»Tue Gutes und rede darüber« lautet ein geflügeltes Wort. Gemeint sind hier PR, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit – vielleicht auch im Bereich der Musik. Andererseits wusste schon Frank Zappa: »Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.« Was denn nun? Wir haben uns mit Markus Theinert unterhalten.
Sie kennen die Medien in den USA und auch in Deutschland. Kann man die Medien – was die Darstellung von Blasmusik angeht – miteinander vergleichen?
Die Unterschiede sind gar nicht so groß, wie man vermuten könnte. Natürlich ist die Medienlandschaft international bunter geworden in jeder Beziehung – nicht nur im digitalen Bereich, sondern auch auf dem Gebiet der Printmedien.
Zum Glück gibt es ja noch einige Magazine, die sich auch im digitalen Zeitalter gehalten haben. Dazu zählt natürlich auch die Clarino, obwohl die Menschen doch im Alltag immer seltener dazu kommen, einen Artikel in Ruhe durchzulesen anstatt schnell im Internet zu stöbern. Nimmt man sich aber die Zeit, so bekommt man doch detailliertere Informationen und weniger oberflächliche Zitate.
Allerdings geht es in den Medien nicht um Musik, sondern um Einrichtungen und Veranstaltungen, es geht um Orchester, Konzertprogramme, Probenphasen und Projekte. Wir können medial nur kommunizieren, was wir tun oder wann wir es tun, aber die Musik selbst ist dem Augenblick vorbehalten, in der der lebendige Klang auf das Bewusstsein trifft.
Da muss ich gleich zu Beginn des Gesprächs einen großen Abstrich machen, weil viele glauben, die Medien eigneten sich dazu, Musik selbst zu übertragen oder zu vermitteln. Aber darum geht es nicht, sondern um die Kommunikation, um Werbung für die Konzerte und Informationen über die Szene.
Aber zu Ihrer Frage: Die USA haben einen großen Nachteil gegenüber Europa: Die Blasmusik bleibt hier im Wesentlichen auf die allgemeinbildenden Schulen und Universitäten beschränkt. Diese Aktivitäten werden auf regional beschränkten Medien dargestellt, wie etwa der Webseite der Schule oder einem Newsletter. Das Land ist einfach zu groß, als dass sich ein nationales Magazin noch mit regionalen Veranstaltungen und Orchestern beschäftigen könnte.
Ist also die Auseinandersetzung der Medien mit der Amateurszene ähnlich sparsam wie in Deutschland? Das wird bisweilen ja scharf kritisiert.
Viel weniger noch. Es besteht überhaupt nur die Chance, in privaten und lokalen Radiostationen oder Fernsehprogrammen zu berichten. Wie Sie wissen, habe ich persönlich eine kritische Einstellung zu Konzertmitschnitten und Studioproduktionen.
Aber natürlich können wir Dokumentationen zeigen und über Konzerte berichten. Aber das passiert in den USA in noch kleinerem Maßstab als etwa beim Bayerischen Rundfunk, der das in seinen Blasmusiksendungen ganz gut hinbekommt.
Ist vor diesem Hintergrund die Digitalisierung einerseits von Vorteil, weil man sich das herausziehen kann, was man möchte, andererseits aber auch ein Nachteil, weil ich viel genauer filtern muss?
Das ist eine Krankheit unserer modernen Zivilisation und zeigt in erschütternder Weise, wie wir immer weniger in der Lage zu sein scheinen, Ganzheit nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu empfinden. Mit diesem Aufspalten von Informationen – indem wir nur das Detail herauspicken, was wir gerade benötigen – scheint auch das Bedürfnis kleiner geworden zu sein, sich mit einer ganzheitlichen Struktur oder Thematik auseinanderzusetzen.
Da hat uns die Digitalisierung keinen Fortschritt gebracht, eher einen Verlust an Kommunikationskultur. Ich glaube, dass vollständige Artikel in einer Fachzeitschrift immer seltener gelesen werden. Wer weiß, wie viele Leser es bis zu diesem Absatz unseres Gesprächs geschafft haben.
Wir suchen uns die Stückchen heraus, die uns gerade gelegen kommen, und sind beim nächsten Detail schon wieder bei einem anderen Autor oder auf einer anderen Webseite gelandet. Diese Zerstückelung, die ja das Wesen der Digitalisierung ist, basiert auf der Annahme, dass wir nur das aufnehmen können, was wir gerade zu benötigen scheinen.
Die sozialen Medien und insbesondere die »Kultur«, die sich heutzutage auf Twitter abspielt, sind sozusagen der Gipfel der Dekadenz und des Zerfalls einer ganzheitlichen Kommunikation.