Brass | Von Klaus Härtel

Die Munich Opera Horns

Munich Opera Horns
Die Munich Opera Horns im Königssaal (Foto: Wilfried Hösl)

“Was die Münchner Horntruppe an Valeurs, Klangregister, geistiger Gewandtheit zu bieten hat, reißt hin”, jubelte der Kollege der Augsburger Allgemeinen. Jetzt haben sich die Munich Opera Horns auf eine Klangreise gemacht und stellen mit dem Album “Voyager” ein bemerkenswertes Tondokument vor.

Christian Loferer strahlt, als wir ihn im “Brenner”, dem Lokal in der denkmalgeschützten Säulenhalle des Marstalls treffen. Das Restaurant liegt direkt neben dem Probengebäude der Oper, hier kann man die Pausen angenehm verbringen und mit dem Nützlichen verbinden. Der Hornist des Bayerischen Staatsorchesters kann seinen Stolz nicht ganz verhehlen, als er gleich ohne Umschweife auf den Tonträger “Voyager”«” zu sprechen kommt. Der Titel ist dabei Programm: Es geht auf eine Klangreise von den Ursprüngen ihres Instruments bis zu zeitgenössischer Musik fürs moderne Ventilhorn. Die Munich Opera Horns schöpfen ihren Klang aus dem Bewusstsein für ihre Vergangenheit und entwickeln die Ausdrucksmöglichkeiten des Horns weiter. Dabei spielen sie originale Werke für ihre Instrumentenfamilie, erstellen eigens Arrangements von Klassikern ihres Repertoires (darunter das zweite Hornkonzert von Richard Strauss und einer Paraphrase aus seiner Oper Daphne) und präsentieren ganz neue, für sie selbst komponierte Werke.

Zwölf Hornisten der Münchner Oper

Ingesamt zwölf Hornistinnen und Hornisten kommen auf dem Album zum Einsatz und Christian Loferer zeigt sich erst einmal “dankbar, dass die Kolleginnen und Kollegen das überhaupt mitmachen neben dem Operndienst”. Er lacht. Denn selbstverständlich ist das nicht – und reich werden die Musikerinnen und Musiker mit der Produktion auch nicht. Eigentlich sei eine solche CD “purer Idealismus”, erklärt Loferer. 

Das Horn ist ein Instrument, das den Musiker kontinuierlich herausfordert und ihn für Triumphe mit einem wundervollen Klang belohnt, heißt es. Und der ehemalige Solohornist des Bayerischen Staatsorchesters, Hans Pizka, meinte einmal, “die Stimme” sei das Faszinierende am Horn. Der Klang des Horns sei sehr angenehm. Er entspricht der durchschnittlichen männlichen Sprech- oder Singstimme. “Die Sympathie für diese Stimme ist von vornherein da. Darum kommt das Horn auch unwahrscheinlich gut an.” Aber es ist eben auch herausfordernd. So kann der Traum des Hornisten, einmal in der Karriere einer breiten Öffentlichkeit den berühmten Siegfriedruf zu präsentieren, auch zum Albtraum werden. Wie heißt der Fachbegriff für ein Horn? Glücksspirale! Man weiß nie, was rauskommt: Ton oder Kiekser. Haha! Den alten Witz haben Hornisten bestimmt schon tausend Mal gehört. 

Eint die “Nähe zum Abgrund”?

Christian Loferer lächelt immerhin höflich. Und gibt dann lachend zu, dass man als Horngruppe schon eine “besondere Nähe zum Abgrund” habe. Möglicherweise ist das auch ein Grund, der die Truppe so zusammenschweißt. In der Hornsection fühlt man sich in München richtig wohl. “Das ist schon beinahe ein familiäres Verhältnis”, findet der gebürtige Chiemgauer. Da lag es nahe, dass man die Munich Opera Horns ins Leben rief. Als sich das Ensemble 2007 gründete, ging es den Musikerinnen und Musikern darum, die Tradition ihres Ensembles zu beleben und über ihr gemeinsames Mitwirken an Opernaufführungen und Symphoniekonzerten hinaus neue, gleichberechtigte Formen des Zusammenspiels zu entwickeln. “Als Musiker kommen wir so auch mal aus der Komfortzone heraus”, weiß Christian Loferer. Bei den Munich Opera Horns sind sie “allesamt Solisten. Und das ist am Ende mit Sicherheit auch gut fürs Orchester.” Denn “Opera first” lautet bei aller Liebe zum Ensem­blespiel die Devise.

Als Hornist des Bayerischen Staatsorchesters hat man natürlich auch eine gewisse Verpflichtung. Denn die Historie (natürlich nicht nur die der Hornisten) des Orchesters ist lang und reichhaltig. Im Jahr 2023 feiert man das sage und schreibe 500-jährige Bestehen. 1706 wurden die ersten Hornisten an der Münchner Hofkapelle angestellt. Seitdem war die Horngruppe bei zahlreichen Uraufführungen von Werken beteiligt, die heute zum Standardrepertoire zählen, darunter Richard Wagners “Tristan und Isolde”, “Die Meistersinger von Nürnberg” und “Das Rheingold”. Einer der prägenden Hornisten war Franz Strauss (1822 bis 1905), Vater des Komponisten Richard Strauss und einer der renommiertesten Hornisten seiner Zeit, der in der Königlich Bayerischen Hofkapelle, also im heutigen Bayerischen Staatsorchester wirkte. 

Dirigenten sind voll des Lobes

Auf die Hornisten des Bayerischen Staatorchester könne man sich verlassen, verspricht Christian Loferer. “Man muss keine Angst haben, wenn man in die Oper geht”, lacht er. “Und auch die Dirigenten sind in Sicherheit!” Nicht nur das, sie sind auch voll des Lobes. “Mit zu den schönsten und denkwürdigsten Erlebnissen in meiner Dirigentenlaufbahn gehört die Begegnung mit dem Hörnerklang aus dem Bayerischen Staatsorchester”, schwärmt etwa Kent Nagano. Und Kirill Petrenko empfindet die Horngruppe als “Grundpfeiler, vielleicht sogar das Herzstück des Bayerischen Staatsorchesters”.

Munich Opera Horns

Anlässlich des 500-jährigen Bestehens des Bayerischen Staatsorchesters präsentiert Bayerische Staatsoper Recordings herausragende Ensembles aus den Reihen des Orchesters. Die Munich Opera Horns stellen das zweite Album dieser Serie.

Zu Beginn des Albums erklingt Hans-Jürg Sommers “Vom Eggishorn” – gespielt auf vier Alphörnern. Dieses Werk präsentiert das Horn als das ursprüngliche Instrument. Mit solch traditionellen Klängen, fern der Theater- und Orchesterwelt, gelangt man zu den Wurzeln des heutigen Orchesterinstruments. Mit der Auftragskomposition, dem den Munich Opera Horns gewidmeten “Voyager 2” von Konstantia Gourzi, blickt die Musik von der Gegenwart in eine mögliche Zukunft. Die Horngruppe hat mit dem ensembleeigenen Arrangeur Pascal Deuber, seit 2019 Solo-Hornist im Staatsorchester, jemanden, der ihr gewitzte und klangschöne Arrangements, etwa von Richard Strauss‘ “Hornkonzert Nr. 2” oder dessen “Daphne” für Horn-Oktett, auf den klanglichen Leib schneidert. Die Tradition dieses Instruments wird hier in vielfacher Hinsicht gelebt, sei es auf ursprüngliche Weise wie beim Alphorn, im klassischen Repertoire oder in neu komponierten Stücken. Tradition zeigt ihre besondere Kraft, wenn sie über sich hinauswächst und auch andere Facetten erkundet. Erst dann wird sie außergewöhnlich. Erst dann wird sie gegenwärtig.