Brass | Von Redaktion

Die tägliche Routine

Hedrich

Was sind Bestandteile, die auf jeden Fall in der täglichen Routine enthalten sein sollten? Wenn man das Blechblasinstrumentenspiel mit einem Straßennetz vergleicht, dann gibt es Straßen, die man öfter benutzt als andere. Jedes Konzert, jeder Auftritt, jede Probe sieht anders aus. Daher variieren grundsätzlich auch die Anforderungen. Aus meiner eigenen Erfahrung kristallisiert sich eine Prioritätenliste heraus. 

Um zum Bild des Straßennetzes zurückzukehren, nutze ich manche Straßen öfter als andere. Manche brauche ich bei jedem Konzert und jeder Probe, manche nur sehr selten. Der Fokus der täglichen Routine sollte daher auf den Straßen liegen, auf denen ich auch immer fahre. Die Dinge, die ich immer benötige, sind Klang, das Verbinden von Tönen und der Tonbeginn.

Warum Klang? Die Klangerzeugung der unterschiedlichen Instrumentenarten ist mehr oder weniger körperlich oder maschinell. Bei einem Synthesizer entsteht der Klang zu 100 Prozent maschinell, der Körper hat keinen Einfluss auf den Klang. Abgestufter ist es schon beim Klavier. Zwar wird der Ton dort auch mechanisch durch das Schlagen des Hammers auf die Saite erzeugt, jedoch hat der Mensch dadurch, wie er die Taste drückt, einen Einfluss auf den Klang. Bei Holzblasinstrumenten wird der Einfluss des Körpers auf den Klang größer, wobei auch dort die Klangerzeugung weiterhin über beispielsweise Blätter läuft. 

Die Klangerzeugung wird körperlicher

Erst beim Blechblasinstrument verschiebt sich das Verhältnis zwischen maschineller und körperlicher Klangerzeugung hin zur körperlichen: Hier schwingt keine Saite oder Blatt, sondern mit den Lippen ein Körperteil. Damit hängt wie bei keiner anderen Instrumentengattung der Klang von körperlichen Faktoren ab. Die Beschaffenheit der Lippe kann nicht verändert werden – im Gegensatz zur Beschaffenheit einer Saite. Ein Pianist kann ab der ersten Unterrichtsstunde auf den vollen Tonvorrat zurückgreifen, der auch über den gesamten Tonumfang eine gleichbleibende Klangqualität hat. Beim (Blech-)Blasinstrument muss man sich sowohl den Tonumfang als auch die gleichbleibende Klangqualität erarbeiten. 

Nun sollte es selbstverständlich sein, dass die Töne, die ein Blechbläser in jedem beliebigen Stück zu spielen hat, die gleiche Klangqualität haben sollten. Es gibt auch im Tonumfang eine Prioritätenliste. So werden Töne aus den extremen Registern im Alltagsgeschäft weitaus seltener vorkommen als Töne aus der Mittellage. Ausbau und Erhalt der Klangqualität sollten daher von diesem Bereich ausgehen. In meinem Alltag als professioneller Posaunist hat sich der Bereich von großem E bis eingestrichenem F als der Tonumfang herauskristallisiert, den ich weitaus öfter benötige als Töne außerhalb dieses Bereichs. Der Schwerpunkt der Übungen aus der täglichen Routine sollte sich daher als Schwerpunkt diesem Bereich widmen, ihn aber im Verlaufe derselben auch nach und nach erweitern. Fokus sollte beim Ausbau aber immer auf der Klangqualität liegen. Tonanfänge und das Verbinden von Tönen – sei es legato oder Lippenbindung – sollten sich aus denselben Gründen auch schwerpunktmäßig mit diesem Bereich befassen und von dort aus ausgebaut werden.

Was gehört nicht zur täglichen Routine?

Um den Bereich der täglichen Routine weiter abzugrenzen, nenne ich als Beispiel für eine »Straße«, die nicht zur täglichen Routine gehört, die Doppel- und Triolenzunge. Diese Spieltechnik ist etwas, das ich nicht in jedem Konzert benötige. Und wenn sie mal in einem Stück benötigt wird, fällt sie dort im Verhältnis zu dem vorher erwähnten ab. Der Doppel- und Triolenzunge sollte man sich in gesonderten Übe-Einheiten widmen, die aber nicht täglich bzw. regelmäßig erfolgen müssen.

Die tägliche Routine sollte sich der Instandhaltung und dem Ausbau der Hauptverkehrsstraßen widmen.

Peter Hedrich

Hedrich

Peter Hedrich

ist Erster Posaunist in der Big Band der Polizei des Saarlandes. Mit dem »Peter Hedrich Quintett« hat er 2018 seine erste CD »New Hope« veröffentlicht. Er spielte mit der WDR Big Band, der Big Band der Bundeswehr, dem Bujazzo und anderen namhaften Ensembles. Seine erste Methode für Posaune TromboneDo ist im Dezember 2022 erschienen. Seit Wintersemester 2023/24 ist Peter Hedrich Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Saar für Jazzposaune und Ensemble. Er spielt Posaunen von XO Brass. 

www.peterhedrich.de