Brass, Orchestra, Szene, Wood | Von Klaus Härtel

Zuhören! Helmut Eisel über Musik und Gesellschaft

Seit nunmehr fünf Jahren veranstaltet der Klarinettist Helmut Eisel das Festival »Clarinet & Friends« im thüringischen Mühlhausen. »Festival im Dialog« lautet der Untertitel. Miteinander reden, einander zuhören – das sind die großen Themen, die Helmut Eisel bewegen. In der Musik wie im gesellschaftlichen Zusammenleben.

Herr Eisel, beim kommenden Festival »Clarinet & Friends« in Mühlhausen lautet der Titel eines Workshops »Basics der Klezmer-Improvisation – Basics unserer Gesellschaft«. Wo sind denn da die Gemeinsamkeiten?

Bei beiden Aspekten steht die Frage im Vordergrund: »Wie funktioniert so etwas?« Eine Gesellschaft braucht Regeln, die es einzuhalten gilt. Eine Gesellschaft braucht aber auch die Freiheit für jeden Einzelnen. Das ist natürlich in verschiedenen Gesellschaften auch sehr unterschiedlich. 

Jede Gesellschaft braucht ein gesundes Maß an Regeln, an die ich mich tunlichst halten sollte. Aber es braucht auch einen gewissen Freiheitsgrad, der mich merken lässt, dass die Zeit gekommen ist, aktiv zu werden. 

Das ist in der Musik ähnlich. Musiker machen eine musikalische Grundausbildung. Die haben ihre Noten, gegenüber steht der Dirigent, und in diesen Bahnen können sie sich ganz gut bewegen. Und dann kommen sie an einen Punkt, an dem sie »etwas Eigenes« machen sollen… Ich kenne das aus meiner früheren Zeit als Unternehmensberater. Es hieß dann immer: »Um Gottes Willen – jetzt müssen wir improvisieren.«

Wir haben heute Situationen, in denen bedrohliche Dinge passieren. Die Gesellschaft steht drum herum und wird nicht initiativ, weil keiner sagt, wo es lang geht! Wir haben nicht gelernt, spontane Reaktionen gut zu finden. Das war im Wilden Westen anders (lacht). 

Ich denke, mit der Musik haben wir eine große Basis, um gemeinsam Dinge zu schaffen. Zusammen Musik machen ist toll. Wir müssen hier einerseits lernen, Regeln zu beachten. Wir brauchen aber andererseits auch den anderen Aspekt. Der einzelne Musiker will sich zeigen können, er will improvisieren und dialogisieren. 

Wir können viele solche Elemente einfügen, ohne das Ganze zu zerstören. Der Musiker möchte ein gesundes Maß an Freiheit, möchte seine Individualität ausleben. Er möchte aber trotzdem ein Regelwerk, das ihm garantiert, dass es schön klingt. Und das ist für die Gesellschaft eins zu eins zu übernehmen.

Ist das aber – in der Musik wie in der Gesellschaft – auch eine Typfrage? Es gibt nun einmal Menschen, die mehr im Vordergrund stehen wollen als andere…

Das ist völlig klar. Und auch absolut in Ordnung. Es wäre ja furchtbar, wenn wir alle gleich wären. Beim Musiker sieht man das schon bei der Instrumentenwahl. Jemand, der sich permanent darstellen möchte, wird vermutlich nicht zum Kontrabass greifen. 

Natürlich kann der das auch. Ich habe viele Bands mit tollen Bassisten. Die haben dann am Abend ein Solo. Das funktioniert, aber niemand würde einen Kontrabassisten mitnehmen, der nicht auch ein guter Begleiter ist.

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