt die niederösterreichische Firma Haagston zwei ergonomische Instrumente auf den Markt.
Entwickelt wurden die Instrumente von Steffen Josch von Sárközy, Musikphysiologe aus dem Spessart, und deshab von Berufs wegen immer um ergonomische Aspekte bemüht. Als Partner konnte er die Firma Haagston in Niederösterreich gewinnen. Seit Februar diesen Jahres gibt es die »Kompetenzgemeinschaft Haagston brassego & kontrabrass!«
Zwei Jahre dauerte die Entwicklung des ergonomisch veränderten Flügelhorns, denn jede noch so kleine Veränderung ergibt oftmals eine weitere kleine Veränderung an einer anderen Stelle. Ein Dominoeffekt. Die Idee kam dem 44-jährigen Musiker (klassisch ausgebildeter Konzertmusiker Flügelhorn und Trompete) und Musikphysiologen von Sárközy bei der Arbeit mit Kollegen. »Ich hatte sehr viele Kontakte zu Profimusikern, die ebenfalls immer wieder über ähnliche Schwierigkeiten beim Spielen von Flügelhörnern und Konzerttrompeten berichteten«, erzählt von Sárközy. Denn bisher gab »es kein Instrument, das sich dem Musiker anpasst oder wenigstens eine relative Ergonomie aufweist«.
Eine große Herausforderung war es wohl, den Mittelweg zu finden zwischen merklicher Ergonomie und Akzeptanz beim Musiker. Denn Musiker sind oft Traditionalisten. Steffen Josch von Sárközy stimmt zu: »Grundsätzliche Schwierigkeit war es, ein Instrument zu entwickeln, was in der Bauweise sich nicht allzusehr verändert und doch die wesentlichen Merkmale von ergonomischer Veränderung zulassen. In diesem Sinne habe ich mich in der Entwicklungszeit damit sozusagen auf dem Papier beschäftigt und etliche Möglichkeiten durchexerziert und versucht, immer wieder neue Ansätze der Ergonomie zu finden. Viele meiner Ideen waren schlichtweg aus traditionellen Gründen nicht umsetzbar und hätten sicher nie einen Markt gefunden. Wobei die Ergonomie sicher hier den größten Nutzen gehabt hätte.«
Der Musikphysiologe einigte sich dann sozusagen mit sich selbst auf drei wesentliche anzupassende Dinge: Drehmaschine, Haltvorrichtung und Trigger. Zunächst fand die Entwicklung auf dem Papier statt. Der nächste Schritt war dann das Finden eines Instrumentenerzeugers, der diese Idee nicht nur mitträgt, sondern auch punktgenau umsetzt. »In der Firma Haagston und deren Inhaber Alois Mayer fand ich nicht nur offene Ohren, sondern auch eine perfekte Meisterwerkstatt mit ihrem Meister Martin Felbauer. Mit ihm zusammen habe ich dann die letzten Unwägbarkeiten aufgelöst und das erste ergonomisch erzeugte Flügelhorn ›Vienna Revolution‹ konnte gebaut werden.«
Schwierigkeiten und Umsetzung
Die größte Herausforderung war die Umsetzung der Drehmaschine, die ergonomisch im Instrument sitzen sollte. Die Handhaltung der Spielhand, also der rechten Hand, sollte erleichtert werden. Eine komplette Verdrehung war rein baulich nicht nur schwer, sondern erwies sich als kaum umsetzbar. »Denn hier hätten die Eingangsstutzen zu den Ventilen sich mit den Ausgangsstutzen sehr eng gestaltet«, erklärt von Sárközy. »Dadurch wäre es auch zu Schwierigkeiten des Luftstroms gekommen, der sich durchaus negativ auf den Ton entwickelt hätte.« Als Lösung wurde dann die Veränderung des Außengestänges der Drehmaschine in Erwägung gezogen, denn ein Winkel von etwa 15 Grad sollte eine komplette Entlastung der rechten Hand bieten. Und nicht nur das: »Mit dieser Veränderung wird nicht nur die rechte Spielhand entlastet, sondern der gesamte rechte Bereich Ellbogen, Schulter und Flanke – was sich wiederum günstig auf die Atmung auswirkt.« Der Entwickler ist überzeugt: »Dieses Konzept ist einmalig bei Blechblasinstrumenten und allein schon deshalb eine große Bereicherung.«
Auf den ersten Blick sieht es nun so aus, als säße die Maschine schräg im Instrument – doch das täuscht. Vielmehr wurde nun beim ersten Drehventil ein sehr kurzes Gestänge verwendet, beim zweiten Ventil eine relativ bekannte Länge und beim dritten Ventil ein langes Gestänge. Die Schwierigkeit lag nun darin, dass diese so konzipiert werden mussten, dass die Wege in den Ventilen trotzdem gleich blieben. »Hier erwies sich die jahrelange Erfahrung von Meister Martin Felbauer als ein absoluter Glücksgriff«, schwärmt von Sárközy. Und er ist sich sicher, dass »die Lösung nun eine absolute Neuerung ist, alle Vorzüge der Ergonomie hat und alle Traditionalisten zufriedenstellen kann«.
In einem weiteren Schritt der »Ergonomisierung« des Flügelhorns beschäftigten sich die Entwickler mit der Haltevorrichtung für die tragende linke Hand. Ziel war, dass ergonomische Haltung möglich sein sollte. Jeder Musiker soll sich sein Instrument nach seinen persönlichen Bedürfnissen, wie etwa Handgröße oder besondere Gegebenheiten, einstellen können. Idee war zudem, dass das Instrument bei Kindern »mitwachsen« soll. »Die starren Haltebögen mussten also komplett dran glauben«, erläutert von Sárközy nahezu radikal. Hier lag seiner Meinung nach die größte Diskrepanz zur Ergonomie. Man entwickelte hier einen veränderbaren und in alle Lagen bringenden Fingerhaken, der sich individuell anpassen soll und muss. Realisiert wurde das durch ein Kugelgelenk sowie die Möglichkeit, die Länge perfekt anzupassen. Der Fingerhaken, der früher starr für den kleinen bzw. Ringfinger der linken Hand bestimmt war, ist nun völlig flexibel und selbst für Kinderhände und kleine Frauen optimal anpassbar.
Auf einen zweiten Fingerhaken für den Daumen wurde ganz verzichtet, da hierfür ein optimierter Triggerbogen entwickelt wurde. Auch hier war es der Wunsch des Entwicklers, dass alle Musiker – also auch jene mit kleinen Händen – den Trigger am dritten Ventil benutzen können. In der Meisterwerkstatt von Haagston brassego wurde deshalb ein Triggerzug verwirklicht, der durch die Befestigung an den oberen Teilen der Ventile einen guten Halt erfährt. Ein S-Bogen-Gestänge auf dem dritten Stimmbogen lässt eine leichte Handhabung für jeden zu, da der Trigger durch einen Halbbogen vom linken Daumen zwischen Drehventilmaschine und Schallstück benutzt wird. Es reicht ein minimaler Kraftaufwand, um den Trigger zu bewegen.
Durch die Veränderung an der Haltevorrichtung musste ein größerer Abstand zwischen Schallstück und Drehventilmaschine erzeugt werden und der Ausgangsbogen aus dem dritten Ventil musste steiler werden. Mit dem Ziel der Klangoptimierung wurden die kleinen Stimmbögen aus den jeweiligen Ventilen angepasst. Dadurch entstand eine bessere Ansprache und ein sehr guter Klang, den man von bisherigen Haagston-brassego-Instrumenten schon kannte.
Die Revolution gestaltet sich also gewaltfrei. Und was noch viel besser ist: vielleicht sogar schmerzfrei.
- Revolutionär 1: die ergonomisch angepasste Maschine
- Revolutionär 2: der nach allen Seiten verstellbare Fingerhaken