Orchestra | Von Mona Köppen

Mentaltraining to go. Mona Köppen über online

Mentaltraining

Als im März 2020 der Lockdown beschlossen wurde, war man sich eigentlich sicher, dass “der Spuk” recht schnell vorbei sein würde. Das ist jetzt zwei Jahre her. Noch immer leiden Kunst und Kultur unter dem Virus und den Maßnahmen, diesen einzudämmen. Auch Mentaltrainerin Mona Köppen hätte nie gedacht, dass die Pandemie so lange dauern würde. Wie sie reagiert, ihr Coaching umgestellt, Mentaltraining für sich “online” entdeckt hat, beschreibt sie in diesem Beitrag.

Wenn mich vor März 2020 jemand gefragt hätte, ob ich mir vorstellen könnte, mein Eins-zu-Eins-Training online abzuhalten, hätte ich ganz klar verneint. So weit weg war diese Möglichkeit von mir… Online arbeiten: Rein theoretisch eine nette Idee, aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich machbar, umsetzbar – und auch nicht gefragt. Klar, ich ­hatte hier und da mal kleine Nachbetreuungen per Skype, doch die waren wirklich eher selten. Oft scheiterte es schon an den technischen Voraussetzungen. Ich hatte weder eine Vorstellung noch ein Konzept, wie so etwas möglich sein sollte.

Als dann der Lockdown kam, war bei mir erst einmal: nichts. Von jetzt auf gleich wurde alles auf Null heruntergefahren – wie bei allen anderen auch. Es war ein Schock. Ich war in meiner Arbeit doch auf den persönlichen Kontakt angewiesen! Allmählich aber kam der Kampfgeist in mir zum Vorschein: “Okay, was kann ich stattdessen tun?” Ich fing an, mich mit dem Thema Online-Arbeit auseinanderzusetzen.

Ich führte Vor- und Nachteile auf und stellte mir Fragen: 

  • Kann ich meine Trainings tatsächlich eins zu eins auf online übertragen? 
  • Was braucht mein Gegenüber? 
  • Was brauche ich – an technischen und auch inhaltlichen Vorraussetzungen?
  • Will ich den ganzen Tag am Rechner sitzen? 
  • Lohnt sich der Aufwand oder ist die Pandemie ohnehin in vier Wochen vorbei?

Online oder analog? Es blieb keine Wahl…

Am Ende des Tages blieb mir keine Wahl. Ich befreite mich selbst von Blockaden, schulte mich inhaltlich und technisch – und fing einfach an und machte! Wobei sich das “einfach” dann doch als Herausforderung entpuppte. Mit eher durchwachsenen Erfahrungen startete ich die ersten Eins-zu-Eins-Trainings und -Workshops online. 

Stück für Stück lernte ich und lerne natürlich heute noch. Was geht online? Was geht sogar besser, was lässt man besser weg? Wie ticken die Teilnehmenden? Kann ich online überhaupt ein wirkliches Miteinander aufbauen? Es ist – das kann ich für mich definitiv sagen – eine komplett andere Arbeitswelt.

Das Eins-zu-Eins-Mentaltraining hat von Anfang an sehr gut funktioniert. Technische Herausforderungen waren natürlich zu meistern, aber – auch wenn ich es fast nicht zu schreiben wage – online funktioniert mindestens genauso gut wie Präsenz, wenn nicht sogar besser.

Der virtuelle Raum hat im Einzeltraining eine enorme Intimität. Jeder ist sozusagen in seinem geschützten Bereich und trotzdem ist man sich sehr nahe. Ich erkenne Stressmarker online genauso gut. Ich erkenne unbewusst gezeigte Emotionen (Mikroexpressionen), veränderte Körperphysiologien wie schnelleres Blinzeln, vermehrtes Schlucken, Erröten, verändertes Atmen. Auch die Körperhaltung ist sehr gut zu erkennen.

Klare Vorteile des digitalen Einzeltrainings

Klare Vorteile des digitalen Einzeltrainings sind: man muss keinen Raum suchen, hat keine Fahrtzeit, ist zeitlich total flexibel und spontan. Musikerinnen und Musiker bekommen von überall auf der Welt einen Support, etwa ein gemeinsames mentales Warm-up vor dem Auftritt oder dem Probespiel. Das alles sind unschlagbare Argumente. Dieses “Mental­training to go” ist ein echter Zugewinn für mein berufliches Dasein.

Nichtsdestotrotz liebe ich den Kontakt “in echt” und vor Ort, wenn es sich ergibt. Musikerinnen und Musiker aber sind nun einmal auf der ganzen Welt verstreut – und das war vor Co­rona tatsächlich teilweise ein Problem. Heute habe ich an einem Tag Trainings quer durch Europa. Diese Trainings können morgens stattfinden, kurz vor dem Auftritt, in einer Mittagspause oder zwischen den Proben – vor allem, wenn ganz konkret “Not am Mann” ist. Wie wunderbar ist das bitte? Ich bin da sehr dankbar. Wenn wir immer noch oder wieder Abstand halten müssen – in diesem Fall hat sich die Welt für mich weiter geöffnet.

Gruppentraining ist schwieriger

Im Bereich der Gruppenworkshops oder Ausbildungen bin ich noch eher im “Entwicklungs-Prozess”. Online mit Gruppen zu arbeiten ist komplett anders als im Einzeltraining. 

Ich hatte beispielsweise ganze Orchester mit über 55 Mit­gliedern, die online an einem Mimikresonanz-Workshop teilgenommen haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 18 bis 80 Jahren waren mit Enthusiasmus dabei, es war so homogen und bereichernd. Das war ein großartiges Arbeiten. Aber ich hatte auch Gruppen, die viel kleiner waren und mit denen keine wirklich gute Gruppenenergie aufkam. 

Online

Die Schwierigkeiten kommen eher bei “gemischten Gruppen” zum Vorschein. Es ist eine Herausforderung, online eine gute Gruppendynamik hinzubekommen. Wenn man sich nicht kennt, fragt man weniger, auch die Pausengespräche fallen weitgehend weg. Jeder ist da so in seiner “Kachel”. Das, was in einem echten Raum “dazwischen” passiert, fehlt online. 

Wie verhält man sich im Online-Modus? Eine “Online-Etikette” muss erst noch etabliert werden. Was ich damit meine? Studien belegen, dass die Empathie über den Bildschirm um bis zu 50 Prozent sinkt. Ich muss also umso mehr aufpassen, mein Gegenüber wahrzunehmen und seine Bedürfnisse zu erkennen. 

Im Gruppenworkshop schaut man in viele kleine Kacheln. Es ist erstaunlicherweise so, dass die meisten sich in ihren Kacheln auch unbeobachtet fühlen. Manche essen, manche liegen auf dem Sofa, tippen auf dem Handy, telefonieren. Viele haben ihr Video auch gar nicht erst eingeschaltet. Hinzu kommt, dass manche Plattformen es nur erlauben, dass man nacheinander spricht. Das alles sind Situationen, die wir “in echt” nicht kennen. 

Es ist nicht einfach, im Mentaltraining “online” den Fokus zu halten

Nicht ganz einfach ist es, den Fokus zu halten, wenn man zahlreiche Kacheln vor sich hat. Man spricht oder sieht nie ­jemanden direkt an. In einem Raum, in dem sich alle Teilnehmenden begegnen, ist die Aufmerksamkeit in der Regel auf die Vortragende bzw. den Vortragenden gerichtet. Ich habe gelernt: Wenn man am Anfang darüber spricht, darum bittet, dass etwa die Videos angeschaltet bleiben, da man “in echt” ja auch keinen Sack über dem Kopf hat, klappt das auch. Man muss die Problematik ansprechen, dass es schwierig ist, wenn man in schwarze Kacheln spricht. Auch die verbale Rückmeldung fehlt meist, da die Mikrofone in der Regel stummgeschaltet sind. Man spricht gegen einen stummen Bildschirm. Wer das schon mal gemacht hat, weiß, wie unangenehm und ungewohnt das erst einmal ist. 

Aber auch in den Gruppenworkshops liegen die Vorteile auf der Hand: die zeitliche und lokale Flexibilität. Die Inhalte jedoch müssen für “online” angepasst werden. Was “in echt” funktioniert, ist im Online-Modus nicht immer gut machbar. Online braucht es ein anderes Arbeiten. Online braucht Interaktion, Breakout-Sessions (kleine Gruppenübungen in verschiedenen virtuellen Räumen), kleine Spiele, Videos – und bitte: bloß keinen abgelesenen PowerPoint-Vortrag!

Nach zwei Jahren kann ich sagen: Einzelcoachings sind online sehr gut machbar. Gruppenworkshops auch, doch mag ich sie eher analog und in Präsenz. Aus jeder Krise kann etwas ­Neues entstehen. Man muss sich dem öffnen. Ich bin auch ein Stück weit stolz, mir diese Online-Welt zu eigen gemacht zu haben – und immer noch mache. Online ist nicht besser oder schlechter, aber eben anders. Durch das “Mentaltraining to go” kann ich viel schneller mit Musikerinnen und Musikern auf der ganzen Welt arbeiten. Das ist für mich einfach nur wunderbar!

www.ichbinmusik-akademie.de

Sie haben auch Erfahrungen in der Umstellung auf “Online”? Sie wollen diese teilen? Dann schreiben Sie Chefredakteur klaus.haertel(at)dvo-verlag.de