Brass | Von Anna Neudert

Katrina Marzella über Brassbands, Jura und das Baritonhorn

Katrina Marzella
Foto: Hazel Whittall

Ursprünglich war das Probenwochende mit Gastdozentin Katrina Marzella als intensives Vorbereitungswochenende auf die be­vor­stehende Deutsche Brassband-Meisterschaft gedacht. Diese hätte Ende März stattfinden sollen, wurde nun aber auf Oktober verlegt. Die “Woodshockers” hielten trotzdem am Probenwochenende fest und wollten sich die Chance nicht entgehen lassen, mit einer so hochkarätigen Gastdozentin aus der Heimat der Brassband zu arbeiten. Die 30 Musikerinnen und Musiker verbrachten ein intensives Wochenende unter der fachmännischen Anleitung eines echten Brassband-Profis. Zum Abschluss dirigierte Katrina Marzella zwei Stücke des Konzertprogramms, mit dem die “Woodshockers” dieses Wochenende abrundeten. 

Katrina Marzella begann im jungen Alter von neun Jahren in einer Brassband und wurde zu einer der besten Baritonhornistinnen ihrer Generation. Sie spielte in den berühmtesten Bands Englands, zuletzt für fast zehn Jahre in der “Black Dyke Band”. Wie sie zum Bariton fand, obwohl sie eigentlich Posaune lernen wollte, was Jura und Musik gemeinsam haben, wie man lernt, effektiv zu üben, und vieles mehr verriet sie Anna Neudert von den “Woodshockers” in einem Interview. 

Liebe Katrina, was bedeutet Brassband für dich?

Wenn ich eine Brassband spielen höre, löst das viele Gefühle in mir aus. Ich bin in Central Scotland aufgewachsen, inmitten kleiner Bergbaudörfchen, die in einer wunderschönen, sanft hügeligen Landschaft liegen, mit hübschen Kirchen und gepflasterten kleinen Straßen. Mein Großvater war Bergmann. Außerdem habe ich viele Jahre meines Lebens in der “Black Dyke Band” gespielt. Wir spielten in Queensbury, das liegt sehr hoch in Yorkshire, man hat eine fantastische Aussicht von dort. Deswegen erfüllt mich der Klang einer Brassband sofort mit Nostalgie und bringt mich an diese Orte zurück. Für mich ist das der Klang der Heimat. 

Katrina Marzella
Mit den Woodshockers (Foto: Moritz Miller)
Wann und wie hast du angefangen, in einer Brassband zu spielen?

Meine ganze Familie hat immer in Brassbands gespielt, ich habe das im Blut. Mit neun Jahren habe ich angefangen Baritonhorn zu spielen, ein Instrument, das man nur in einer Brassband findet. Eigentlich wollte ich Posaune spielen, aber ich war sehr klein und mein Lehrer sagte zu mir: “Fang doch mal mit Bariton an, das hat die gleiche Tonlage, das Mundstück hat die gleiche ­Größe. Und wenn du dann groß bist, dann kannst du Posaune spielen.” Ich bekam also mein erstes Baritonhorn, habe mich sofort in den Klang dieses Instruments verliebt – und wollte dann gar nicht mehr wechseln. Ich hatte das Glück, dass ich viel Unterstützung bekam. Mein Lehrer und meine Eltern waren glücklich, zu sehen, wie ich die Klangmöglichkeiten dieses Instruments als Solo-Instrument für mich entdeckte. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. 

Ich habe auch sofort in einer Brassband gespielt. In meiner Heimat, in West Lothian, wurden die Kosten für Musikunterricht – für alle Kinder – von den Städten und Gemeinden übernommen. Wegen des reichen Brassband-Erbes dieser Gegend gab es viele gute Lehrer in der Gegend. Wir bekamen kostenlos Unterricht und ein kostenloses Instrument und jede Schule hatte ihre eigene Brassband. Ich habe ungefähr zehn Jahre in der “West Lothian Schools Brassband” gespielt und dann in unterschiedlichen Community Bands. Eine Zeit lang habe ich in der Band gespielt, die mein Vater dirigierte. Danach spielte ich in der “Whitburn Band”, eine der besten Bands in Schottland. 

Hast du als Jugendliche den Großteil deiner Freizeit mit Üben verbracht? Oder wie wurdest du zur besten Baritonhornspielerin deiner Generation?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die Musik liebt. Die Familie meiner Mutter kommt von den Hebriden, für sie war traditionelle schottische Volksmusik immer wichtig. Die Familie meines Vaters kommt aus Italien, daher haben wir dieses italienische Naturell, die Liebe zur Oper und zum Gesang. Musik ist überall… Die Liebe zur Musik war immer in mir. Ich habe immer gerne Musik gehört, alle Arten von Musik: Pop, Klassik, Filmmusik. Je älter ich wurde, umso mehr liebte ich mein Instrument und ich liebte es wirklich zu üben.

Ich liebte es Probleme zu lösen, wenn ich ein Stück bekam. Wenn ich es nicht spielen konnte, habe ich es wie ein Puzzle in ­viele Ein­zelteile zerlegt und wieder zusammengefügt. Oft habe ich mit Übungsdämpfer in der Garage geübt, auch im Winter, mit Schal und Hand­schuhen – bis mein Vater kam, um mich zu holen, weil es schon spät und kalt war. Im Haus konnte ich nicht so viel üben, weil ich einen kleinen Bruder hatte, der früher ins Bett ging als ich. Also bin ich zum Üben halt in die Garage. 

Hast du dich dann auch direkt nach der Schule für ein Musikstudium entschieden? 

Nein, ich habe mich erstmal für ein Jura-Studium entschieden. Ich hatte immer Spaß am Lernen und an der Wissenschaft und wollte das auch gerne an der Uni weitermachen. Außerdem war ich wirklich nicht sicher, ob es Jobs für Baritonhornistinnen gab. Ich habe vier Jahre lang Jura studiert und habe einfach in meiner Freizeit weiter Musik gemacht. In meinem letzten Uni-Jahr gewann ich den “BBC Radio 2 Young Brass Soloist Award”. Im Finale begleitete mich die “Black Dyke Band”. Ich hatte das Glück, diesen Wettbewerb zu gewinnen und das veränderte alles; dieser Gewinn und meine Zeit in der “National Youth Brassband of Great Britain”. Denn dort begegnete ich fantastischen Musikerinnen und Musikern, wie Nik und Bob Childs. Die besten Brassband-Spielerinnen und -Spieler unterrichteten uns. Und so kam ich gegen Ende meines ­Jura-Bachelor-Studiums zu der Erkenntnis, dass ich doch Musik studieren wollte.

Die Musik sollte immer im Vordergrund stehen. Wettbewerbe sind immer Musik-Wett­bewerbe und keine Wett­bewerbe in Genauigkeit und Präzision.

Ich ging nach Manchester ans Royal Northern College of ­Music und begann dort ein Studium als Baritonhornistin. Das wollte ich für ein Jahr machen und am Ende ­waren es zehn Jahre. Ich verliebte mich in die Brassband-Szene Nordenglands und wollte Teil davon sein. Es war mir nie wichtig, Solistin zu sein. Ich wollte einfach nur in einer der ­berühmten Bands spielen, wie “Black Dyke”, “Foden’s” oder “Grimethorpe”. Der Wunsch, in so einer Band zu spielen, motivierte mich. Ich übte sehr, sehr hart, dabei wurde ich richtig gut und hatte Erfolg in Solo-Wettbewerben. Und plötzlich wurde ich als Solistin wahrgenommen. Und als ich die Ein­ladung bekam, Teil der “Black Dyke Band” zu werden, ging ein Traum für mich in Erfüllung und dann blieb ich ungefähr zehn Jahre bei dieser großartigen Brassband.

Hast du denn jemals als Juristin gearbeitet?

Ja, schon. Musik habe ich meistens in meiner Freizeit gemacht. Ich habe Musik studiert und mein erstes Solo-Album aufgenommen – aber irgendwann hatte ich das Gefühl, es ist an der Zeit, wieder mehr an Jura zu denken. Also habe ich mein Jura-Studium fortgesetzt und als Anwältin in Manchester gearbeitet. Das war sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung als Unternehmerin. Mein Herz schlug dabei immer für die Musik. Vor und nach der Arbeit und während der Pausen habe ich geübt. Während dieser Zeit habe ich auch in der “Black Dyke Band” gespielt, meine Tage waren sehr voll. Das zwang mich, einen sehr effektiven Übungsmodus zu entwickeln, ich musste einfach ganz klar Prioritäten setzen, was ich zu üben hatte.

Als Musikstudentin hatte ich acht Stunden am Tag Zeit, als Anwältin hatte ich ein “normales” Berufsleben und nur abends ein paar Stunden, um zu üben. Auf diesem Weg wurde ich sehr fokussiert und effizient. Heute helfen mir die Erkenntnisse aus dieser Zeit, wenn ich unterrichte. Ich sage meinen Schülerinnen und Schülern immer: “Die wichtigste Lektion ist zu verstehen, wie man gut und effektiv übt!” Ein Instrument zu spielen, ist ein Hobby fürs Leben und das Leben ist nicht immer einfach. Man hat anstrengende Jobs, vielleicht eine Familie, immer ist was los. Dann muss man ganz genau wissen, wie man effektiv übt. 

Gibt es denn Gemeinsamkeiten zwischen Brassband und Jura? 

Auf jeden Fall! Viele Komponisten waren übrigens auch Juristen, Robert Schumann, Igor Strawinsky… Und ich kenne viele gute Musikerinnen und Musiker, die auch Juristen sind. Für mich liegt die Ähnlichkeit im analytischen Herangehen an Dinge; man braucht den Ehrgeiz, Probleme lösen zu wollen. Ein Musikstück ist wie ein ­Puzzle, und ein juristischer Fall ebenso. Dabei darf man das große Ganze nicht aus den Augen verlieren. Als Kind war ich einmal im Disneyland und ich erinnere mich genau daran, wie beeindruckt ich war: Das Gesamtbild von außen ist unglaublich beeindruckend und wenn man genauer hinschaut, ist auch jedes Detail perfekt. Dieses Bild kann man auch auf Jura und Musik übertragen.

In deiner Biografie ist vom “Pondasher of the Year Award” die Rede – was ist das für eine Auszeichnung?

Die “Black Dyke Band” ist eine der berühmtesten Bands überhaupt. Die Fans der Band werden “Pondasher” genannt. Einmal im Jahr gibt es ein Event, mit dem sich die Band bei den “Pon­dashers” für ihre Treue und Unterstützung bedankt: ein schönes Abendessen, alle machen sich schick, es gibt Ansprachen und natürlich Musik. Die Mitglieder der Band wählen an diesem Abend die “Bandperson des Jahres” und Nicolas Childs, der Dirigent, wählt den “Pon­dasher of the Year”, das ist eine Auszeichnung für ein Bandmitglied, das sich besonders verdient gemacht hat für die Band, die Band besser gemacht hat. Ich habe diese Auszeichnung einmal gewonnen, glaube ich. 

Apropos Auszeichnung, Faszinierend ist auch der sportliche Charakter, der Wettbewerbsgedanke, der in der Brassband-Szene ja eine lange Tradition hat. Haben Sport und Musik Gemeinsamkeiten? 

Ich glaube, wir Menschen mö­gen Wettbewerb ganz ­allgemein. Die Brassband-Musik hat dem Phänomen Wettbewerb wirklich viel zu verdanken. Es gibt den Musikerinnen und Musikern den nötigen Drive. Wenn die Brassband aus dem Nachbarort den letzten Wettbewerb gewonnen hat, motiviert das die Musikerinnen und Musiker aus dem eigenen Ort, hart auf den nächsten Wettbewerb hinzuarbeiten. Wir sind Jäger und Sammler, Menschen sind soziale Tiere in Clans, Teams und Familien.

Sobald wir Teil eines Teams sind, wollen wir, dass unser Team das beste ist. In Großbritannien ist der Standard der Brassbands viel ­höher als der von Blasorchestern. Das haben wir auf jeden Fall den Wettbewerben zu verdanken. Brassbands gibt es noch nicht so lange und die Wettbewerbe gibt es erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts und obwohl wir ein so “junges” Phänomen sind, ist das Niveau echt hoch. Den Wettbewerben haben wir es zu verdanken, dass es ein großes Repertoire von Kompositionen speziell für Brassband gibt.

Wahrscheinlich gibt es kaum ein zweites Instrument in einer Brassband, dessen Klang ähnlich vielfältig ist.

1913 wurde das erste Originalwerk für Brassband komponiert: “Labour and Love” von Percy Flechter, ein wunderschönes Stück. Vorher spielte man nur Arrangements. Mit Fletcher begann die goldene Ära. Fantastische Komponisten schufen Werke für Brassband: Gustav Holst schrieb “Moorside ­Suite”, auch Herbert Howells “Pageantry” ist ein großartiges Stück. Für Komponisten war es ein Traum, Wettbewerbsstücke zu schreiben – da hatte man gleich zehn Aufführungen eines Stücks sicher. Im Laufe der Zeit entstand eine enge Zusammenarbeit zwischen den Bands und den Komponisten. In den 1950/60er Jahren wurden die Kompositionen mutiger, es kam mehr Percussion zum Einsatz. Musik von Gilbert Vinter zum Beispiel wurde damals als verrückt an­ge­sehen, weil sie so neu und modern war. Aber weil es Wettbewerbsliteratur war, musste es ­gespielt werden. Und es wurde gespielt und brachte die Bands wieder einen Schritt weiter. Das ist auf jeden Fall ein positiver Effekt des Wettbewerbs. 

Aber bei all dem sportlichen Wettbewerbs-­Charakter laufen Musikerinnen und Musiker oder Bands manchmal Gefahr, sich verrückt zu machen, ganz akkurat nur die richtigen Töne zu spielen, fast schon besessen. Die besten Bands bewahren trotz aller technischen Herausforderungen die Magie der Musik. Die Musik sollte immer im Vordergrund stehen. Wettbewerbe sind immer Musik-Wettbewerbe und keine Wettbewerbe in Genauigkeit und Präzision. 

Im Eiskunstlauf unterscheidet man in A- und B-Note. 

Ja, genau! Alle Teilnehmer brauchen gute tech­nische Fähigkeiten und dazu kommen dann die künstlerischen Extras und die Frage, wie viel Magie im gemeinsamen Musikspiel liegt. Die Kombination aus beidem macht eine fantastische Band aus. Ich ermutige Bands, mit denen ich arbeite, die Musikalität, den musikalischen Ausdruck nie aus den Augen zu verlieren. Es gibt technische perfekte Darbietungen, denen trotz absoluter Präzision das gewisse Etwas fehlt. 

Im Fußball gibt es Rivalitäten, Derbys und dergleichen. Gibt es das bei Brassbands auch? 

Ja klar! “Brighouse” ist traditionellerweise die größte Rivalin der “Black Dyke Band”. Diese beiden Bands sind wahrscheinlich die besten Bands in ganz England und räumlich trennen die beiden nur vier Kilometer. Für mich war das nie ein Thema, ich wollte einfach nur am besten spielen. Aber ein paar von den alten Hasen haben dieses Rivalitätsdenken in sich und es gehört auch gewissermaßen zur Tradition. Aber das ist eine ­gesunde Rivalität, wir mögen uns alle, egal, welcher Band man jetzt angehört. 

Du bist in der ganzen Welt unterwegs, als Solistin, Dirigentin, Lehrerin. Siehst du dich als Botschafterin, als Anwältin deines In­stru­ments und der Brassband-Musik? 

Ja, auf jeden Fall. Mein Instrument wurde zu meiner Stimme. Ich hatte das Glück, als junge Baritonistin ermutigt zu werden, dass das Bariton ein tolles Instrument ist. Aber damit sah ich auch einige Probleme. Denn es gab kaum Originalwerke für Bariton. Das frustrierte mich immer wieder. Es gab keine Aufnahmen von Bariton-Solistinnen oder -Solisten. Deshalb habe ich ­immer den größten Teil der Preisgelder, die ich gewann, dafür verwendet, neue Kompositionen für Bariton in Auftrag zu geben. Ich wollte etwas an nachfolgende Bariton-Spielerinnen und -Spieler weitergeben. Dafür habe ich mit exzellenten Komponisten zusammengearbeitet: Philip ­Sparke, Martin Ellerby, Peter Meechan. Ich fand es großartig, zu sehen, wie Komponisten arbeiten.

Katrina  Marzella

So wuchs das Solo-Repertoire und wir haben diese Werke aufgenommen, um anderen Spielern zu zeigen, dass ihr Instrument auch ein fantastisches Solo-Instrument ist. Im Laufe der Zeit haben immer mehr Bariton-Spielerinnen und -Spieler Solo-CDs aufgenommen. Später, als ich in der “Black Dyke Band” spielte, habe ich wieder eng mit Komponisten wie Philip Wilby oder Peter Graham zusammengearbeitet. Das war eine tolle Phase, denn diese Komponisten haben damit angefangen, mir Solos in die Wettbewerbs-Stücke zu schreiben. Für einige Jahre hatten die meisten Wettbewerbs-Stücke ein wichtiges, großes Bariton-Solo. Alle Bariton-Solisten in ganz UK haben diese Chance genutzt und die Solos auf den Wettbewerben immer wunderschön gespielt, die Komponisten wiederum haben die Möglichkeiten des Instruments entdeckt und mutiger für Bariton komponiert. Das war eine gute Dynamik. 

Warst du eigentlich die erste “wirkliche” Bariton-Solistin der Brassband-Szene?

Carole Crompton spielte in den 1980ern für die “Desford Band”, und sie hatte einen großen Einfluss auf mich. Sie war eine starke Frau und eine passionierte Bariton-Spielerin, die das an­ge­fangen hat, was ich weitergeführt habe. Carole Crompton wurde das erste Bariton-Solo-Konzert gewidmet, vom Komponisten Paul Miller. Das war eine Grundlage, auf der ich aufbauen wollte. Und so habe ich die erste Solo-CD mit Bariton aufgenommen und auch das erste Solo-Konzert mit Brassband gespielt, das Andrew Duncan für mich als junge Spielerin komponiert hat, das erste Bariton Concerto mit Brassband. Auch Martin Ellerby hat ein Solo-Concerto für mich komponiert, das war ein wichtiges Statement, von diesem international bekannten und geschätzten Komponisten. Genauso wie Peter Graham, mit dem ich zusammen an “Turbulence, Tide and Torque” gearbeitet habe, auch ein Bariton-Konzert. Repertoire ist einfach wichtig. Das zu vergrößern hat mir viel Freude gemacht. 

Hinzu kam noch, dass ich von Yamaha gefragt wurde, ein Bariton zu entwickeln. Das war wahrscheinlich mit das Beste, was ich jemals getan habe, die spannendste Reise, die man als Instrumentalistin machen kann. Ich habe so viele Details über mein Instrument gelernt und habe so intensiv darüber nachgedacht, was genau den Klang des Baritons ausmacht. Der Bariton-Klang ist ein Misch-Klang, aber manchmal muss der Klang solistisch aus dem Ensemble hervorstechen, manchmal klingt es wie ein Alto, also das tiefste Instrument des Hornsatzes, manchmal klingt es wie eine vierte Posaune und manchmal spielen wir mit den Eufonien.

In der alten Brassband-Literatur übernimmt das Baritonhorn die Funktion der Bratsche und spielte eine Oktave unter den Solo-Cornets. Es war großartig, dass ich mich so intensiv in die Vielfältigkeit des Bariton-Klangs einarbeiten konnte; wahrscheinlich gibt es kaum ein zweites Instrument in einer Brassband, dessen Klang ähnlich vielfältig ist. Die Zusammenarbeit mit Yamaha bestand dann darin, herauszufinden, was genau das perfekte Bariton einer Brassband ausmacht. Das ganze Projekt zog sich etwa über sechs Jahre. Unser Ergebnis präsentierten wir 2014 auf den European Open in Paris. 

Wie war dein Wechsel von der Bariton-Spielerin zur Dirigentin? 

Dirigieren wurde sozusagen via Osmose ein Teil von mir. Ich durfte so viele hervorragende Dirigenten bei der Arbeit beobachten und es interessierte mich immer mehr. Und so ein bisschen bin ich auch zufällig da hineingeraten. Als Gastsolistin passierte es mir immer häufiger, dass ich auch mit den Bands arbeitete, bei denen ich auf der ganzen Welt zu Gast war. So bekam ich langsam ein Gefühl dafür. Außerdem habe ich jahrelang als Bariton-Lehrerin gearbeitet. Mit der Zeit reizte mich das Dirigieren dann immer mehr. Ich habe die Corona-Zeit für mich genutzt und angefangen, Dirigier-Unterricht zu nehmen, aktuell noch online. Und wenn ich zurück nach Großbritannien ziehe – gerade wohne ich in Italien – will ich gerne noch einen Master in Dirigieren machen. Als Dirigentin hört man nie auf zu lernen. Ich bin jetzt am Anfang dieser Reise und weiß noch nicht, was kommt. Aber ich freue mich da­rauf. 

Dann wünschen wir alles Gute auf dieser Reise, liebe Katrina, und vielen Dank für das Interview!