Brass | Von Redaktion

Das Repertoire der Brassbands

Brassband

Das Repertoire der Brassbands ist sehr vielseitig und beinhaltet sowohl zahlreiche Originalkompositionen, die musikalisch sehr breit gefächert sind, als auch Arrangements anderer Formationen. Sehr beliebt sind hier sowohl Bearbeitungen von klassischer Musik als auch von Filmmusik, Pop, Jazz oder Big-Band-Musik.

Warum denn Bearbeitungen klassischer Musik? 

Die junge, britische Brassband-Szene war sehr an der Literatur von professionellen Sinfonie­orchestern interessiert und sehr bald entstand der Wunsch, auch das Opernrepertoire zu spielen. Die Herausforderung lag darin, die Passagen der Geigen und der Sänger auch auf dem Kornett, Althorn oder Eufonium umzusetzen. So ist übrigens auch das für unseren Kulturkreis fast schon übertriebene Vibrato der Brassbandler entstanden: Die Solisten orientierten sich an professionellen Opernsängern und deren ausladendem Vibrato und haben versucht, dieses auf ihrem Instrument zu kopieren. Durch diese Liebe zur klassischen Musik arrangierte man viele Ouvertüren wie »Die diebische Elster«, »Macht des Schicksals« oder »Die Fledermaus«. 

Gibt’s das heute auch noch?

Ja, auch heute werden Sinfonieorchester-Kompositionen für Brassband arrangiert. Bei manchen Stücken passt das sehr gut und tolle Neuinterpretationen entstehen, wie etwa beim Finale aus Mahlers 3. Sinfonie. Bei anderen ist die Umsetzung eher diskutierfähig. So ist zum Beispiel der »Messias« von Händel von der Black Dyke Band arrangiert und eingespielt worden. Das stellt durchaus beeindruckendes Können auf den Blechblasinstrumenten dar – ob es aber musikalisch bereichernd ist, darf zumindest hinterfragt werden.

Und wenn sich Musiker für Film- und Popsongs interessieren?

Jüngere Musiker haben in allen europäischen Ländern schon früh ihre Wünsche zum Ausdruck gebracht und viele Arrangeure haben begonnen, bekannte Titel für Brassband zu arrangieren. Begeisternd ist, dass auch für ein niedriges Spielniveau bereits richtig hochwertige Arrangements von bekannten Poptiteln existieren, mit denen alle Musiker gefordert werden und alle Stimmen interessant geschrieben sind. Sämtliche berühmte Filmmusiken sind bereits verfügbar und viele junge Brassbandler haben mittlerweile angefangen, selber zu arrangieren. In Deutschland sollte man dort insbesondere Johannes Meures nennen, der verschiedenste Brassband Arrangements geschaffen hat, wie etwa das »Sauerlandlied« von ZOFF, »A begging I will go« von Bellowhead oder »Marie« von KASALLA.

Hier gibt es eine Linkliste zu Brassbandtiteln!

Und die Originalkompositionen?

Originalkompositionen gibt es aus zwei verschiedenen Richtungen: Da Brassbands insbesondere bei der Heilsarmee verwendet wurden, um in kleinen Gemeinde die fehlende Orgel zu ersetzten, gibt es eine große Anzahl an Chorälen, sogenannten »Hymn Tunes«, die für Brassbands komponiert wurden. Diese Melodien sind so stark und beliebt, dass daraus zahlreiche große Kompositionen von 10 bis 15 Minuten Länge entstanden sind, die die Choräle mit Variationen anreichern oder als Basis für sinfonische Werke verwenden. Die zweite Richtung ist die der Märsche, die bei Umzügen und Feiern in den Dörfern gespielt wurden. 

Eine Besonderheit ist der »Whit Friday« in England, ein Wettbewerb im Umland Manchesters, der sich ausschließlich an Marschkompositionen richtet. Die Brassbands fahren von Auftrittsort zu Auftrittsort und spielen einen Marsch im Gehen, um das Publikum aufzuheizen und für sich zu gewinnen – um sich dann mit ihrem Wettbewerbsmarsch im Stehen einer Jury zu stellen. Die Juroren bewerten auch hier ohne Blickkontakt, sodass sie sich regelrecht verstecken, manchmal in Telefonzellen, hinter Hecken oder in Wohnungen bei offenem Fenster. Für viele Musiker ist es Wettbewerb und Amüsement zugleich, wie man im Film »Brassed Off« sehr schön sehen kann. Für die Bands ist es eine gute Einnahmequelle, da an jedem Ort Preisgelder vergeben werden und manche Topbands zweistellige Performances an einem Tag schaffen.

Aber nur Märsche und Choräle, würde bald langweilig, oder?

Mit Sicherheit, daher hat der englische Brassband-Verband sehr frühzeitig Sinfonieorchester-Komponisten kontaktiert, hat ihnen die Besetzung einer Brassband vorgestellt und sie animiert, für diese Besetzung zu komponieren. So sind frühzeitig Originalwerke für Brassbands von Gustav Holst, Edward Elgar, Gordon Langford, Stephen Bulla oder Gilbert Vinter entstanden. Andere Komponisten wie Eric Ball, Peter Graham, Edward Gregson, Philip Wilby oder Philip Sparke wurden in der Brassband-Welt groß und haben von ganz alleine begonnen, für diese Formation zu komponieren. Alle Komponisten sind dabei begeistert, dass die Besetzung einer Brassband standardisiert ist, sodass sie genau wissen, für wie viele Musiker auf welchen Instrumenten sie komponieren. So ist die Chance, dass ihre Musik so klingt, wie sie in ihren Köpfen beim Aufschreiben war, sehr groß.

Wie entstanden die richtig großen sinfonischen Werke?

Brassbands lieben es, sich bei Wettbewerben zu treffen, sich miteinander zu messen und im Anschluss ausgiebig miteinander zu feiern. Bereits seit vielen Jahren geben die Veranstalter von Wettbewerben Neukompositionen in Auftrag, um diese als Pflichtstücke bei den Meisterschaften zu verwenden und die Bands besser miteinander zu vergleichen. Viele Brassbands haben diese Idee aufgegriffen und haben für ihr Selbstwahlstück führende Komponisten gebeten, ihnen Stücke zu komponieren, die »maßgeschneidert« sind, ihre Stärken hervorheben und die Schwächen verstecken, um eine möglichst hohe Punktzahl im Wettbewerb zu erreichen. 

Natürlich sind manchmal so auch regelrechte Zirkusnummern entstanden, die darauf aus sind, höher, schneller und ausdauernder spielen zu können. Da viele Komponisten aber die zahlreichen Zuschauer auch erreichen wollten und das Ziel hatten, das ihre Kompositionen auch von ­anderen Brassbands wiederverwendet werden, gibt es sehr viele, musikalisch inhaltsreiche und berührende Wettbewerbskompositionen.

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Gibt es für Konzertprogramme auch kürzere Stücke?

Mir persönlich ist es sehr wichtig, immer möglichst viele Originalkompositionen in meinen Konzertprogrammen zu verwenden. Daher bin ich froh, dass sehr viele auch zum teils junge Komponisten in Brassbands groß geworden sind und animiert wurden, für ihre und andere Bands zu komponieren. Daraus entsteht eine große Bandbreite aus interessanten und unterhaltsamen Stücken. Einer meiner Favoriten ist Simon Dobson, der als jugendlicher Punk in seinen frühen Jahren in einer Brassband gespielt hat und auch hier die musikalischen Regeln und Gepflogenheiten infrage gestellt hat. So verwendet er gern funkige Elemente oder auch freie, sphärische Klänge.

Mittlerweile ist er ein anerkannter Komponist der Szene mit vielen Kompositionen, die auch von traditionelleren Brassbands gerne gespielt werden. Mit Musikern wie Jonathan Bates, Lode Violet, Mathias Wehr, Ludovic Neurohr oder Stan Nieuwenhuis steht die nächste Generation schon bereit. Und auch bei uns in Deutschland wurden unter anderem mit Ruben Schmidt und Lasse Lemmer zwei junge Komponisten durch ihr Musizieren bei der Cologne Concert Brass und der Brassband Düren animiert, für Brassbands zu komponieren.

Gibt es denn auch ganz abgedrehte Musik für Brassband?

Je nach Anlass wird man in einer Brassband immer wieder auch ganz ungewöhnliche Musiken spielen. Man bat die YBB NRW, beim Achtbrücken-Festival für moderne Musik in Köln, gemeinsam mit der Formation Travel Musica ein Konzertprogramm mit der Musik des japanischen Komponisten Yuya Honda aufzuführen, mal als Marching Band und mal im Format eines Kirchenkonzertes. Die powergeladene Musik wurde extra arrangiert und so entstanden aus der Brassband und den Musikern an Flöte, Klarinette, Saxophon und Klavier ganz neue Klangwelten, die für große Begeisterung beim Publikum sorgte.

Anlässlich des Beethovenjahres gab es zudem im Rahmen des »World Beathoven«-Projekts von Darek Roncoszek die Idee, die elektronische Musik, die DJs aus der ganzen Welt aus kleinen Kompositionsschnipseln« von Ludwig van Beethoven komponiert hatten, in einem »­RELOADED«-Konzert auf die Bühne zu bringen. So entstand ein 45-minütiges, auch tanzbares Konzertformat, bei dem die Klänge der Blechbläser und Schlagwerker sich in elektronische Instrumente und Klänge verwandelten, obwohl alles live und ohne technische Hilfsmittel gespielt wurde.

Text: Martin Schädlich