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Franz, der “Ahrtal-Trompeter” mit dem Flügelhorn

Franz-Josef Graf ist kein Oberbayer, obwohl er bereits seit 16 Jahren in Freising lebt. Nein er ist ein waschechter Unterfranke. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Die Blasmusik hat es uns beiden angetan und immer wieder an verschiedenen Orten zusammen geführt. Nun trafen wir uns im von der Flut zerstörten Ahrtal wo er seit vier Wochen als “Trompeter vom Ahrtal” den Menschen Mut und Zuversicht vermittelt. Wir fahren zusammen in seinem blauen Auto von Ort zu Ort, das Flügelhorn stets dabei. Ich bin fassungslos und erschüttert über das, was ich sehe. Was das Wasser mit seiner puren Gewalt angerichtet hat ist schier unvorstellbar und schwer in Worte zu fassen.

Eisenbahngleise hängen in der Luft. Häuser sind verschwunden bzw. drohen am Abhang in die Tiefe zu stürzen, ganze Straßenzüge und uralte Brücken sind einfach nicht mehr da. Weggerissen. So schlimm hatte ich es mir im Vorfeld nicht vorgestellt. Schweigend registriere ich die schrecklichen Bilder, fotografiere und bin tatsächlich sprachlos. Franz-Josef spricht. Er erzählt von anfangs schlechtem Management der offiziellen Seite, aber auch von der überwältigenden Hilfe der Freiwilligen und der Bauern die aus ganz Deutschland kamen um mit ihrem schweren Gerät zu helfen. Hunderte von schweren Traktoren begegnen uns auf den schlammigen Straßen.

Sie kennen den „Trompeter vom Ahrtal“. Sie blinken, winken ihm zu, hupen oder geben sich mit senkrechtem Daumen ein Zeichen der Zuversicht. Was ich an diesem einen Tag an Traurigkeit, Empathie, Dankbarkeit, und Zusammengehörigkeitsgefühl erleben durfte ist schwer zu vermitteln. Die persönlichen Kontakte mit Helfern oder Betroffenen geben nur einen Bruchteil dessen wieder, was dort im Tal der Ahr vor fünf Wochen geschehen ist. Viele Menschen haben das Unglück nicht überlebt. Ob die offiziellen Zahlen stimmen? Man vermutet mehr. Viel mehr. Zahlreiche Menschen verloren Angehörige und ihr Hab und Gut. Einige beendeten in ihrer Aussichtslosigkeit ihr Leben selbst. Ein Vater verlor seine Kinder, die er mit dem Auto in Sicherheit bringen wollte. Als er aus dem Haus kam war Auto mit Familie von den Fluten mitgerissen und verschwunden.

Ingrid, die Chefin der Winzergenossenschaft in Walportsheim zeigt mir mit tränenverschleierten Augen ihren verwüsteten Weinkeller und die kaputten historischen Weinfässer. Eine junge Familie aus Hannover wollte eigentlich die Ferien der beiden Kinder mit einer Radtour an der Ahr verbringen. Jetzt befreien sie bereits seit Tagen ein Haus von Schutt und Schlamm. Jeder packt an und hilft auch Franz-Josef hilft wo es nur geht. Bevor er abends ins Bett geht, dreht er seine Runde durch die Ortschaften und zaubert mit seinem Flügelhorn ein Lächeln auf die Gesichter der Leute. Sie danken es ihm mit Applaus und Umarmung. Es ist die Empathie, die von ihm ausgeht. Er habe unendlich berührende und schöne Erlebnisse gehabt, erzählt er mir. Bei Trauerfeiern spielte er “Näher mein Gott zu dir” und den Winzern macht er Mut mit einem “Jetzt trink ma noch a Flascherl Wein” als Zeichen, dass bald wieder bessere Zeiten kommen. Mit der “Nationalhymne” oder “Es waren zwei Königskinder” erfüllte er auch spezielle Wünsche und brachte die Menschen zum weinen.

Neben Feldküchen des THW und BRK sind zahlreiche Privatpersonen unterwegs und bieten den Helfern Mahlzeiten und Getränke an. Eine einheimische BRK-Helferin erzählte mir, dass sie sich kurzfristig vor die Aufgabe gestellt sah, 3 Tonnen Schweinebraten an die Menschen zu verteilen. Da ist Logistik und Tatkraft gefragt und an beiden fehlte es wohl. Erst nach hartnäckiger Auseinandersetzung mit der offiziellen Führung pendelte sich die Zusammenarbeit ein. Sie bestätigte mir, dass trotzdem noch viele Helfer benötigt würden.

An einem Wochenende kamen 800 Dachdecker ins Katastrophengebiet. Was sie, die Bauern und freiwilligen Helfer aus ganz Deutschland täglich tun, müßte doch auch mit Musikanten zu machen sein, dachte sich Franz-Josef und erarbeitete zusammen mit seinem Stab einen Plan: Am Samstag, 28. August sollen Blaskapellen oder einzelne Musikanten aus ganz Deutschland und darüber hinaus ins Ahrtal kommen um für Helfer und Betroffene zu musizieren. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, tatkräftig mit anzupacken. Das kann an Ort und Stelle entschieden werden. Die Musiker werden in die Orte verteilt und später an einen Platz gebracht wo zusammen musiziert werden soll. “Es soll ein Flashmob werden” sagt Franz. Einzelheiten, wie Musikauswahl, Uhrzeit sowie Treffpunkt sind unter ahrtal2808@gmail.com zu erfahren.

Als wäre es ein Wink des Schicksals fand ich in einem unüberschaubar großem Gebiet voller Holz und Schutt eine große Trommel. Sie ist jetzt der Ansporn dafür, kräftig die Werbetrommel zu rühren um Musikantinnen und Musikanten zu animieren, ins Ahrtal zu fahren. Eines weiß ich sicher, die Menschen dort werden es uns danken, denn sie haben Angst vergessen zu werden.

Ein Lagebericht aus dem Ahrtal von Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen