Brass, Wood | Von Klaus Härtel

Die Marsalis-Familie

Eine bedeutende Musikerfamilie des 18. Jahrhunderts waren die Bachs in Leipzig. Vater Johann Sebastian fungierte als Musikdirektor der Stadt und unterrichtete an der Thomasschule Gesang, Instrumente, Latein und Katechismus. 

Von seinen sechs Söhnen wurden vier zu höchst angesehenen Musikern. Der erste: genialisch, ein Einzelkämpfer, unangepasst. Der zweite: erfolgreich, machtbewusst, ein Selbstvermarkter. Der dritte: produktiv, bodenständig, im Hintergrund. Der vierte: ein Abenteurer, Ausreißer, lebte in Italien und England.

Die Marsalis-Familie aus New Orleans

Eine bedeutende Musikerfamilie von heute ist die Familie Marsalis in New Orleans. Vater Ellis unterrichtete an der Xavier University of Louisiana und war Direktor des New Orleans Center for the Creative Arts. 

Von seinen sechs Söhnen wurden vier zu höchst angesehenen Musikern. Der erste: Saxofonist, genialisch, ein Einzelkämpfer, unangepasst. Der zweite: Trompeter, erfolgreich, machtbewusst, ein Selbstvermarkter. Der dritte: Posaunist und Produzent, produktiv, bodenständig, im Hintergrund. Der vierte: kein Bläser, sondern Schlagzeuger, Ausreißer, lebt in Frankreich.

Die drei Brüder Branford, Wynton und Delfeayo könnten zusammen eine wunderbare Bläsergruppe bilden. Und manchmal tun sie das auch – in der Marsalis Family Band. 

Branford Marsalis: ein unerschrockener Grenzgänger auf dem Saxofon

Branford Marsalis spielt auf Tenor- und Sopransaxofon modernen Jazz – mit allem Mut zu Härte und Risiko. Schon 1989 präsentierte Tenorkönig Sonny Rollins ihn als seinen Kronprinzen. Auch andere Jazz-Granden wie Art Blakey, Miles Davis, Dizzy Gillespie und Horace Silver wussten, was sie an ihm hatten. 

Der Älteste der Marsalis-Brüder ist zudem ein unerschrockener Grenzgänger, der die Jazzpuristen provoziert. Er spielte auf Alben von Sting, Bruce Hornsby, Grateful Dead und Angelique Kidjo. Mit dem Duo Gang Starr, das aus dem Rapper Guru sowie dem DJ und Produzenten DJ Premier bestand, erkundete er die Übergänge zwischen Jazz und Hip-Hop. 

Er ist auf dem Soundtrack zahlreicher Filme zu hören und gründete ein eigenes Label (Marsalis Music). Seit über 30 Jahren leitet er eine der besten Bands im Jazz, das Branford Marsalis Quartet. Jede Sideman-Position in seiner Band wurde in dieser langen Zeit nur ein einziges Mal umbesetzt.

Wynton Marsalis: der kompletteste Trompeter der gesamten Jazzgeschichte

Wynton Marsalis unterschrieb mit 19 Jahren einen Exklusivvertrag bei Columbia Records und galt bald als der kompletteste Trompeter der gesamten Jazzgeschichte. Mit 25 wurde er Mitbegründer, mit 30 musikalischer Leiter des Jazzprogramms am Lincoln Center, dem führenden Kulturtempel New Yorks. 

Parallel zu seiner Macht wuchs sein Konservatismus: Das einstige Wunderkind entwickelte sich zur Symbolfigur für Jazz-Tradition und würdevolles afroamerikanisches Bürgertum. Mit 35 zählte er – ein Jazzmusiker – zu den 50 einflussreichsten Personen der USA. Er komponierte Ballettmusiken und eine dreistündige Jazz-Oper, für die er den Pulitzer-Preis erhielt. 

Mit seiner Stammband, dem Wynton Marsalis Septet, spielte er unterdessen brillante, komplexe, virtuose Jazzmusik – eine Mixtur aus Swing, New Orleans und vorsichtig dosierten modernen Zutaten.

Delfeayo Marsalis: der Spätstarter an der Posaune

Delfeayo [sprich: Délfio] Marsalis war, verglichen mit seinen beiden älteren Brüdern, ein Spätstarter. Erst mit 28 machte er sein Debütalbum. Das Herumbasteln im Studio gefiel ihm zeitweise viel besser als das Musizieren: Mehr als 100 CDs hat er produziert, unter anderem für Harry Connick Jr. und Terence Blanchard. 

Sein Posaunenspiel hört man auf mehreren Veröffentlichungen des Trompeters Irving Mayfield und des Posaunisten Wycliffe Gordon, außerdem auf Alben von Monty Alexander oder Elvin Jones. 

Für das von ihm gegründete Uptown Music Theatre schrieb Delfeayo Marsalis mehr als 80 Songs. Sie sollen Kinder frühzeitig an den Jazz heranführen – so wie es die Marsalis-Brüder einst zu Hause erlebt haben.