Der Trompeter Mario Rom, die Saxofonistin Nicole Johänntgen, die Klarinettistin Rebecca Trescher, der Saxofonist und Klarinettist Engelbert Wrobel – und viele andere mehr. Der Kemptener Jazzfrühling (noch bis 5. Mai) hat Bläserfans eine Menge zu bieten.
Darauf können die Macher wirklich stolz sein: Seit vier Jahrzehnten schon gibt es den Kemptener Jazzfrühling. Nur ein einziges Mal in dieser ganzen Zeit, nämlich 2020, im ersten Corona-Jahr, musste er ausfallen – im Folgejahr konnte er immerhin als Streaming-Festival stattfinden. Viele große nationale und internationale Künstler und Künstlerinnen des Jazz sind über die Jahre in der 70 000-Seelen-Stadt im Allgäu aufgetreten. Josef Ego, einer der Hauptverantwortlichen des Festivals, erinnert sich besonders gerne an die Konzerte der Sängerin Dee Dee Bridgewater, des Andromeda Mega Express Orchestra aus Berlin oder der HR Bigband unter der Leitung von Jim McNeely. Highlights waren für ihn auch das Trio des Bassisten Avishai Cohen, die Solo-Auftritte von Evan Parker (Sopransaxofon) und Conny Bauer (Posaune), die Konzerte von Albert Mangelsdorff, Oliver Lake oder Marius Neset. Im letzten Jahr kamen rund 5500 Besucher zu den Konzerten des Jazzfrühlings.
Josef Ego gehört seit 1992 zu den Verantwortlichen. »Über viele Jahre bestand das Programm vor allem aus traditionellem Jazz«, sagt er. »Ich kam dazu, weil ich zwei Konzerte eigenständig mit Modern Jazz durchführte – er fehlte mir einfach. Wir hatten das Ziel, eine andere Kultur ins Allgäu zu bringen – zur Horizonterweiterung und um den Menschen (und uns selbst) eine Freude zu bereiten.« Im Kleinkunstverein Klecks, der das Festival und manches mehr im Lauf des Jahres organisiert, arbeitet Ego rein ehrenamtlich. Rund 50 Personen kümmern sich um die Organisation und Durchführung des Jazzfrühlings. Finanzielle Unterstützung kommt von lokalen Sponsoren, der Stadt Kempten und diversen Förderungen.
Dieses Jahr werden es etwa 40 Veranstaltungen beim Jazzfrühling sein
Dieses Jahr (2024) werden es etwa 40 Veranstaltungen sein, verteilt auf rund ein Dutzend Spielorte. Im großen Saal des Stadttheaters finden die Hauptkonzerte mit den großen Namen statt. Im TheaterOben (im 1. Stock des Theaters) gibt es den zeitgenössischen Jazz, im Lokal »Zum Stift« dagegen die traditionelleren Spielarten wie Dixieland, Swing und Blues. Das Programm in der Kulturwirtschaft in der Allgäuhalle ist dieses Jahr ausschließlich weiblichen Bandleadern vorbehalten (»Women in Jazz«). Im Künstlerhaus geht es bei der »KlecksNacht« ab 21 Uhr auch einmal »über die Grenzen des Jazz hinaus«. Und eine alpine Lokalität darf im Allgäu natürlich nicht fehlen: die Alpe Müllers Berg.
»Unsere Absicht ist es, den Jazz in seiner Gesamheit abzubilden«, sagt Josef Ego. »Doch allzu viel Elektronik oder auch die ganz frei improvisierte Musik kommen so gut wie nicht vor. Das liegt auch daran, dass ich und meine Kollegen und Kolleginnen den Swing und Groove des Jazz brauchen wie die Luft zum Atmen. Das ist das Element, das die Emotionen am meisten flirren lässt.« Das Kemptener Festival scheut auch nicht die frische Frühlingsluft, sondern verwandelt sich zuweilen zu einem kleinen Straßen- und Volksfest. Dieses Jahr steigen die Eröffnung (am Samstag, 27. April) und die Jazznacht (am Freitag, 3. Mai) in der schönen Kemptener Innenstadt – unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt. Weitere kleine Festival-Akzente setzen der Auftritt der Bigband der örtlichen Musikschule, der Festival-Wettbewerb und das abschließende Jazzkonzert für Kinder (am Sonntag, 05. Mai).
“Unserer Gesellschaft würde mehr Jazz gut tun”
Josef Ego findet, dass unserer Gesellschaft »mehr Jazz« sehr gut tun würde – als Musik und als Haltung. »Als Musik: weil Jazz Offenheit bietet und fordert, weil Jazz innere Schwingungen und Bewegung erzeugt, und zwar fließend und geschmeidig, weil Jazz Spannung generiert und nicht immer erwartbare Lösungen gibt, weil Jazz energetisch ist, weil Jazz Ungehörtes und Unerhörtes zu Tage fördert, weil Jazz Seelen verbindet und damit eine soziale und integrierende Wirkung hat. Und als Haltung: weil Improvisation Spontaneität benötigt und sehr gutes Handwerk, weil Mut dazugehört, wenn man nicht alles vorher festlegt, weil es Standhaftigkeit und Präsenz bedarf, um nicht mit der Masse zu marschieren, weil Jazz immer wieder Aufbruch bedeutet, weil seine Intensität Leben impliziert.« Dem ist wenig hinzuzufügen.
In jedem Fall darf man sich beim Jazzfrühling 2024 auf viele interessante Konzerte freuen, nicht zuletzt auf etliche bläserische Leckerbissen. Zwei ganz besondere »Brassbands« sind schon bei der Open-Air-Eröffnung dabei. Da ist einerseits das bayerische Landes-Jugendjazzorchester unter der Leitung von Harald Rüschenbaum, das Bigband-Highlights von Ellington, Basie, Thad Jones, Peter Herbolzheimer und Maria Schneider im Programm hat.
Da ist andererseits die multikulturelle Unterbiberger Hofmusik mit ihren sechs Blechbläsern rund um Franz Josef Himpsl sr. (Trompete). Gleich zwei Konzerte gibt der Swing-Klarinettist und -Saxofonist Engelbert Wrobel mit seinem schlagzeuglosen Quartett mit vierhändig besetztem Klavier. Der österreichische Ausnahme-Trompeter Mario Rom (Shake Stew) präsentiert sein Trio Interzone, die armenische Trompeterin Angela Avetysian (Jazzrausch Bigband) ihr eigenes Quartett mit dem Pianisten Misha Antonov. Die Klarinettistin Rebecca Trescher wiederum stellt ihr ungewöhnliches Tentett vor – mit vier weiteren blasenden Kollegen dabei. Und die Saxofonistin Nicole Johänntgen lässt sich oben auf der Alpe mittags nur von Tuba und Percussion begleiten.
Kaum ein Act kommt ohne Bläserstimmen aus
Und das ist noch bei weitem nicht alles. Der Saxofonist WEBSTER erforscht mit seiner Band (inklusive Trompeter) die Grenzen des Jazz zum Hip-Hop. Der Saxofonist (und Flötist, Klarinettist, Harfenist) Anton Mangold ist nicht nur bei Rebecca Trescher zu hören, sondern auch im Quartett der Pianistin Shuteen Erdenebaatar. Andreas Unterreiner bläst Trompete bei Magnus Dauner, Moritz Stahl das Saxofon bei Samuel Wootton, Achim Rinderle Saxofon und Klarinette im Quartett 4Bitte. Auch das Auwald Swingtett (mit Hugo Siegmeth und Marcus Compostella), das NuHussel Orchestra und natürlich der kubanische Meisterpianist Roberto Fonseca kommen nicht ohne Bläserstimmen aus. Erstklassig besetzt ist die Dixieland-bewährte Allotria Jazzband, die gleich zweimal auftritt – mit den Bläsern Rainer Sander, Colin T. Dawson, Andrey Lobanov und Mathias Götz. Und auch bei den Young Isar Stormpers, einer Münchner Studentenband, sind mindestens drei Bläser dabei. Einziger Wermutstropfen: Viele Konzerte finden gleichzeitig mit anderen statt. Da hat man die Qual der Wahl.