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Spitzenorchester haben bei Frauenanteil Nachholbedarf

In den 129 öffentlich finanzierten Orchestern in Deutschland sind durchschnittlich vier von zehn Pulten mit einer Frau besetzt, in den Stimmführer- und Solopositionen hoch dotierter Orchester hingegen nur halb so viele. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Erhebung, die das vom Deutschen Musikrat getragene Deutsche Musikinformationszentrum (miz) durchgeführt hat. Details präsentiert das miz auf einem Infografikposter zur Chancengleichheit in deutschen Berufsorchestern. Kooperationspartner sind die Deutsche Orchestervereinigung und der Deutsche Bühnenverein.

Die miz-Orchestererhebung “Am Pult der Zeit!?” zeigt erstmals, wie viele Männer und Frauen in deutschen Berufsorchestern in den einzelnen Stimmgruppen und auf welchen Positionen besetzt sind. Durchschnittlich sind 39,6 Prozent der Orchestermitglieder in deutschen Berufsorchestern weiblich. Mit steigendem Renommee des Orchesters und höherer Stimmposition wird zunehmend deutlich: In Spitzenorchestern ist der Anteil an Frauen in höheren Dienststellungen mit 21,9 Prozent besonders niedrig.

Stephan Schulmeistrat, Leiter des miz: “Differenzierte Daten zur Geschlechterverteilung in den öffentlich geförderten Orchestern, die auch die Dienststellungen berücksichtigen, haben lange gefehlt. Wir freuen uns, im engen Schulterschluss mit der Deutschen Orchestervereinigung und dem Deutschen Bühnenverein aktuelle und verlässliche Daten bereitstellen zu können, mit denen die Debatte um die Chancengleichheit von Frauen in Orchestern unterfüttert wird.”

Infografik als Poster erhältlich

Das gleichzeitig zur Erhebung veröffentlichte Poster zeigt eine detailreiche Infografik zur „Geschlechterverteilung in Berufsorchestern“. Die Poster, die als handlich gefaltete Variante mit Begleittexten und im großformatigen Qualitätsdruck zur Verfügung stehen, sind kostenlos erhältlich. Begleitend dazu veröffentlicht das miz unter www.miz.org/orchestererhebung ein vertiefendes Informationsangebot mit allen Kennzahlen der Untersuchung und Hinweisen zur Methodik sowie Interviews und weiteren Informationen zur Orchesterlandschaft in Deutschland.

Das Infografikposter setzt die miz-Reihe “Musikleben in Zahlen” fort, die im Dezember 2020 mit der Veröffentlichung “Bühne frei für Vielfalt! Opernrepertoire in Deutschland” ihren Anfang nahm. Das nächste Poster erscheint im Sommer 2021 zum Thema “Amateurmusizieren”. Es zeigt, wie viele Menschen in Deutschland in ihrer Freizeit musizieren, in welchen Kontexten sie dies tun und welche Instrumente sie am liebsten spielen.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • Im Jahr 2020 waren 9.884 Musiker:innen in den 129 öffentlich finanzierten Orchestern in Deutschland beschäftigt (Voll-/Teilzeit). Der Frauenanteil lag im Durchschnitt bei 39,6 Prozent.
  • 73 der 129 Orchester weisen einen überdurchschnittlichen Frauenanteil auf. Dies sind überwiegend Orchester mittlerer TVK-Gruppierung.
  • Die höchsten Frauenanteile gibt es bei den Harfen (93,7 Prozent, 118 von 126) und den Flöten (65,4 Prozent, 298 von 456), in der 2. Violine (62,6 Prozent, 889 von 1.421) und der 1. Violine (59,1 Prozent, 1.023 von 1.731).
  • Die höchsten Männeranteile finden sich bei der Tuba (98,1 Prozent, 103 von 105), der Posaune (96,5 Prozent, 443 von 459), der Pauke/Schlagwerk (95,4 Prozent, 417 von 437) und der Trompete (94,7 Prozent, 433 von 457).
  • In niedrigeren Dienststellungen wie Vorspieler:innen und im Tutti sind Frauen fast gleichauf mit ihren männlichen Kollegen, ihr Anteil liegt hier bei insgesamt 47,5 Prozent (2760 von 5814).
  • In höheren Dienststellungen wie Konzertmeister-, Stimmführer- und Solopositionen sind Frauen mit 28,4 Prozent unterrepräsentiert (1156 von 4070). Die höheren Dienststellungen werden überwiegend von Männern bekleidet; sie besetzen 71,6 Prozent dieser Positionen (2914 von 4070). In den 21 höchstdotierten Orchestern (über TVK-Gruppe A/F1) sind es sogar 78,1 Prozent (721 von 923).
  • In den Streichinstrumenten ist mit 49,6 Prozent jedes zweite Orchestermitglied eine Frau (2874 von 5800). Ihr Anteil an den höheren Dienststellungen ist mit 32,7 Prozent aber vergleichsweise gering (530 von 1619). Je niedriger die Dienststellung, desto höher der Frauenanteil, der im Tutti 57,5 Prozent beträgt (2086 von 3630).
  • Obwohl die 1. Violine insgesamt zu 59,1 Prozent weiblich besetzt ist, finden sich unter den 206 1. Konzertmeister:innen nur 62 Frauen (30,1 Prozent).