Brass | Von Klaus Härtel

Allen Vizzutti hat das letzte Wort

Die clarino-Serie »Sie haben das letzte Wort« ist zwar in Interview-Form gehalten, sie soll aber einmal ­andere Fragen beinhalten, als man sie aus »normalen« Interviews kennt. Durch ungewöhnliche und nicht alltägliche Fragen will die Redaktion Neues vom Künstler erfahren. Die Fragen beginnen immer gleich. Wir sind gespannt auf nicht immer gleiche antworten.

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich gewünscht hätten, einen »ordentlichen Beruf« gewählt zu haben?

Noch nie. Mein Musik-Leben ist ein ordentlicher Job für mich. Auch als meine Tochter, als sie klein war, gefragt wurde, was ich denn so mache, antwortete: »Er arbeitet am Flughafen.«

Wann war das letzte Mal, dass Ihnen die Unterschiede von Italienern und Amerikanern deutlich wurden?

Aufgrund meiner italienischen Wurzeln ­liebe ich Ferrari und italienisches Essen, ich spiele oft in Italien und habe italienische Freunde. Ich denke regelmäßig und mit Liebe an die italienische Mentalität. Design, Leidenschaft, Mode und das »Dolce Vita« durchdringt diese wunderbare Kultur – auch wenn sie immer mehr den gleichen exzessiven Konsum erdulden müssen wie wir hier in den USA.

Wann war das letzte Mal, dass Sie mit ­einem Dirigenten gestritten haben?

Ich habe noch nie mit einem Dirigenten gestritten. Ich versuche, von ihm zu lernen oder ihn zu ignorieren. Ich habe in manchen Fällen deren Größe erfahren und habe ebenso deren Weltklasse an Inkompetenz ertragen. Und sämtliche Amateurdirigenten, die es ernst meinen, verdienen meinen Einsatz, den Auftritt erfolgreich werden zu lassen. Nur einmal wechselte ich ein paar Worte mit einem Dirigenten. Der Schauplatz: das NHK Symphony Orchestra in ­Japan. Ich spiele das Hummel-Concerto und mein Stück »Snow Scenes« mit dem Orchester. Der Dirigent ist ein Operndirigent aus Wien. Wir trafen uns vor der ersten Probe. Er sprach mich auf das schnelle Tempo im letzten Satz von »Snow Scenes« an, der im Solopart Oktavsprünge in Sechzehntel-Noten mit Doppelzunge fordert: »Dieses Tempo kann nicht korrekt sein!« Ich sagte ihm, er solle das Stück nicht umstoßen, bevor er es gehört habe. Nach dem ersten Konzert war er mein neuer bester Freund.

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich über die Interpretation eines Ihrer Werke gefreut haben?

Ich freue mich, wenn die Musiker ihr Bestes geben. Die speziellen musikalischen Momente passieren, wenn sie passieren. Ich habe wundervolle Auftritte von vielen Gruppen erlebt: Summit Brass, Rochester NY Philharmonic, Vancouver Symphony, Youngstown State University Band in Ohio, Richardson High School Band in Texas, dem slowenischen Nationalorchester und Klavierinterpretationen von Laura Vizzutti.

Wann war das letzte Mal, dass Sie geweint haben?

Was für eine Frage. Na gut: Als meine Mutter und mein älterer Bruder in 2009 und 2010 starben. Als ich kürzlich ein altes ­Video meiner drei Kinder als Kleinkinder sah. Als ich den Film »Galaxy Quest« sah (lacht) und als mir ein Hammer auf meinen Zeh gefallen ist.

Wann war das letzte Mal, dass Sie in Missoula/Montana waren?

Das ist gerade 48 Stunden her. Wir haben meinen Vater – gesunde 88 – und meine Schwägerin besucht. Der Besuch schloss eine grauenhafte Winterfahrt über drei Bergpässe ein.

Wann war das letzte Mal, dass Sie etwas Verbotenes getan haben?

Ich bin mal auf der Autobahn angehalten worden, als ich während der Fahrt »Buzzing« gemacht habe. Der Polizist dachte, ich rauche eine Hasch-Pfeife.

Wann war das letzte Mal, dass Sie einen Kollegen beneidet haben?

Hier kommt die Wahrheit: Ich bin nicht anfällig für Neid. Ich wünsche meinen Kollegen das beste. Ein klein bisschen neidisch war ich nur, als mein bester Freund einen Vertrag mit einem internationalen Konzertmanagement schloss, der seine Kar­riere beschleunigte. Allerdings: Ich hatte nie ein effektives Management.

Wann war das letzte Mal, dass Sie bei ­einem Chick-Corea-Konzert waren?

Ich habe ihn in Seattle im Dezember ge­sehen und gesprochen. Chick spielt auch auf meiner neuen CD »Ritzville« mit. Erhältlich unter www.vizzutti.com und bei iTunes.

Wann war das letzte Mal, dass Sie Barack Obama getroffen haben?

Ich würde ihn liebend gerne treffen oder für ihn spielen. Er ist ein aufregender Mann, der in einer furchtbaren Situation das Beste gibt. Umzingelt von egoistischen Arsch­löchern auf der rechten Seite, die jeden Zug, den er macht, bekämpfen. Er ist gegen alle Widrigkeiten unglaublich erfolgreich, ist in die Mitte gegangen, um Dinge durchzusetzen. Er ist nicht perfekt, aber es ist besser, wenn er wiedergewählt wird. Andernfalls muss ich nach Deutschland ­ziehen. Oder Italien. Oder Neuseeland. Oder ich eröffne auf Bora Bora ein italienisches Restaurant.

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich darüber geärgert haben, dass der »Boléro« viel bekannter ist als Ihr Trompetenspiel beim Film »10 – Die Traumfrau«?

Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Interview so erfolgreich und wichtig sein wird, dass Ravel’s »Bolero« in den Hintergrund treten wird aufgrund meiner explodierenden Berühmtheit. Diese entlässt mich endlich aus der psychologischen ­Hölle, in der ich seitdem schmore, weil ich die Filmmusik spielte, meine Brillanz von den Massen aber unbemerkt blieb