¡Hola! hieß es anstelle von 今日は (Konnichiwa!) während der diesjährigen viertägigen WASBE-Konferenz in Buñol, einer kleinen Gemeinde mit etwa 10.000 Einwohnern in der sonnenverwöhnten Provinz Valencia im Nordosten von Spanien.
Als Konferenzort 2019 war eigentlich Tokio geplant. Die Konferenz in der japanischen Millionenstadt musste aus organisatorischen Gründen aber zeitlich verschoben werden. Und so organisierte das spanische Dorf Buñol, in dem gleich zwei hervorragende Blasorchester beheimatet sind, mithilfe der WASBE in Rekordzeit die diesjährige Konferenz.
WASBE-Freunde
Begleitet von einem fröhlichen Umzug durch Buñol und einer großen Paella-Get-Together-Party am »Auditorio San Luis« begann am Dienstagabend eine Konferenz, bei der die intensive positive Beteiligung der Bevölkerung deutlich spürbar war.
Dies zeigte sich nicht nur beim Besuch der Konzerte: In vielen Geschäften war das freundliche Schild »WASBE Friend« aufgestellt, die Messestände befanden sich nicht in einer abschließbaren Halle, sondern waren mitten im Ort aufgebaut, in kleinen Häuschen entlang einer Straße.
Wettbewerbe und Konzerte
Das offizielle Programm startete am Mittwoch um 10 Uhr mit der Endausscheidung des Kompositionswettbewerbs (vier Kategorien mit jeweils drei Kompositionen) und endete am Samstag kurz vor Mitternacht nach dem Konzert der Banda Sinfónica Municipal de Valencia und einem Gala-Dinner.
Die insgesamt ein Dutzend Konzerte waren jeden Tag auf drei Spielorte verteilt: ab 12 Uhr im »Palacio de la Músic«, dem »Probenraum« des Blasorchesters »La Armónica de Buñol«, ab 18 Uhr im »Teatro Montecarlo«, dem »Probenraum« des Blasorchesters »La Artística de Buñol« sowie ab 21.30 Uhr auf der 1987 eröffneten, wunderbaren und großen Freilichtbühne »Auditorio San Luis«.
Die Hälfte der Konzerte wurde von großen spanischen Orchestern gestaltet. Zwei Orchester waren aus den USA angereist, jeweils ein Orchester kam aus Australien, Italien, Kanada und Portugal.
Der Konferenztermin war so praktisch gelegt, dass man ab dem darauffolgenden Donnerstag den berühmten internationalen Blasorchesterwettbewerb »Certamen« (Certamen Internacional de Bandas de Música »Ciudad de Valencia«) besuchen konnte, in dessen Regelwerk auch ein Hinweis zu finden ist, was man unter einem »großen spanischen Orchester« versteht:
In der höchsten Kategorie (»Sección de Honor«) sind zwischen 111 und 140 Musikern mit maximal 14 Saiteninstrumenten erlaubt. In der »Sección Primera« (zweithöchste Kategorie) können Orchester mit »nur« 81 bis 110 Musikern und maximal zwölf Streichinstrumenten an den Start gehen.
Herausragendes Orchester reist aus Australien an
Das Orchester mit einem der herausragendsten Konzerte hatte zugleich die weiteste Anreise: Nach Konzerten in Madrid und später in Barcelona bewies die »Sidney Conservatorium of Music Wind Symphony« mit ihrem Dirigenten John P. Lynch, welche Magie von einer Musik ausgehen kann, bei der alle Töne und Bedeutungen in einer Atmosphäre völliger Ruhe zusammengefasst werden.
Dieses Kunststück gelang unter anderem mit Christopher Marshalls »Transcending«, dem vierten und letzten Satz von »Alafaya«, seiner »Suite for Windensemble«, die er eigens für dieses Orchester geschrieben hat. Eine Komposition, die unsere Sehnsucht, von etwas berührt und bewegt – ja, nennen wir es ruhig: ergriffen – zu werden, im positivsten Sinn erfüllte. Und das alles auf nur fünf Seiten Partitur.
Viele deutschsprachige Komponisten und Gäste
Die auf der gleichnamigen Motette »Audivi Media Nocte« des Engländers Thomas Tallis basierende Komposition von Oliver Waespi war im Verlauf der Konferenz gleich zweimal zu hören: am Freitag von einem spanischen, am Samstag von einem portugiesischen Orchester, wobei mir die Interpretation der Stadtkapelle Wangen 2016 beim Deutschen Orchesterwettbewerb in Neu-Ulm sogar noch besser gefallen hatte.
Leider entfiel Adam Gorbs »Bohemian Revelry« trotz Ankündigung im Programm des »Toronto Youth Wind Orchestra«. Ich meinte, die Enttäuschung im Gesicht des Komponisten ob dieser Nachricht direkt ablesen zu können, denn er saß nicht weit von uns im Zuschauerraum.
Stattdessen wurde das 2007 komponierte Werk »Storm« von Rolf Rudin im Rahmen des Vortrags des 92-jährigen Robert Austin Boudreau von der »University of North Florida Wind Symphony« (Dirigentin: Erin Bodnar) gespielt, obwohl es nicht im offiziellen Programmheft verzeichnet war.
Auch war »Trumpets and Bridges« von Thomas Doss zu hören. Und so ergab es sich, dass gleich mehrere deutschsprachige Komponisten mit ihren Werken in den Konzerten vertreten waren.
Auch in den Vorträgen konnten Komponisten aus dem deutschen Sprachraum Akzente setzen – etwa während des äußerst hörenswerten und didaktisch hervorragend gestalteten Vortrags »The Interdisciplinary Possibilities of Wind Bands« des Dirigenten und Arrangeurs Oliver Nickel, bei dem auch der anwesende fränkische Komponist Hubert Hoche beispielhaft präsentiert wurde.
Er hatte mit »Mystica« eine interdisziplinäre Verbindung zwischen Blasorchester, Videoinstallation und Tanz geschaffen. Das 50-minütige Werk war bereits in der Zeitschrift »WASBE World« (Ausgabe Juni 2018) auf zehn Seiten gewürdigt worden. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass seit der WASBE-Konferenz 1997 in Schladming, als ich erstmals dabei war, heuer so viele deutsche Dirigenten, Komponisten und Musiker teilgenommen haben wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.
Einer der wesentlichen Vorteile dieser Konferenzen besteht natürlich darin, dass man neben den Konzert- und Vortragsbesuchen viele nationale und internationale Bekanntschaften vertiefen und neue knüpfen kann.
Ehrungen
Während der abendlichen Freiluftkonzerte im »Auditorio San Luis« wurden zwei Personen besonders geehrt. Einmal der bereits erwähnte 92-jährige Robert Austin Boudreau, der 1957 das »American Wind Symphony Orchestra« gegründet hatte, mehr als 400 Werke zeitgenössischer Komponisten in Auftrag gegeben hat und über den Markus Mauderer, Geschäftsführer von WASBE, das Buch »Robert Austin Boudreau und das American Wind Symphony Orchestra« verfasste.
Geehrt wurde auch der 1954 geborene amerikanische Komponist und Tubist Gregory Fritze, der unter anderem Lehrer an der Kompositionsabteilung des renommierten Berklee College of Music war und von dem während der Konferenz »Tribute to Gregory Fritze« gespielt wurde. Diesen musikalischen Ehrengruß überbrachte die »Banda Sinfónica Municipal de Valencia« unter Leitung von Rafael Sanz-Espert.
Dirigierkurs
Für Dirigenten besonders interessant war das WASBE Conducting Seminar unter Leitung von Douglas Bostock (Großbritannien/Deutschland), Matthew J. George (USA) und Alberto Roque (Portugal), bei dem Werke für Kammerensemble (etwa Vincent Persichetti – Serenade No. 1) und Wind Orchestra (zum Beispiel Darius Milhaud – Suite Française op. 248) geprobt wurden und das für passive Teilnehmer kostenlos war.
Solisten
Neben hochklassigen Orchestern hatte die Konferenz in Buñol auch internationale Top-Solisten im Programm. So war etwa der Eufoniumvirtuose Steven Mead mit der Uraufführung des Werks »Euphontastic« von Carlos Pellicer zu hören (begleitet vom »Rovereto Wind Orchestra« aus Italien unter Leitung von Andrea Loss), oder Radovan Vlatkovic (internationaler Hornsolist und Professor am Mozarteum in Salzburg) mit der Weltpremiere von Gregory Fritzes »Phoenix«.
Besonders begeisterten mich die »Barcelona Clarinet Players« mit dem Werk »Pas de Quatre« beim Konzert der »Unión Musical Santa Cecilia de Villar del Arzobispo«, das vom 1972 in Valencia geborenen spanischen Komponisten und Dirigenten Luis Serrano Alarcón geleitet wurde, der auch der Komponist von »Pas de Quatre« war.
Dieses Orchester war eine Woche später auch beim Wettbewerb »Certamen« in Valencia in der »Sección Primera« zu hören – im fast 1500 Zuhörer fassenden Auditorio des Opernhauses von Valencia.
»Bis bald in Prag!«
Die nächste WASBE-Konferenz findet vom 20. bis 24. Juli 2021 in Prag statt. Die Konferenz, nach Utrecht und Buñol zum dritten Mal in Europa zu Gast, ist »In Honor of Karel Husa (1921-2016)« gewidmet. In Prag bietet sich erneut die faszinierende Gelegenheit, ganz besonderen Konzerten zu lauschen sowie spannende und informative Vorträge zu hören – und natürlich sich mit Gleichgesinnten zu treffen und auszutauschen.
Da Prag noch näher an Deutschland liegt als Buñol und auch die Kosten überschaubar bleiben, bietet es sich an, diesen Termin schon jetzt im Kalender vorzumerken. In diesem Sinne: Uvidíme se brzy v praze!