Wood | Von Klaus Härtel

Das digitale Saxofon YDS-150 von Yamaha

Digitales Saxofon
Foto: Yamaha Yamaha

Gibt es in der Musik etwas Analogeres als das Spielen eines Blasinstruments? Eigentlich nicht. Denn der Spieler ist doch der­jenige, der mit seinem Atem dem Instrument erst Leben einhaucht. Oder? Jetzt kommt das digitale Saxofon YDS-150 von ­Yamaha auf den Markt. Schöne neue Blasinstrumentenbauwelt? Wir haben es mal ausprobiert und uns umgehört. 

Optisch ist das Instrument ein Hingucker. Definitiv ein Saxofon. Die Klappen sind exakt so angeordnet wie auf dem Custom-Altsaxofon von Yamaha. Klappen, Korpus, Daumenhaken sind aus schwarzem Kunststoff gefertigt. Es ist mit knapp einem Kilogramm wesentlich leichter als vermutet. Trotzdem macht das Instrument einen sehr stabilen Eindruck. Das Schallstück ist aus Metall, was dem Instrument einen futuristischen Anstrich gibt. Im Schallbecher ist ein kleiner Plastikschlauch erkennbar, aus dem später beim Spielen das Kondenswasser tropfen wird. 

Die verbaute Technik kann man nur erahnen, weil auf der Rückseite die Knöpfe für das Einschalten, die Lautstärke und die Programmwahl angeordnet sind. Hier finden sich auch die Kopfhörerbuchse, der AUX- sowie der USB-Ausgang. Das Batteriefach hat Platz für vier AAA-Batterien. Auf dem Mundstück ist ein Kunststoffblatt mir einer Blattschraube befestigt.

Natürlich waren bei der Entwicklung dieses In­struments Ingenieure von der elektronischen Abteilung involviert, wie uns die Firma Yamaha bestätigt, doch “das YDS-150 ist eine Idee der Blasinstrumentenabteilung und wird auch über deren Kanäle promotet und verkauft”, erklärt Produktmanager Rolf Hinrichs.

Aus­packen, Batterien einlegen, einschalten, losspielen. Für das digitale Saxofon sind keine Vorkenntnisse notwendig

Die Handhabung ist wirklich kinderleicht. Aus­packen, Batterien einlegen, einschalten, losspielen. Es sind keine Vorkenntnisse notwendig. Wirklich jeder wird aus diesem Instrument einen Ton herausbekommen. Das YDS-150 zeichnet sich durch einfache Bedienbarkeit und logische Steuerung aus. Das macht den Start sehr angenehm. Musiker dürften vor dem Ausprobieren des Instruments trotzdem mit einer gesunden Portion Skepsis an die Sache heran­gehen. Aber sicherlich neugierig. Saxofonist Thorsten Skringer (Heavytones) sagt, er sei “vorsichtig opti­mistisch” gewesen, aber grundsätzlich “total euphorisch. Ich habe schon immer eine Affinität zu elektronischen Instrumenten, nur kam ich mit den Instrumenten, die es bisher gab, einfach nicht zurecht. Jetzt ist es anders, da man das YDS wirklich wie ein Saxofon spielen kann.”

Die Optik: eindeutig ein Saxofon. Mundstück, Schallbecher, Mechanik.

Ist das nun der Beginn des digitalen Bläserzeitalters? Sicher nicht, denn der liegt schon etwas länger zurück. Aus heiterem Himmel kommt solch ein digitales Saxofon nicht, denn die Firma Yamaha war mit den Blaswandlern WX-7, WX-11 und WX-5 bereits seit 1987 am Markt. Vor etwa zehn Jahren hat man aber das letzte Modell WX-5 aufgegeben. Diese Geräte waren eben keine Saxofone. Blaswandler waren einfach Geräte, mit denen man – kontrolliert durch Blasdruck, Zunge und Lippenspannung – auf MIDI-Tongeneratoren zugreifen konnten.

Das Saxofon stimmt lupenrein

Das YDS-150 wird ausgeliefert in einer Art “Werkseinstellung”. Der Blaswiderstand, “Key Response” und diverse andere Parameter sind in einem guten Verhältnis bereits justiert. “Intonation oder gar Probleme damit kommen nicht vor, da das Instrument lupenrein stimmt”, erklärt Thorsten Skringer. Und “mit dem Ansatz kann man nichts ‘kaputt’ machen”. Denn man braucht schlichtweg überhaupt keinen spezifischen Ansatz. Der Klang entsteht einfach nur durch den eingeblasenen Luftstrom. Der Mund und die ­Lippe haben überhaupt keinen Einfluss.

“Fort­geschrittene Saxofonisten werden im ersten Moment zucken”, gibt Produktmanager Rolf Hinrichs zu, weil sie vermissen, den Ton mit der Lippe steuern zu können. Die Intonation ist mit dem Mund nicht beeinflussbar, ein Bending ist nicht möglich. Zu hören ist das Instrument über die eingebauten Lautsprecher, die zwar nicht für die Bühne ausreichen dürften, aber deren Lautstärke gut einstellbar ist. Über Kopfhörer ist der Klang noch besser in Stereo wahrnehmbar. Und natürlich kann man das YDS-150 live on stage über eine große Anlage erklingen lassen.

Bläst man in das Mundstück, trifft die Luft auf den Sensor, beeinflusst damit Lautstärke und Artikulation. Hierbei kommt das frisch entwickelte und patentierte “Integrated Bell Acoustic System” (IBAS) zum Einsatz. Durch die akustische Röhre wird die Resonanz zwischen dem Lautsprecher und dem Schallbecher übertragen. Aus dem Schallbecher kommt allerdings kein Klang heraus. Die Vibrationen sind an Lippen und Fingerspitzen spürbar. Diese Fusion von Eigenschaften analoger und digitaler Blasinstrumente ist für das Spielgefühl positiv – und das ist neu.

Ein YDS – viele Instrumente

Der große Vorteil des YDS-150 ist sicherlich, dass es nicht nur ein Instrument ist. Klingt verwirrend. Ein YDS ist viele Instrumente – mit Klang vom Sopran- oder Tenorsaxofon klingt es in B, mit Alto- oder Baritonsax-Klang klingt es in Es. Und wenn andere Klänge (etwa Synthesizer-Klänge, Harmonika, Shakuhachi usw.) benutzt werden, klingt es in C. Das Instrument bietet die Möglichkeit, aus über 70 Instrumentenklängen auszuwählen und weitere Optionen zur Einstellung wie Lautstärke, Hall-Effekt und Griffweise über eine App zu steuern (die Bluetooth-Funktion ermöglicht es, das Instrument mit einem Smartphone oder Tablet zu koppeln).

Das Instrument zielt zuvorderst auf Einsteiger ab, die aus verschiedensten Gründen Scheu haben, ein “echtes” Saxofon zu kaufen. Weil eben Ansatzprobleme keine Rolle spielen – vielleicht hat der ein oder andere schon schlechte Erfahrungen mit der Tonerzeugung gemacht – kommt man schnell zu einem guten Ergebnis. Thorsten Skringer fügt an: “Für Musiker anderer Instrumente ist es das Instrument, um schnell zu guten Saxofon-Ergebnissen zu kommen.”

Mit dem digitalen Saxofon sofort loslegen

Rolf Hinrichs bestätigt: “Das YDS-150 soll natürlich nicht die ‘richtigen’ Saxofone verdrängen, sondern eher den Einstieg leichter machen. Während man am Anfang auf dem akustischen Instrument einige Zeit und Mühe aufbringen muss, um den Ansatz aufzubauen und die Kunst des Saxofon-­Blasens zu erlernen, kann man mit dem digitalen Saxofon sofort loslegen.” Man überbrücke die Phase, in der es noch nicht so gut klinge. “Die meisten Leute werden auch halbwegs richtig ansetzen und bemerken, dass sich eine gewisse Stabilität im Ansatz sowie der Atem- und Blas­vorgang automatisch entwickelt. Insofern schafft man Grundlagen für den Umstieg auf das analoge Saxofon.”

Das YDS kann dabei helfen, beispielsweise “auch mal” Baritonsaxofon zu spielen, ohne sich dieses Instrument gleich kaufen zu müssen. Zumal ein Baritonsaxofon mit einem Gewicht von knapp einem Kilogramm nicht zu bekommen ist. Für Profis, wirft Thorsten Skringer noch ein, “bietet das YDS die Möglichkeit, als MIDI-Controller zu fungieren, und dadurch erlaubt es schier unbegrenzte Möglichkeiten, auch im Bereich der Studioproduktion. Es wird bestimmt bei mir auch den ein oder anderen Slot geben, in dem ich es live einsetzen werde.”

Großes Plus: das leise Üben

Ein weiteres großes Plus – vielleicht das größte – ist die Möglichkeit, völlig ohne Geräusch zu üben. Man steckt einfach den Kopfhörer an und die Umwelt ist außen vor. Spätestens seit dem “Silent Brass” für Trompete war der Neidfaktor der Saxofonisten groß. “Auf Reisen, in Hotels, im Zug, am Strand – ich kann jederzeit silent üben”, jubelt Thorsten Skringer. Das YDS kann Amateuren wie Profis das lautlose Üben in ihren Stadtwohnungen ermöglichen. 

In Bigbands oder Blasorchestern sieht Thorsten Skringer das YDS-150 (noch) nicht. “Ich würde es aber wahnsinnig spannend finden, bei einem Konzert eines Saxofonquartetts eine Nummer auf vier YDS-Instrumenten zu hören.” (Ähnliches gibt’s schon.) In der Vergangenheit gab es in Pop- und Club-Musik viele Saxofon-Soli mit elektronisch veränderten, gesampelten Sounds. “Das muss nicht jedem gefallen, aber das ist das Spannende am Geschmack – jeder hat einen anderen!”

Gar keine Nachteile? “Ich bin zufrieden wie es ist”, meint Skringer. “Lediglich könnte man für die Zukunft ver­suchen, eine integrierte Akku-Lösung zu entwickeln.” Die aktuelle Version kann man natürlich auch mit aufladbaren Batterien betreiben, die man zum Laden entnehmen muss. Die Stromversorgung über den USB-Port (das USB-Kabel ist nicht im Lieferumfang enthalten) macht zwar die Batterien überflüssig, schränkt aber in der Bewegung ein. 

Bei Yamaha hofft man natürlich nicht, die analogen Saxofone zu ersetzen. Vielmehr ist ein Ziel, die Zahl der Menschen, die ein Blasinstrument erlernen, zu vergrößern. “Wir wollen einen barrierefreien Weg in die Welt der Blasinstrumente schaffen”, erklärt Produktmanager Rolf Hinrichs. “Dort angekommen, muss man ja auch nicht unbedingt beim Saxofon bleiben, selbst wenn das Griffsystem und die Spieltechnik nicht einfach auf andere Instrumente übertragen werden können.”

Digitales Saxofon
  • Hersteller: Yamaha
  • Maße in mm (H/B/T): 699/110/103)
  • Gewicht: 1,0 kg (ohne Batterien)
  • Ausstattung: 73 Klänge (inklusive 56 Saxofonklänge), Micro USB Type-B,
  • Leistungsaufnahme: 4,5 W (USB-Netzadapter)
  • Zubehör: Mundstück-Set, Softcase, Tragegurt 
  • Unverbindliche Preisempfehlung: 869 Euro
  • www.yamaha.com