News | Von Hendrik Reichardt

Neues Nachschlagewerk: Lexikon des Orchesters

Lexikon

Auf den ersten Blick fast ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt das Erscheinen eines Lexikon des Orchesters in zwei gedruckten Bänden, das der Laaber-Verlag aus Lilienthal herausgebracht hat. Rund 4,2 Kilogramm bringt die Publikation auf die Waage und man ist geneigt zu fragen, ob es solch einen “Wummi” heutzutage wirklich noch braucht und ob er für die Blasorchester­szene tatsächlich von Belang ist. Direkte Auf­lösung: Der Rezensent meint “ja”. 

Natürlich kommt die Publikation so großspurig und von sich selbst überzeugt wie ein Dirigent aus der Allmachts-Ära des 20. Jahrhunderts daher: Als “Nachschlagewerk der Superlative” wird es vom Verlag beworben. Ein solches Projekt lässt sich wohl nur mit einer titanischen Grundeinstellung realisieren. Andererseits steht das mithilfe der Deutschen Orchestervereinigung realisierte Nachschlagewerk mit seiner ­Fülle an neuen Informationen in der Tat ziemlich einzigartig da. Denn es schließt mehr als eine ­Lücke zwischen dem, was in bekannten Lexika vergangener Dezennien und verstreut im Internet zu finden ist. 

Die Artikel zu Orchestern und Ensembles weltweit beleuchten neben berühmten Klangkörpern zahlreiche tradierte und weitere bis dato un­bekanntere erstmals. Auch Besetzungsformen werden thematisiert. So gibt es unter anderem einen großen Eintrag zum Blasorchester, einen zur Banda sowie zur Militärmusik. Interessant für alle, die ein Instrument im Ensemble spielen, sind die Beiträge zur Aufführungspraxis von Orchestermusik im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und ethnischen Besonderheiten.

Instrumente und Komponisten

Bei den Artikeln zu den Instrumenten werden nicht nur die gebräuchlichen Haupt- und Sonderinstrumente der heute zum Aufführungskanon gehörenden Orchesterwerke besprochen, sondern auch regional und historisch besondere Musik­instrumente. Ihre Funktion im Orchester sowie ihre Verwendung werden nachvollzogen, ihre Bedeutung eingeordnet. Selbstverständlich sind darunter die im Blasorchester standardisierten Instrumente, ihre Rolle im Sinfonieorchester dürfte auch die Bläserszene interessieren. Unter den Personenartikeln sind sämtliche relevanten Komponisten und Interpreten der vergangenen Stilepochen und erstmals auch der jüngsten Vergangenheit bis zur Gegenwart enthalten. Damit kommt besonders die zeitgenössische Musikszene umfassend in einem Lexikon vor. 

Fachlich gesehen ist es eine Ehrentat der Musikwissenschaft, endlich der Welt des Orchesters ein ansprechendes Nachschlagewerk erstellt zu haben, das wissenschaftlich exakt und gleichzeitig so verständlich ist, dass es sich für verschiedenste Recherchezwecke eignet und eine breite Zielgruppe ansprechen dürfte. Eine Ehrentat hat wahrlich auch das international zusammengesetzte Kollektiv aus mehr als 200 Autorinnen und Autoren geleistet, zu denen neben dem Militärmusikexperten Dr. Manfred Heidler auch der Rezensent gehört – nicht zuletzt im Hinblick auf das ausgesprochen homöopathische Honorar.

Umso mehr ist dem Werk neben seiner wissen­schaft­lichen Qualität eben auch Herzblut anzumerken – und dies macht das Lexikon zusätzlich wertvoll. Es konnte und durfte nämlich mit den Herausgebern Gesine Schröder, Frank Heidlberger und Christoph Wünsch sowie mit dem Koordinator Stefan Beyer um fachliche Gewichtungen gerungen werden. Ob diese Abwägungen ge­lungen sind, mögen nun die Nutzerinnen und Nutzer beurteilen. Wer über Echtholzregale verfügt, kann sich die zwei Bände in den Überaum stellen. In jedem Fall aber gehört das “Lexikon des Orchesters” ins Probenlokal eines jeden Musikvereins und sollte dort für alle Musikerinnen und Musiker bereitliegen.

Lexikon

Lexikon des Orchesters. Orchester und Ensembles weltweit – Geschichte und Aufführungspraxis – Komponisten und Dirigenten – Orchesterpraxis (2 Bände); Hrsg. von Frank Heidlberger, Gesine Schröder und Christoph Wünsch (ISBN 978-3-89007-551-8); www.laaber-verlag.de