Wood | Von Dieter Kraus

Kunststoffblätter von VENN im Test

Kunstoffblatt

Wenn ein Hersteller mal wieder synthetische bzw. Kunststoffblätter auf den Markt bringt, reagieren Spielerinnen und Spieler von Klarinetten und Saxofonen mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier. Wenn also die Firma D’Addario neue Blätter herausbringt, heißt es von offizieller Seite: “VENN überdauert und übertrifft alles bisher Bekannte – und klingt und spielt sich wie dein Lieblingsblatt.” Ist das so? Der Saxofonist Dieter Kraus hat VENN mal ausprobiert.

Was man vorab sagen kann: D’Addario hat mit VENN keine halben Sachen gemacht, sondern viel Zeit (und vermutlich auch Geld) in die Entwicklung gesteckt. Ob VENN tatsächlich “den Beginn einer neuen Ära im Holzblasinstrumentenzubehör” markiert, wird zwar die Zukunft zeigen, doch die Idee dahinter klingt überzeugend. Ingenieure haben versucht, die Haltbarkeit und Langlebigkeit eines synthetischen Blattes mit dem Klang und Spielgefühl eines natürlichen Rohrblattes zu kombinieren. Um die organischen Strukturen nachzuempfinden, wurden Polymer-Fasern in verschieden Stärken mit Harz und natürlichem Blatt­material verbunden, um den Blattrohling herzustellen. 

Viele Spielerinnen und Spieler schätzen natürlich die Langlebigkeit eines Kunststoffblattes und die Tatsache, dass es sich auch über längere Zeit kaum verändert. Im Gegensatz dazu arbeitet ein Holzblatt ständig. Denn als Naturprodukt ist es ständigen Schwankungen ausgesetzt und verändert sich dadurch minimal in seinen Spieleigenschaften.

Dichter Sound der Kunststoffblätter

Beim Anspielen der neuen VENN-Blätter fiel sofort auf, dass sie auf Selmer-Mundstücken sehr gut funktionieren, dagegen aber auf meinem Chedeville eher sehr hell klangen und die hohe Lage sozusagen etwas “durchhing”. Das ist natürlich von Spieler zu Spieler unterschiedlich und hängt von der individuellen Vorspannung ab, die der Spieler dem Blatt mitgibt.

Kunststoffblätter

Viele Spielerinnen und Spieler schätzen den dichten Sound in der Mittellage bei Kunststoffblättern sehr – ich auch – und nehmen dafür gerne in Kauf, dass der hohen Lage einfach eine klangliche Dimension fehlt. Genau dieses Verdichten in der mittleren Lage und die blitzsaubere leichte Ansprache in den tiefen Lagen sind die Vorteile des neuen D’Addario VENN-Blatts. Erstaunlich ist, mit welcher Leichtigkeit sich tiefe Töne produzieren lassen, die zudem sehr nuacenreich klangen. Die Mittellage war extrem ausgeglichen und rund. Das war beim Test auf allen Mundstücken ähnlich. Lediglich die hohe Lage (dreigestrichene Lage) war am besten auf Selmer-Mundstücken in Kombination mit dem VENN-Blatt. Die klangliche Projektion ist bemerkenswert und der Sound reich an Obertönen.

Das sind natürlich alles subjektive Eindrücke, die ich als Spieler mit meinem Ansatz und mit meiner Klangvorstellung so bemerkt habe.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Kunststoffblätter für Anfänger eher ungeeignet sind. Das ist schon etwas für fortgeschrittene Spielerinnen und Spieler, die einen anderen Sound suchen. Wer die VENN-Blätter ausprobieren möchte, sollte eine Viertel Stärke heruntergehen im Vergleich zu den “Reserve” von D’Addario oder den “blauen” Vandoren.

Didi Kraus

Dieter Kraus

wurde 1972 in Ulm an der Donau geboren. Er erhielt mit neun Jahren seinen ersten Saxofonunterricht und gewann in den Folgejahren mehrere Bundespreise beim Wettbewerb “Jugend musiziert”. Dem Stipendium der Stadt Ulm für Nachwuchskünstler in der Sparte Musik im Jahr 1992 folgte dann das Studium im Fach Saxofon am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Dieter Kraus war Gründungsmitglied des Saxofonquartetts Saxofourte. Seit April 2020 spielt er das Altsaxofon Senzo von Buffet. Hier gibt es ein Kurzinterview.

www.dieterkraus.org