Brass, News, Orchestra, Wood | Von Klaus Härtel

Der Ulm-Träumer. Ein Hörspiel über die Heimat

Ulm-Träumer
Gaby Fischer und Peter Laib (Foto: Matthias Kessler)

Von den eigenen vier Wänden bis zur Stadtgrenze – darauf beschränkte sich der Mobilitätsradius vieler Menschen während des Lockdowns. So ging es auch den beiden Ulmern Gaby Fischer und Peter Laib. Außerdem stellte Corona den Arbeitsalltag der beiden Freiberufler komplett auf den Kopf. Und so entstand schließlich ein ganz neues Projekt: das Hörspiel “Der Ulm-Träumer” über ihre Heimat, voller Stadtgeschichte, schwäbischem Dialekt und Musik. 

In dem 76-minütigen Hörspiel träumt sich der achtjährige Fips, gefrustet von den Corona-Maßnahmen und das normale Leben vermissend, in die Vergangenheit und erlebt als Nachtwächter im Ulmer Fischerviertel spannende Abenteuer. Wer Fips und den Staufer-Löwen Bärtle auf der Jagd nach dem gestohlenen Rosenkranz begleitet, wird nicht nur bestens unterhalten, sondern erfährt auch viel Spannendes über die Stadtgeschichte. 

Die beiden kreativen Köpfe hinter “Der Ulm-Träumer” sind Gaby Fischer und Peter Laib. Als Erlebnisgästeführerin und Rednerin kümmerte sich Fischer um die Geschichte. Laib ist als ­Tubist bei “Moop Mama” sowie “Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original” tätig. Er hat das Hörspiel produziert und die Musik dazu selbst komponiert. Beide leben in Ulm und kennen sich schon seit Jahren. Bei einem Telefonat über die schwierige Situation im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 entstand die fixe Idee zu diesem Projekt – und bei einem ersten Treffen im Park Mitte April nahm die Idee schließlich Gestalt an. 

Ulm-Träumer

Die Heimatstadt als Schauplatz

Als Gästeführerin kennt sich Fischer bestens aus mit der Ulmer Geschichte. Auf ihrer Internetseite (www.schaulustigesulm.de) können Erlebnis­führungen mit ganz unterschiedlichen Themenschwerpunkten und Routen gebucht werden. Im Hörspiel wollte sie Laib zufolge vor allem Orte beleuchten, die nicht jeder kennt und von denen auch Menschen, die in Ulm leben, sagen können: “Ach, das wusste ich ja noch gar nicht!”. Also Orte abseits der klassischen Tourismus-­Attraktionen.

Laib ist zwar in Ulm geboren, in der Region aufgewachsen und lebt seit Anfang letzten Jahres im Herzen der Altstadt, mit der Stadtgeschichte hatte er sich bisher aber nicht besonders intensiv beschäftigt. Dass das Hörspiel einen Bezug zu seiner Heimatstadt hat, freut ihn deshalb ganz besonders. Er erzählt, dass er Ulm durch das Projekt nun mit ganz anderen Augen sieht: “Ich nehme manche Sachen jetzt viel bewusster wahr. Zum Beispiel stehen hier in Ulm an manchen Ecken etwa 50 Zentimeter hohe, abge­rundete Steine. Auf Schwäbisch nennt man
die auch ‘Hondsbronzer’, weil da oft Hunde hin­pinkeln. Aber eigentlich sind das Rad­abweiser für Kutschen.” 

Von der Idee zum Hörspiel

Sechs Monate dauerte die Produktion des Hörspiels. Im ersten Schritt wurde die Geschichte fertiggestellt, dann folgten die Aufnahmen der Sprecherinnen und Sprecher. “Und dann haben wir uns wieder zusammengesetzt und überlegt, welche Atmosphären und Geräusche wir dazu haben wollen, damit man sich noch mehr in die Story hineinversetzen kann”, erläutert Laib. “Dafür waren wir zwei oder drei Nächte lang in Ulm unterwegs. Die ganzen Hintergrundgeräusche und Effekte haben wir direkt am Schauplatz aufgenommen. Die Tür, die man im Hörspiel knallen hört, ist tatsächlich die Tür zum Kronenkeller. Das war zwar schon viel Aufwand, aber genau diese Echtheit finden wir beide richtig gut!”

Die Musikstücke komponierte Laib erst ganz zum Schluss. “Ich habe das Gefühl, dass ich relativ lange brauche, bis ich ganz in der Geschichte drin bin”, erklärt er. In den Stücken sind neben ihm selbst an der Tuba auch Tanja und Lukas Weiss (Klarinette und Trompete) zu hören. Eine ungewöhnliche Besetzung, allerdings war aufgrund der damaligen Regelungen nur Kammermusik möglich. Laib erzählt: “Gaby hat schon ganz am Anfang überlegt, mit wem sie das gern machen würde. Sie ist mit Tanja und Lukas gut befreundet.” Auch Laib kennt das Musikerpaar schon lange. Die beiden sind verheiratet und leben ganz in der Nähe von Ulm. Auch hinsichtlich der Corona-Einschränkungen also ideale Voraussetzungen. Laib lacht und ergänzt: “Das hat eigentlich fast wie die Faust aufs Auge gepasst.”

Parallel zur Produktion lief der Grafik-Prozess: Zum Hörspiel gibt es nämlich ein umfangreiches und liebevoll gestaltetes Begleitheft mit schönen Zeichnungen, in dem alle am Projekt Beteiligten vorgestellt werden sowie die Route und die ­einzelnen Schauplätze noch einmal beschrieben werden. In einem kleinen Schwäbisch-Wörterbuch können im Dialekt Ungeübte außerdem unklare Begriffe nachschlagen. 

Weit mehr als ein Hörspiel

Auch ein Blick auf die Website des Projekts zeigt: “Der Ulm-Träumer” ist weit mehr als ein Hörspiel. Im Online-Shop gibt es sogar einige Fan-Artikel wie Kissen und ein T-Shirt. Auch ein Arbeitsheft für den Unterricht ist hier zu finden. “Unsere Idee war, dass Lehrerinnen und Lehrer vor allem während des Lockdowns das Hörspiel kapitelweise durchnehmen können.” Zu jedem Kapitel gibt es ein Arbeitsblatt. “In sechs oder sieben Ulmer Schulen wird das Hörspiel schon im Unterricht durchgenommen”, weiß Laib. Es gebe erste Anfragen, ob begleitende Führungen zum Hörspiel angeboten werden. Und auch die Noten zu den Stücken sollen bald zu kaufen sein. 

Neben den vielen neuen Herausforderungen, die die Produktion des Hörspiels für Laib bereithielt, ist es für ihn ein besonderes Highlight, dass das komplette Projekt in Eigenregie entstanden ist. Ein weiterer Höhepunkt aus emotionaler Sicht ist die Aktion “1€ pro CD für ebbes Guads mit Herz!”. Laib erklärt: “Da suchen wir uns immer Projekte mit regionalem Bezug aus, die sich ­sozial engagieren, beispielsweise der Kinderschutzbund oder Einrichtungen, die sich für den Tierschutz einsetzen. Da fahren wir dann hin und reden mit den Leuten. Das ist jedes Mal ein wirklich gutes Gefühl!”

Auf die Frage, ob der “Ulm-Träumer” irgendwann auch auf die Bühne kommt, antwortet Laib: “Ein Traum von Gaby ist, dass wir irgendwann vielleicht sogar mal ein kleines Musical ­daraus machen.” Dafür brauche man allerdings noch ein, zwei weitere Folgen. Bei den Ulmer Kinderbuchtagen (KIBUM) gab es Mitte Juni bereits eine Lesung mit Live-Musik. 

Die Fortsetzung wird bereits produziert und soll gegen Ende des Jahres erscheinen. “Im zweiten Teil wollen wir in allen Bereichen noch mal eine Schippe drauflegen, das ist uns wichtig”, kündigt Laib an. Wieder wird ein Ulmer “Promi” mit dabei sein. Während im ersten Teil der ehe­malige Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner dem Staufer-Löwen Bärtle seine Stimme lieh, wird im zweiten Teil der Basketballspieler Per Günther, ein Bundesliga-Star von Ratiopharm Ulm, eine Rolle übernehmen. Neu wird auch der Schauplatz sein. Laib verspricht: “Es gibt noch zahlreiche weitere interessante Ecken in Ulm, über die es viel zu erzählen gibt!”

www.derulmtraeumer.de