Orchestra | Von Alexandra Link

Österreichisches Blasmusikforum in Ossiach

Ossiach
Foto: Rainer Schabereiter

Vier Tage voll mit Musik, Austausch und Fachsimpeln. Expertinnen und Experten unter sich. Alle mit der gleichen Leidenschaft: für die Blasmusik. Mit dem Österreichischen Blasmusik­forum in Ossiach hat der Österreichische Blasmusikverband ÖBV eine wertvolle Veranstaltung geschaffen, die zwar der Fortbildung der Dirigentinnen und Dirigenten dienen soll, aber weit mehr als das ist. 

Das Österreichische Blasmusikforum bestand in diesem Jahr aus den drei Säulen Praxiskurs Dirigieren, Workshops und Jurorentagung. Der Schwerpunkt lag auf dem Thema Unterhaltungsmusik für Blasorchester, dieses wurde jedoch auch mit anderen Angeboten ergänzt.

Sieben ausgewählte Dirigentinnen und Dirigenten

Bereits am Sonntagvormittag trafen sich die sieben ausgewählten Dirigentinnen und Dirigenten Kathrin Weinberger (Kärnten), Daniel Steixner (Tirol), Martin Rauter (Kärnten), Erwin Probst (Tirol), Günther Binggl (Salzburg), Samuel Ober­egger (Südtirol) und René Mathis (Liechtenstein) mit ihrem Dozenten Martin A. Fuchsberger zum ersten Unterricht mit Klavier. Im Verlauf des Blasmusikforums stand für den Unterricht die Militärmusik Kärnten zur Verfügung. Höhepunkt der Veranstaltung war das Abschlusskonzert der Militärmusik Kärnten unter der Leitung der Praxisteilnehmer:innen.

Für die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer begann das Blasmusikforum Ossiach mit einer Podiumsdiskussion zum Thema “Moderne Unterhaltungsmusik im Blasorchester”. Stefanie Glabischnig, Moderatorin, Kulturmanagerin und Kapellmeisterin, leitete professionell und fachkundig die Diskussion mit den Experten Monika Ballwein (Sängerin, Vocalcoach, Songwriterin), Otto M. Schwarz, Oberst Dietmar Pranter (Militärkapellmeister Militärmusik Kärnten), Hans Lassnig Walder (Leiter, Arrangeur, Komponist für Jazz / Big Band) und Thomas Ludescher (Dirigent und Professor für Blasorchesterdirektion in Bozen).

Improvisation und Unterhaltungsmusik

Am Montagmorgen mussten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entscheiden, welche Veranstaltung sie besuchen. Im Barocksaal trafen sich einige, um von Referent Gert Kolaja etwas über das “Saxofon im Blasorchester” mit dem Schwerpunkt Unterhaltungsmusik zu erfahren. Anschließend fand der Workshop “Improvisation für Solisten im Blasorchester” mit Florian Klinger statt. Gleichzeitig konnte im Konzertsaal dem Unterricht des Praxiskurses Dirigieren mit der Militärmusik Kärnten und Dozent Martin A. Fuchsberger gelauscht werden. 

Am Nachmittag stellte Oberst Dietmar Pranter mit der Militärmusik Kärnten empfehlenswerte Unterhaltungsmusik für Blasorchester vor. Dabei handelte es sich um Werke, die die Militärmusik Kärnten in ihrem Programm hat.

Wie Funk mit einem Blasorchester richtig gespielt und korrekt geprobt wird erklärte Otto M. Schwarz anhand seines Werkes Funky Winds mit der Militärmusik Kärnten (“Funk ist kein Swing!”). Die Verbindung zwischen Schlag­zeuger und Dirigent muss stark sein. Er probte zunächst mit der Basis Horn, Posaune, Tuba, E-Bass und Schlagzeug die richtige Stilistik, die korrekte Artikulation und das Timing. Danach die “Mittelstimmen” mit Bariton und Fagott. Auf die Genauigkeit von Basis und Mittelstimmen baut dann die Melodie auf. “Wir brauchen im Untergrund Spannung, Intensität und volle Disziplin. Dann kann man den Groove auf zwei und vier körperlich spüren”, so Otto M. Schwarz. 

So groovt Wien!

Den Abend gestaltete die Polizeimusik Wien unter der Leitung von Herbert Klinger mit dem Motto “So groovt Wien” und einigen Überraschungen… Großartig: Gert Kolaja am Alt- und Sopran-Saxofon mit “SAXpack” von Otto M. Schwarz. Sehr witzig: Oberst Dietmar Pranter als Udo Jürgens mit Songs, die eigentlich jeder im Publikum mitsingen hätte können. Das Konzert: Unterhaltung, Spaß und Freude an der Musik pur! Die Polizeimusik Wien wurde bereits 1909 gegründet und ist somit eines der ältesten Polizeiorchester Europas. Dieses Alter hörte man dem Orchester nicht an. Ganz im Gegenteil: Es klang jung, frisch und groovy.

Blasmusikforum
Das Konzert der Polizeimusik Wien (Foto: Victoria Schwarz)

Der Dienstag in Ossiach begann für die Praxisteilnehmerinnen und -teilnehmer wieder mit Unterricht bei Martin A. Fuchsberger zunächst mit Klavier am Nachmittag wieder mit der Militärmusik Kärnten. Die meisten der rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich jedoch im Konzertsaal ein, in dem Otto M. Schwarz und die Polizeimusik Wien die Musik zu und den Film “Die Jungen von der Paulstraße” vorstellte. Otto M. Schwarz schrieb die Filmmusik zu diesem 90minütigen Film im Jahr 2004. Nun bereitete er die Musik so auf, dass sie von einem Blasorchester zum Film gespielt werden kann. 

Marketing im Blasorchester

Nach der Präsentation hielt Alexandra Link einen “Vortrag” über Marketing im Blasorchester. Im Austausch mit dem Publikum arbeitete sie gewisse Grundsätze des Marketings im Musikverein heraus. Zuerst wurden Argumente, die für unsere Blasorchester sprechen, gemeinsam zusammengetragen. Diese Argumente können in Werbebotschaften verpackt werden. Zweiter Aspekt des interaktiven Vortrags: “Das Produkt muss stimmen”. Und zwar in allen Bereichen: die Musik, die Organisation, die Jugendarbeit und das soziale Miteinander. Der vielfältige Marketing-Mix, den Musikvereine heute bedienen müssen sowie der Stellenwert der Musikvereins-Website rundeten die Session ab.

Von der (Amateur-)Dirigenten-Ausbildung in Zusammenarbeit mit den Landesmusikschulen in Österreich gibt es bahnbrechendes und richtungsweisendes zu berichten. Das Blasmusik­forum in Ossiach wurde auch dazu verwendet, den neu entstehenden Lehrplan des dreijährigen Lehrgangs »Ensembleleitung Blasorchester«, der demnächst österreichweit gelten wird, den anwesenden Kapellmeistern vorzustellen. Helmut Schmid, der Bundeskapellmeister, und einige Kollegen sind hier federführend zusammen mit der KOMU (=Kommission österreichischer Musikschulen) tätig. Nach der landesweiten Einführung wird dieses Ausbildungsmodell für Kapellmeister in Österreich das erste Land in Europa sein, das einen strukturierten dreijährigen Bildungsgang mit landesweiten Standards für diesen speziellen Bereich aufweisen kann. 

Musikalisches Speed-Dating

Nach dieser sehr interessanten Informationsveranstaltung hieß es: “Allegro con fuoco – das musikalische Speed-Dating©”. Die Moderation hatte Alexandra Link inne. Folgende Fragen wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert und bearbeitet: “Wann ist ein Blasorchester erfolgreich?”, “Was ich meiner Vorstandschaft schon längst mal sagen wollte”, “Was kann der ÖBV und was können die Musikkapellen für das positive Image der Blasmusik nach außen tun?”, und viele mehr. Zwei Stunden aktiver, themenbezogener fachlicher Austausch zwischen den Kapellmeistern zu den wichtigen Themen unseres Musikvereinsleben und unserer Blasorchester.

Mit Thomas Ludescher haben die anwesenden Kapellmeister einen Dirigentenworkshop erlebt, in dem es nicht darum gegangen ist, wie man ein Werk dirigiert, sondern wie der Dirigent ein Werk seinem Blasorchester beibringt und was er machen muss, um nachhaltig die Entwicklung in Klang und Zusammenspiel voranzubringen. Zuerst sprach Thomas Ludescher zur selbstverständlich gelebten Kultur im Blasorchester. Im Weiteren erzählte und erarbeitete Thomas Ludescher mit der Trachtenkapelle St. Urban viel Grundsätzliches.

Das “Netzwerk Juror:innen” tagte am Mittwochvormittag im Seminarraum Nord im Dachgeschoss des Stifts Ossiach. Parallel gab es im Barocksaal einen Workshop “Das Schlagwerk im Blasorchester” mit Dozent Stefan Lichtenegger und anschließend den Workshop “Grundlagen der Tontechnik für Blasorchesterkonzerte mit Fachleuten des ORF”. Und im Konzertsaal schließlich probte die Militärmusik mit den Praxisteil­nehmerinnen und -teilnehmern für das Abschlusskonzert am Nachmittag.

Österreichischer Blasmusikverband gut aufgestellt

Auch in Bezug auf Wertungsspiele, Wettbewerbe und die korrekte Bewertung ist der Österreichische Blasmusikverband mit dem Bundeskapellmeister Helmut Schmid, den beiden Stellvertretern Herbert Klinger und Thomas Ludescher gut aufgestellt. Im Netzwerk Juroren wurde zunächst in sechs Jury-Teams jeweils zwei Orchester (per Video) unabhängig voneinander bewertet. Am Mittwochvormittag fand dann die Auswertung dieser Übung statt. Jedes Team erläuterte seine Herangehensweise an die Bewertung und die jeweilige Wertigkeit der einzelnen Faktoren. Beispielsweise wurde diskutiert, welche Wertigkeit die musikalische Aussage gegenüber der technischen Ausführung hat. Das Ziel der Treffen der Jurorinnen und Juroren ist die Erstellung eines Leitfadens für Jurorenteams. Jede der sechs Arbeitsgruppen hatte schriftlich drei Arbeitsgebiete zu erarbeiten: Einmal zur Erarbeitung des Leitfadens zur Jurytätigkeit, einmal über die weitere Gestaltung des Netzwerkes und für den Leitfaden für Jury-Vorsitzende.

Mit dem Abschlusskonzert mit der Militärmusik Kärnten unter der Leitung der Dirigentinnen und Dirigenten des Praxiskurses ging das Blasmusik-Forum des Österreichischen Blasmusikverbandes zu Ende. 

Blasmusikforum
Die ausgewählten Dirigenten mit den Dozenten und Organisatoren des Österreichischen Blasmusikforums in der Carinthischen Musikakademie in Ossiach. (Foto: Schabereiter)

Das Fazit eines sichtlich zufriedenen Bundeskapellmeisters Helmut Schmid: “80 Kapellmeisterinnen und Kapellmeister, 40 Jurorinnen und Juroren, drei Orchester, also insgesamt 300 Personen haben sich mehrere Tage in Ossiach getroffen, um gemeinsam die Blasmusik in Österreich weiterzuentwickeln. Das Blasmusikforum ist für uns alle eine wichtige Plattform, um sich in einer guten Atmosphäre auszutauschen und über neue Möglichkeiten nachzudenken. Insofern sehen wir als ÖBV es als Auftrag an, ein bestmögliches Angebot zu schaffen und Gleichgesinnte zu vernetzen. Wir freuen uns schon auf 2024 mit einem Schwerpunkt Jugendarbeit und viel Praxis im Orchester!”