Die Frankfurter Musikmesse ist Geschichte. Diese Nachricht kommt nicht völlig unerwartet, in ihrer Kürze und Begründung aber dann doch überraschend. In zwei kurz aufeinander folgenden Pressemitteilungen besiegelten die Verantwortlichen aus Frankfurt das Aus. Ob die Musikmesse Frankfurt in der jüngeren Vergangenheit, obgleich sie man sie immer noch „als eine der weltweit führenden Messen“ bezeichnete, wirklich noch der weltweite Magnet war, ist zumindest fraglich. Fast 40 Jahre lang aber war sie DER Branchentreff in Mitteleuropa.
Aus Branchenkreisen hat sich der Redaktion gegenüber bislang lediglich Volkmar Kühnle von der Firma Buffet Crampon geäußert. Hinter vorgehaltener Hand spricht man aber deutliche Worte des Bedauerns aus, attestiert den Messebetreibern mindestens eine jahrelange Fehlplanung und kritisiert deutlich, dass man das Ende der Messe ebenfalls durch besagte Pressemitteilungen erfahren habe. Laut diesen könne von der Messe „keine wirtschaftliche Perspektive für das Produkt mehr erwartet werden“. Auch ein Grund sei, dass sich beim Instrumentenmarkt „über 70 Prozent des Umsatzes auf wenige Online-Händler verteilen“. Corona war letztendlich vermutlich nur ein letzter Sargnagel.
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau versucht der Leiter der Musikmesse, Wolfgang Weyand, die Gründe zu erklären.
Wir bemühen uns weiterhin um offizielle Statements von ehemaligen Ausstellern, die die Musikmesse jahrelang getragen haben. Volkmar Kühnle, Senior Director Sales & Marketing von Buffet Crampon äußert sich wie folgt:
“Die Musikmesse in Frankfurt war für Jahrzehnte der Treffpunkt der nationalen und internationalen Kunden. Hier wurden neue Kontakte geknüpft und bestehende ausgebaut. Da hier aber vor Jahren bereits ein massiver Wandel abzusehen war, hatte sich die Buffet Crampon Gruppe mit Ihren heute zwölf Marken seit längerem von einer Präsenz bei der Musikmesse Frankfurt verabschiedet. Die jetzt erfolge Entscheidung der Messe hat somit keine Auswirkungen auf unsere derzeitige Marketing- und Vertriebsstrategie. Diese haben wir schon seit Jahren neu ausgerichtet und arbeiten stetig an derer Optimierung um auf neue Situationen und Bedürfnisse frühzeitig zu reagieren. Erhöhte Präsenz in den sozialen Medien, Teilnahme und Partner bei großen Musikfestivals, große Anzahl von Workshops, sowie eigene Veranstaltungen in unserem Buffet Crampon Showroom in Geretsried sind dabei immer wichtigere Faktoren.
Das Messegeschäft ist ja insgesamt schwierig geworden und die Musikmesse macht hier keine Ausnahme, wenn man bedenkt, daß es z.B. keine Cebit mehr gibt oder auch große Hersteller der Automobil-Ausstellung fern bleiben. Händler aus Europa und Übersee blieben der Messe mehr und mehr fern und selbst der deutsche Fachhandel hat die Messe in Frankfurt immer weniger besucht. Damit haben sich die hohen Kosten für eine Messebeteiligung sowohl für die vielen eher mittelständischen Betriebe als auch die wenigen großen Hersteller nichtmehr gerechnet.
Für die Buffet Crampon Gruppe ist das Ziel im weltweiten Fachhandel mit einer großen Auswahl an Instrumenten permanent vertreten zu sein. Der Umsatz der „Online-Händler“ hat sicherlich in den vergangenen Jahren zugenommen und auch die Buffet Crampon Gruppe hat besonders im Schülerbereich davon profitiert, unsere hochwertigen Markenprodukte jedoch werden weiterhin vorrangig im Ladengeschäft vertrieben. Das Fachwissen der regionalen Händler und Reparateure führt häufig zur Kaufentscheidung für hochwertige Instrumente, denn hier können die Qualitätsunterschiede zwischen unseren Markenprodukten und einfachen Kopien am besten erklärt werden.
Die wirtschaftliche Perspektive für die Messe erschwerte sich in den letzten Jahren sicherlich durch einige neue Randbedingungen, jedoch haben wir auch ein klares Konzept vermisst. Leider wird Frankfurt nichtmehr die ganz große „Leitmesse“ für das Fachhandels-Publikum der Welt werden können. Es ist sehr bedauerlich, daß Europa mit seiner unschätzbaren Qualität und Tradition des Instrumentenbaues keinem Treffpunkt für Händler und Musiker der Welt mehr haben wird.”
Die offiziellen Pressemitteilungen:
Messe Frankfurt konzentriert sich auf profitable Umsatzbringer
Bei der Messe Frankfurt hofft man auf ein baldiges Abklingen der Pandemie, um wieder geschäftlich aktiv werden und Umsätze erzielen zu können.
Die Geschäftsführung der Messe Frankfurt ist entschlossen, das Unternehmen schnellstmöglich wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen. “Um dies zu erreichen, werden wir uns vollständig auf unsere profitablen Umsatzbringer konzentrieren, die wir fortan ohne weitere finanzielle Mittel unserer Gesellschafter oder anderer Dritter auf unserem Messegelände steuern und entwickeln können”, sagt Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt.
Dazu hat das Management eine Reihe von sich ergänzenden Maßnahmen umgesetzt, die in den Monaten des Geschäftsstillstands vorbereitet wurden und sich auf das Portfolio der Veranstaltungen sowie ergänzende Dienstleistungen beziehen. So wird die Hypermotion in einer veränderten Form weitergeführt. Die gesellschaftlich relevanten Themen moderner Mobilitätskonzepte werden als Konferenzthemen weiterentwickelt und leisten auch künftig einen wichtigen Beitrag zu einem gesellschaftlichen und fachlichen Diskurs.
“Keine wirtschaftliche Perspektive für das Produkt zu erwarten”
Die Fachmesse Musikmesse Frankfurt wird nicht fortgesetzt. Die Gründe hierfür sind marktbedingt. Die Marktstruktur hat sich derart verändert, dass keine wirtschaftliche Perspektive für das Produkt mehr erwartet werden kann. Davon unberührt bleibt die erfolgreiche Music China, die einen erheblichen Wertbeitrag für das Unternehmen leistet.
“Die Konsumgütermessen wurden bereits unter dem Motto ‘Home of Consumer Goods’ zusammengefasst, ein Konzept, das national wie international auf Zustimmung und Interesse in den Märkten stößt”, sagt Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt.
“Unser Gelände ist so entwickelt, dass wir bei Bedarf auch zwei oder mehr Veranstaltungen zeitgleich beherbergen können. Beginnend mit der Prolight + Sound stehen für die Messe Frankfurt für das Jahr 2022 allein in Frankfurt 135 Messen, Kongresse und Konzerte an”, ergänzt Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt.
Mit den Entscheidungen zu den Portfoliobereinigungen sowie der Neuaufstellung beispielsweise der Medienservices des Unternehmens – verbunden mit einem deutlich erweiterten digitalen Angebot – kann sich die Messe Frankfurt vollständig auf ihre profitablen Umsatzbringer konzentrieren. Sie wird ihre digitalen Angebote forciert vermarkten, neue Gastveranstaltungen für Frankfurt gewinnen und sich den Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung widmen.
Musikmesse, Musikmesse Plaza und Musikmesse Festival finden im April 2022 nicht statt – neues Event- und Festivalkonzept in Planung
Die Endverbraucherformate Musikmesse Plaza und das Musikmesse Festival sind vor dem Hintergrund der aktuellen Situation und kurzen Vorlaufzeit für April 2022 nicht umzusetzen. Insbesondere besucherstarke Konzerte internationaler Künstler, Konzerte in Clubs und außergewöhnlichen Locations sowie Angebote im Bereich Musikpädagogik konnte man unter den geltenden Hygienebestimmungen nicht seriös planen. Die dramatische Transformation am Instrumentenmarkt, auf dem sich über 70 Prozent des Umsatzes auf wenige Online-Händler verteilen, hat die Fachausstellung der Musikmesse bereits in den vergangenen Jahren stark negativ beeinflusst und bestärkt daher die Transformation von einer B2B zu einer B2C Veranstaltung. Aufgrund dessen wird die Messe Frankfurt der B2B Teil der Musikmesse nicht fortführen. Die Umsetzung des Themas “Musik” wird künftig im Rahmen einer Neuaufstellung der B2C-Formate zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Die Fachmesse Prolight + Sound als Fachbesuchermesse mit Fokus auf Professionals der Event-Industrie ist hiervon nicht betroffen und findet wie geplant vom 26. bis 29. April 2022 als Eröffnung der Frankfurter Messesaison auf dem Frankfurter Messegelände statt.
“70 Prozent des Marktes auf wenige Onlinehändler”
“Gerne hätten wir bereits im April die B2C-Aktivitäten rund um die Musikmesse mit Festival-Aktivitäten aus anderen attraktiven Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft neu aufgestellt. Diese Art von Consumer Events unterliegt allerdings Auflagen, die einen längeren Planungszeitraum benötigen.” sagt Stephan Kurzawski, Geschäftsleitung der Messe Frankfurt. “Wir planen aus diesem Grund die Neuaufstellung und Erweiterung des Konzepts der B2C-Veranstaltungen für einen späteren Zeitpunkt”, so Stephan Kurzawski weiter.
Der Business-to-Business Teil der Musikmesse wird derzeit nicht fortgeführt. “Die Marktkonzentration im Instrumentenfachhandel, bei der sich allein in Deutschland und den angrenzenden Ländern über 70% des Marktes auf wenige Onlinehändler verteilen, verändert den Markt und das Orderverhalten erheblich. Eine Fachmesse vor diesem Hintergrund durchzuführen, ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Teil unserer langfristigen Strategie rund um die Musikmesse war und ist es, noch intensiver auf Inhalte für das breite Publikum abseits des Musikinstrumentenhandels zu setzen und gemeinsam mit Menschen aus allen Teilen der Welt ein Fest der Musik in Frankfurt zu feiern. Wir sehen für solche Formate, wie das Musikmesse Festival und die Musikmesse Plaza im Rahmen eines neuen Konzepts wieder eine Perspektive für die Zukunft”, so Stephan Kurzawski.
Der Fokus wird in der Zukunft auf attraktiven Angeboten für das breite Publikum liegen, die Lust auf Musik und Entertainment wecken, Menschen bei hochkarätigen Konzertveranstaltungen zusammenbringen und die kulturelle Vielfalt der Region Frankfurt emotional erlebbar machen.