Orchestra | Von Renold Quade

On the Wings of Pegasus von Florian Moitzi

Pegasus

Pegasus, das Pferd der Helden, seine Abenteuer mit Bellerophon und die Strahlkraft des durch Zeus verliehenen Sternbildes – diese Geschichten im Hinterkopf waren Florian Moitzi Inspiration und Antrieb für die Komposition “On the Wings of Pegasus”. Renold Quade stellt das Werk ausführlich vor.

Aus der griechischen Mythologie kennen wir Pegasus als das weiße Pferd mit den Flügeln. Seine Eltern waren Medusa und Poseidon. Poseidon war der Gott des Meeres. Medusa, die sterbliche Tochter einer anderen Meereshoheit, war eine sogenannten Gorgone, in der griechischen Sagenwelt beschrieben als ein gruselig geflügeltes Wesen mit Haaren aus lebendigen Schlangen. Pegasus ist das Thema, das Florian Moitzi für sein etwa achtminütges Werk inspirierte.

Das Pferd Pegasus war für Göttervater Zeus stets von großer Wichtigkeit, und das nicht nur, weil es Blitz und Donner transportierte. Der Held Bellerophon kämpfte auf seinem Rücken gegen das Reitervolk der Amazonen und überdies gegen die Chimäre, gegen ein feuerspeiendes Mischwesen: vorne Löwe, in der Mitte Ziege, hinten Drache.

Wegen seiner treuen Dienste verewigte Zeus Pegasus als Sternbild am Himmel. Heute noch strahlt nicht nur dieses Sternbild nördlich des Himmelsäquators, auch die allgemeine Symbolkraft dieses mystischen Wesens strahlt unvermindert auf vielen Ebenen. Pegasus galt und gilt als das Pferd der Helden, der Dichter und der Götter.

Der Komponist

Geboren 1979 in Linz, aufgewachsen im oberösterreichischen Scharnstein, gelangen Florian Moitzi seine ersten musikalischen Schritte mit der Blockflöte, der Klarinette und dem Klavier. Im Schwerpunkt zunächst sehr an pädagogischer Arbeit interessiert, studierte er Volksschullehramt an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und ihm stand dabei die Mathematik besonders nahe. Überdies hatte die Musik aber weit darüber hinaus schon immer einen großen, gar unverzichtbaren Stellenwert in seinem Leben. 

So studierte er im Anschluss, neben seiner Tätigkeit als Volks- und Sonderschullehrer, an der Anton Bruckner Privat Universität Linz mit Hingabe Jazzsaxofon. Diese Leidenschaft führte ihn mit Musikern wie Bill Ramsey, Heinz von Hermann oder Ray Anderson zusammen. Seinen Drang zum Komponieren verfeinerte er mit Workshops und Studien bei Otto M. Schwarz, Ed de Boer, Klemens Vereno, Christoph Cech und Thomas Doss. Doss war es auch, der ihm dirigentisches Rüstzeug beim Dirigentenlehrgang EBO des Landesmusikschulwerks Oberösterreich mit auf den Weg gab. 

Seit 2010 ist Florian Moitzi Professor für Musik- und Mathematikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich in Linz. Er ist auf der einen Seite heimatverbunden, auf der anderen Seite aber auch global vielschichtig interessiert und er erfreut sich aufmerksam an Reizen und Aufgabenstellungen unterschiedlichster Facetten. In ihm steckt ein jazzaffiner Musiker mit Drang zum Komponieren, ein Mathematiker, der sich auch als Spieleerfinder so seine Gedanken macht und ein Sportler, der einen Marathon nicht scheut, im Sommer die Bergwelt zu Fuß erlebt und im Winter auf Skiern unterwegs ist. 

Kein Geheimtipp mehr

Moitzi ist als Komponist für Blasorchester schon längst kein interner Geheimtipp mehr. Schon gar nicht in Österreich, wo sein Konzertrepertoire längst Einzug in die Pflichtlisten für Wertungsspiele des Österreichischen Blasmusikverbandes gehalten hat. Was etwa mit einem Auftragswerk für »Linz09« (Kulturhauptstadt Europas) begann, setzte er weiter fort mit Arbeiten, die heimatliche, märchenhafte und erlebnishafte Themen kompositorisch verarbeiten. Diese gewannen nicht nur Kompositionspreise, die gewannen viel wichtiger noch Aufmerksamkeit und werden in der Szene gespielt. 

Als Abschlussarbeit für einen Lehrgang komponierte Florian Moitzi “On The Wings Of Pegasus”, erschienen 2020 bei OrchestralArt Music Publications. Ganz aktuell ist sein Musical für Kinderchor und Orchester, »Das verhexte Museum«, ein Referenzprojekt zur Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024.

Florian Moitzi persönlich fasst seinen Werdegang gerne wie folgt zusammen: “Ich habe selbst jahrelang im Musikverein Scharnstein Klarinette und Saxofon gespielt. Dabei war ich zudem im Bezirksjugendorchester Gmunden und dort haben wir viele Uraufführungen, Werke von Fritz Neuböck oder Thomas Doss gespielt. Das hat mich immer sehr fasziniert. Über einen Improvisationskurs bei Hermann Miesbauer bin ich dann mit etwa 15 Jahren zum Komponieren gekommen.

Zuerst habe ich für kleine Ensembles geschrieben, schließlich für das Jugendorchester, später für die eigene Blaskapelle. Die hat alle ein bis zwei Jahre eine Komposition von mir gespielt. Die waren nicht wahnsinnig gut, aber ich habe bei jeder Komposition dazugelernt. Erst mit ›Der Rest ist Österreich‹ habe ich bei einem Wettbewerb einen Preis gewonnen und dann ist alles ins Rollen gekommen. Verlage haben sich gemeldet und meine Stücke wurden auch Pflichtstücke für Konzertwertungen. Seit diesem Zeitpunkt schreibe ich etwas mehr. Zwischen zwei und fünf Stücken pro Jahr.”

Musiker und Mathematiker – Gegensatz, Ergänzung, Inspiration?

Ich bin ein kreativer Mensch und eher durch Zufall in die Welten der Mathematik und der Musik gestoßen. Beide Welten mag ich sehr und generell liebe ich auch die Abwechslung. Anfangs glaubte ich, dass diese Welten kaum Schnittmengen haben, ich ließ mich aber eines Besseren belehren und ich versuche immer mehr, auch beide Welten zu verknüpfen. Zuerst schrieb ich ein Liederbuch für die Grundschule, die »Zahlenreise-Hits«. Das verpackt mathematische Strukturen in Kinderliedern. Mathematik hilft mir aber auch beim Komponieren orchestraler Musik. Ich arbeite gerne mit rhythmischen Verschiebungen und manchmal rechne ich mir auch bestimmte Rhythmen aus, um einerseits Spannung aufzubauen, um andererseits diese dann auf den Punkt auch wieder aufzulösen.

Zudem hilft mir das differenzierte Ausrechnen von tiefen Frequenzen (Low Intervall Limits) beim Aufbau von verschiedensten Stimmungen. In Folge dieser Erkenntnisse kann ich z. B. geräuschartige Klänge oder eben Wohlklänge erzeugen und dann damit »spielen«. In der Form meiner Werke kann man gewisse Überraschungselemente auch mathematisch erklären. Etwa wenn statt der erwarteten sechszehn Takte einer Melodie nur fünfzehn oder gar siebzehn Takte erklingen. Das verleiht dem Werk oft eine unerwartete Nuance.  

Kürzlich habe ich erst Bachs H-Moll-Messe studiert und dort viel Mathematik entdeckt. Er arbeitet viel mit Symmetrien (beispielsweise ist das Wort »crucifixus« genau in der Mitte des Credos) und er nutzt Zahlensymbolik (z. B. versinnbildlicht die »drei« das »Göttliche«). Das hat mich sehr fasziniert und ich habe mir vorgenommen, Mathematik immer mehr in meine Musik zu integrieren.

www.florianmoitzi.com

Die Idee

In den Jahren 2018 bis 2020 habe ich die Kapellmeisterausbildung bei Thomas Doss absolviert, und da konnte man eine Komposition als Abschlussarbeit einreichen. Für mich war das eine tolle Gelegenheit, von ihm zu lernen und auch hier Tipps zu bekommen. ›On the Wings of Pegasus‹ ist eine Art Fanfare oder Ouvertüre, die sich auch gut als Eröffnungsstück eignet. Sie dauert etwa acht Minuten. Mein selbst gestecktes Ziel war es darüber hinaus, ein Stück für die Kategorie C (Grade 3+) zu schreiben. Pegasus, das Pferd der Helden, seine Abenteuer mit Bellerophon und die Strahlkraft des durch Zeus verliehenen Sternbildes – diese Geschichten im Hinterkopf waren mir Inspiration und Antrieb, diese Komposition entstehen zu lassen.

Der erste Teil beschreibt die Kraft des geflügelten Schimmels. In einem schnellen Allegro-Teil erleben wir die erste Begegnung von Bellerophon mit Pegasus. Begleitet von Hufgeklapper startet der erste Ritt, nach einer Überleitung der erste Flug. Es folgt ein ruhiger, sphärischer Teil, in Anlehnung an das Sternbild. Langsam sinkt das Pferd wieder zur Erde und das Werk geht, wie es gekommen ist. Begleitet von Hufgeklapper erklingt abermals die Hauptmelodie und erneut ein wenig langsamer der Fanfarenteil. 

 Der Aufbau 

Ich wollte immer schon einmal ein Stück schreiben, das wie eine Sinfonie (Einleitung, Hauptthema (B), Seitenthema auf der 5. Stufe (H), Durchführung (J), Coda (N)) aufgebaut wird. Soweit der “Bauplan”, der dem Werk seinen formalen Rahmen setzt. In der Folge nun, quasi im Dialog zwischen Autor und Komponist, wie sich dieser Plan mit musikalischem Leben gefüllt hat. 

Eine festliche Eingangsfanfare eröffnet das Werk. Über vier plus erweitert weitere fünf Takte verspricht die Eröffnung Spannendes. 

Da es auch um ein Sternbild geht, habe ich mich bei der Einleitung von Star Wars inspirieren lassen und das Stück beginnt mit einem kräftigen forte-Akkord. Dieser erste Ton ist besonders, weil alle den Grundton spielen, außer Trompeten und Posaunen/Bariton. Er sollte im Übrigen nicht zu kurz gespielt werden.

Der Abschnitt A, über vier mal vier Takte, spielt mit der Motivik und baut Spannung auf. Mit einem relativ langsamen ›maestoso‹ werden Fragmente vom Hauptthema vorgestellt. Wichtig ist, dass die Noten majestätisch klingen und somit nicht zu kurz gespielt werden. Von Takt 7 bis 9 kommt taktweise dreimal das gleiche Motiv. Hier ist auf den Aufbau zu achten. Von Thomas Doss habe ich gelernt, dass Wiederholungen gut sind, aber nie ganz gleich klingen sollen.

Darum ändert sich hier bei jedem Takt die Instrumentation. Auch Beethoven war dies immer besonders wichtig. In Takt 10 bis 13 ändert sich die Stimmung, und alles wird ein wenig leichter. Schnelle Figuren im Glockenspiel und im hohen Holz symbolisieren das Glitzern der Sterne. Auch die Melodie im tiefen Blech soll leicht und ruhig klingen. Hier bitte definitiv keine Artikulation im übertriebenen marcato. Von Takt 14 bis B kommt es zu einem drängenden fanfarenartigen Aufbau (stringendo). Die Harmonik ist sehr instabil und man ahnt, es kommt etwas.

Ein munteres Allegro

Ab B schließt sich, nach kurzer Fermate (Dominantseptakkord), ein munteres Allegro nahtlos an. Zunächst wird über vier Takte ein “Leichtigkeit versprühender”, aber gleichzeitig auch vorantreibender Grundrhythmus etabliert. Ab C stellt eine Soloklarinette das quirlige Hauptmotiv vor.

Anstatt eines Schlussakkordes kommt ein übermütiges Thema. Es beschreibt, wie sich das junge Pferd und der Held Bellerophon kennenlernen. Schnell und ungestüm galoppieren sie bald davon. Für die Einleitung vor dem Hauptthema habe ich in Takt 22 bis Takt 25 Motive gewählt, die sich sowohl als Einleitung eignen, aber auch beim Hauptthema als Gegenmelodie verwendet werden können. Das Thema spielt eine Soloklarinette. Es soll übermütig gespielt werden.

Durch das ganze Stück kommt immer wieder diese kleine Figur mit den drei aufwärtsgehenden Tönen vor. Sie steht für das ›energische‹, das von diesem Pferd ausgeht. Beim ersten Ritt soll man natürlich die Pferdehufe hören. Man kann das auf Tempelblöcken spielen oder auch mit Kokosnusshälften. Allerdings wäre es wichtig, dass man diese auf zwei Platten spielt, weil sich das sonst in diesem Tempo nicht ausgeht. Wenn man Pferde beobachtet, bemerkt man, dass es eh nur zwei verschiedene Rhythmen gibt: entweder nur Achtel oder jeweils eine Achtel mit zwei Sechzehntel.

Trompeten nehmen neuen Anlauf

Vier Takte vor D nehmen überleitend die Trompeten neuen Anlauf und in der Folge wird der bislang bestimmende Grundgedanke wohlsortiert und wohldosiert durchgeführt. Die grundsätzlich gut gefüllte Partitur lässt hier und da immer wieder kleine Lücken, die das Geschehen, gut durchdacht instrumentiert, immer transparent erscheinen lassen.

Einige fanfarenartige Einwürfe (Takt 34 und 35) leiten dann zur Wiederholung vom Hauptthema über. Im Takt 36 kommt es zur Verdichtung der Trompeteneinwürfe. Bei D wird das Hauptthema wiederholt. In den Saxofonen, den Hörnern und im Bariton wird das zuvor gehörte Einleitungsmotiv (B) als Gegenmelodie verwendet. Auffallend ist auch die Tonleiter, die in der 3. Klarinette und in der Posaune nach unten führt. In E nuanciert sich dieses Hauptthema mit doppelten Notenwerten. Die eigentliche Basis des Gedankens fällt so augenscheinlich gar nicht so sehr ins Gewicht, aber dieser Effekt verleiht dem nun nuancierten Melodiezug eine sehr vertraute Note. Dieser Teil soll erhaben und majestätisch klingen. Bei der Wiederholung in F kommen freudesprühende Ostinati im hohen Holz dazu.

Am Boden

Wir befinden uns noch “am Boden”, aber Pegasus hat schon ordentlich Fahrt aufgenommen. Ab G liegt ein Flirren in der Luft. Triolen bewegen sich gegen Achtel, im Gegensatz zu bisher Achtel-Sechzehntel-dominierten Bewegungen. Sie verbreiten eine neue Stimmung. Die vermeintliche Beruhigung ob des nun unaufgeregteren Schlagwerks verliert aber nicht an Energie. Noch ein letztes “Abdrücken”, kurz die Tonart Richtung F wechseln, und die Musik beginnt in den Farben des hohen Holzes zu “fliegen”. Die Partitur bietet an, “meno mosso”, den Flug durchaus ein wenig verhalten zu beginnen.

Als Vorbereitung für den ersten Flug in G hört man eben noch den Galopp, das Pferd nimmt Anlauf, Fragmente mit rhythmischen Verschiebungen (Triole gegen Achteln im Holz) deuten auf Unsicherheit hin und symbolisieren das Flügelschlagen. Wieder ist hier die Harmonik sehr instabil. Beim Auftakt zu 74 steigt die Melodie hinauf, und das Pferd fliegt. H wird sehr unterschiedlich interpretiert und oft gerne langsamer gespielt, was musikalisch Sinn ergibt. Ich habe mich hier dennoch gerne auch einmal für ein schnelleres Tempo entschieden, weil es um den ersten Flug geht.

Eine Gegenmelodie in den Flöten soll das Vogelgezwitscher von vorbeifliegenden Vögeln darstellen. In Takt 84 habe ich ein zweitaktiges Motiv eingebaut (Flöte, Klarinette). Da es durch seine Chromatik eine starke Wirkung und es mir gut gefallen hat, kommt es in veränderter Form später immer wieder mal vor. Dieses Flugthema wird wiederholt (Takt 93). Hier ist auffallend, dass die Melodie zuerst in den hohen Stimmen (Trompeten/Klarinetten) präsentiert und dann fugenähnlich imitiert wird. Im zweiten Takt in den Mittelstimmen (Horn, Sax) und im dritten Takt in den Posaunen.

Pegasus schraubt sich höher und höher

Ab I, nun in As-Dur angekommen, sind wir definitiv im vollen Fluge. Pegasus schraubt sich, ohne Härten, höher und höher. Die Dynamik unterstützt dies bestimmt, aber unaufdringlich. Farbige Akkorde formen dazu strahlende Klänge. Wir erreichen bald ein neues Milieu. Die Wendungen rund um die kurze Fermate in Takt 106 kündigen es an. Wir nähern uns dem Sternenbild.

Bei Takt 109 spielen die Klarinetten einen sanften Übergang in den langsamen, sphärischen Teil. Hier soll jede Note ausgekostet und sehr breit gespielt werden. Bei J spielen die Flöten Liegetöne im Quintabstand, und die gedämpften Trompeten und Posaunen setzen versetzt ein. Die unterschiedlichen Einsätze lassen das Motiv von Beginn (Takt 22) erahnen und münden in einem Cluster-Akkord. Das Ende der Klarinettenmelodie und auch die Bassnote helfen im Anschluss den Sängern, den Pedalton zu singen. Idealerweise singen alle Musizierenden in einer angenehmen Lage das ›as‹.

Am besten klingt es, wenn Männer und Frauenstimmen gleichmäßig verteilt sind. Das ›Ah‹ soll ›staunend‹ gesungen werden. Die Musiker gerne darauf hinweisen, dass das gut gelingt mit lockerem Kiefer und großen, staunenden Augen. Erneut klingt in der ersten Flöte das Motiv von Takt 22, allerdings ruhig und nicht mehr so energisch. Harmonisch wird es aber weiterentwickelt und zwei Takte vor K übernimmt das Solo-Horn. In K spielt das Horn eine Variation der Pegasus-Melodie. Flöte und Oboe übernehmen diese Melodie. Sie werden von jazzigen ›Major7‹ oder ›Major7/9‹ Akkorden begleitet. Die Tremoli in den Klarinetten und im Altsaxofon machen diesen Teil noch sphärischer. Ungewöhnliche Akkordwendungen im Takt 136 und 137 bauen sich zum Höhepunkt in Takt 138 auf. Man spürt, es passiert etwas Großartiges: Zeus verewigt Pegasus als Sternbild. Akkorde im Abstand eines Tritonus erklingen.

Ausgangstonart B-Dur

Seit Buchstabe K, dem Hornsolo, sind wir grundsätzlich übrigens wieder in der Ausgangstonart B-Dur angekommen. Bis hierhin stellen wir nun zwischenresümierend fest, dass das Werk sich, wie eingangs angemerkt, voll im angestrebten »Bauplan« befindet. Die ordnenden »Leitplanken« wurden mit musikalischen Ideen gefüllt. Sie erzählen nachvollziehbar eine spannende Geschichte, die bis hierhin im ruhigen Mittelteil einen berührenden Höhepunkt gefunden hat. Nun gilt es den Weg zurück zur Coda zu finden, um Pegasus vielleicht noch mal frisch aufgaloppieren zu lassen.

Im Takt 142 leitet die Pauke zu einem neuen, schnelleren Tempo über. In L erklingen lebhafte Viertel zum ›übermütigen‹ Motiv von Takt 22. Dieses wird sequenziert und erklingt im Takt 150 eine Terz höher und etwas abgewandelt. Pegasus schüttelt sich noch ein wenig. Wieder festen Boden unter den Hufen tollt er anscheinend zunächst ein wenig verspielt und freudig umher. 

In M, begleitet von einer vorantreibenden Hi-Hat, erklingen wieder die ersten beiden Takte der ›Pegasus-Melodie‹. Die führen nun aber unerwarteterweise in die Subdominante der Subdominante (Takt 160). In der Wiederholung landen sie als Überraschung in der Doppeldominante (Takt 164). In Takt 166 wird Spannung aufgebaut, sie löst sich jedoch nicht auf, sondern landet wieder im piano (169). Das Motiv von 22 erscheint nun rhythmisch variiert und wird als rhythmisches Ostinato mehrmals hintereinander verwendet.

Pegasus ist wieder auf Kurs

Ab N geht es dann, »jubiloso«, in die Coda. Pegasus ist wieder auf Kurs und stürmt in die Welt. Aber durchaus achtsam und kontrolliert. In O, maestoso, legt er noch einmal eine kleine Verschnaufpause ein, bevor er sich zielstrebig und zügig weiter in die Ferne begibt. Mit einem letzten persönlichen Gruß, einem »Wiehern«, verlässt er augenzwinkernd die Szenerie. 

Schließlich wird ab Takt 179, mit dem energischen Auftakt in den Klarinetten, die Nebenmelodie wiederholt. Ähnlich wie bei einer klassischen Sinfonie erscheint nun der Nebensatz bei der Wiederholung nicht auf der 5. Stufe, sondern in der Grundtonart. Nach diesem ›jubiloso‹ kommt es noch einmal zu einem ›maestoso‹, welches auch am Beginn des Stückes zu hören war. Obwohl nun ein grandioser Schluss erwartet wird, kommt es noch einmal zu einem schnellen Teil, bei dem Fragmente der Pegasus-Melodie nacheinander, und später auch kontrapunktisch, eingesetzt werden. Ganz am Schluss ein Effekt, der hier und da immer wieder einmal gerne in Orchesterstücken angewendet wird. Genau genommen habe ich ihn in der Bigband kennengelernt. Ein Solotrompeter soll und kann nämlich ›wiehern‹. Ich habe einige Trompeter gefragt, und mit ihnen auch experimentiert. Dieser Effekt kommt im Jazz öfters vor. Es gibt auch Youtube-Videos, in denen diese Technik genau beschrieben wird.

Die Instrumentierung 

Pegasus

Florian Moitzi hat schon ein gut ausgebautes Orchester vor Ohren. Das komplette Holz ist aufgerufen, Trompeten und Flügelhörner sind differenziert eingesetzt, im tiefen Blech und im Schlagwerk fehlt auch nichts. Wohl dem internationalen Sprachgebrauch folgend, weist er eine Eufonium-1/2-Stimme aus.

“Stichnoten” sind grundsätzlich eher nicht so sein Fall – sieht man von der solistischen Oboen-Stelle Takt 129 (auch in der Pikkolo-Flöte abgebildet) einmal ab. Hier und da helfen ganz natürlich kleine Dopplungen, aber das funktioniert definitiv nicht immer. Manche Klangbilder entfalten ihren Reiz eben nur in der angebotenen Besetzung.

Jede Instrumentengruppe bekommt gut verteilt ihre dankbaren Aufgaben. Durchweg sind diese sicherlich anspruchsvoll, aber, gemäß seines Anspruch ein durchaus gehobenes Konzertierangebot zu machen, in allen Belangen lösbar. Moitzi versteht es, Elemente einzusetzen, die Musikerinnen und Musiker anregen, herausfordern und erfreuen.

Fazit 

Es sollte jedem Orchester viel Freude bereiten, mit Pegasus auf die Reise zu gehen. Eine gute Anmoderation im Konzert ist sicher empfehlenswert. Sie verhilft dem Publikum den recht umfangreichen Gedankengängen, zusätzlich zu »klingt schön und aufregend«, auch im Sinne der real angedachten Geschichte auf die Spur zu kommen. Dem Orchester sollte zu jeder Zeit klar sein, was es gerade vertont. Das erhöht nicht nur die persönliche Identifikation mit der eigenen Orchesterstimme, es schafft viel wichtiger noch die Grundlage dafür, sich in das Gesamtbild einzuordnen und für alle den Verlauf der Reise schlüssig und zusammenhängend darzustellen.