Brass, Orchestra, Praxis, Wood | Von Sandra Engelhardt

Üben organisieren (1): »Ich hatte diese Woche leider wenig Zeit…«

Als Lehrender kennen Sie den Satz aus der Überschrift bestimmt von Ihren Schülern. Oder vielleicht schießt er Ihnen selbst auch gern mal durch den Kopf, wenn Sie sich auf den Weg zur Probe machen – als Entschuldigung oder auch Rechtfertigung vor sich selbst. Doch eigentlich wissen wir genau, dass Zeit dagewesen wäre…

Nein, Sie müssen keine Sorge haben, dass dies ein Artikel über Zeitmanagement wird. Sicher ist das auch ein wichtiges ­Thema, besonders, wenn das Spielen auf dem Instrument nicht die Haupt-Berufs­beschäftigung darstellt. Die Gedanken hier setzen an einem früheren Punkt an, der zuerst geklärt sein muss, bevor ich mir über Zeitmanagement und Übe-Inhalte Gedanken mache.

Wenn das Semester so richtig angelaufen ist, warte ich nach ein paar Wochen eigentlich schon darauf, dass der Erste zur Tür herein­kommt und den eingangs zitierten Satz zur Begrüßung wählt. Manchmal schuldbewusst und kleinlaut, manchmal eher mit einem Tonfall, der eine gewisse »Wut auf das System« gleich mit zum Ausdruck bringt. 

Ohne Zweifel haben die Studierenden der pädagogisch orientierten Studiengänge einen wirklich vollen Stundenplan. Und Freizeit sei ihnen ja auch gegönnt! Aber was soll ich als Lehrende denn mit so einer Stundeneröffnung anfangen? Meine Ansprüche runterschrauben? Verständnis für die schwere Lage aufbringen? Was wird von mir erwartet, wenn vor dem ersten gespielten Ton gesagt wird, dass keine Zeit zum Üben war?

Eine Entschuldigung?

Selbstverständlich weiß ich, was nach diesem Satz passieren soll: Er ist eine Entschuldigung, stellt die Studierenden als »Opfer« ihres übervollen Stundenplanes und der vielfältigen Ansprüche dar, die alle Fächer an sie stellen. »Es lag nicht an mir…« schwingt bei diesem Satz mit. Vielleicht erwarten sie von mir auch so eine Art Absolution – dass ich sie von der »menta­len Last« befreie, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil sie unvorbereitet in den Unterricht kommen. 

Oder – diese Variante ist mir am unangenehmsten – sie sorgen sich, dass ich die Tatsache, dass sie nicht geübt haben, als Geringschätzung meiner Arbeit und vielleicht sogar meiner Person verstehen könnte. 

Oder – noch schlimmer – sie haben Angst, mich zu enttäuschen. Deshalb reagiere ich gern mit einer Gegenfrage: »Meinst du damit, dass dir keine Zeit gelassen wurde – oder dass du dir die Zeit nicht genommen hast?« Ich weiß – das ist gemein…  

Schüler müssen selbst Verantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen 

In der Regel führe ich das sich daran anschließende Gespräch mit allen Erst­semestern. Es geht mir dabei um die Idee, dass sie selbst die Verantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen. Dass es ihre Entscheidung ist, wieviel Zeit sie in welches Fach investieren. Und somit auch ihre Entscheidung, mit welcher Vorbereitung sie in den Unterricht kommen.

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