Orchestra | Von Johannes Jerg

LBO-Dirigent Björn Bus über seinen Corona-Alltag

Dirigent

Das Corona-Virus greift tief in jedes Leben ein. Auch der künstlerische Leiter des Landesblasorchesters Baden-Württemberg, Björn Bus, gibt in dieser Zeit einen Einblick in seinen neuen, herausfordernden und veränderten Berufsalltag. Warum der Niederländer Deutschland vermisst und sich einfach so 20 Minuten in den Wald setzt.

Wie verbringst Du deinen Tag? Was machst Du gerade?

Da alle meine Engagements abgesagt wurden, musste ich mich erstmal neu ausrichten. Eigentlich wäre ich den ganzen Sommer beschäftigt gewesen: von Juror-Tätigkeiten bei Wettbewerben in Singapur über Gastdirigate und Masterclasses in der Schweiz – alles wurde abgesagt. Doch als künstlerischer Leiter beim World Music Contest, der auf 2022 verschoben wurde, entwickeln wir derzeit neue Initiativen. Trotz der Situation möchten wir die Blasmusikszene weiterentwickeln. Wir riefen den Online-Wettbewerb BLOW! to Woodstock ins Leben und geben mit unserer Serie Music Talks verschiedenen Persönlichkeiten aus der internationalen Szene eine Stimme. Auch das Orchester des Niederländischen Zoll (Douane Harmonie Nederland) hat seine Proben und Konzerte vorerst ausgesetzt. Trotzdem haben wir ein musikalisches Projekt Musik ohne Grenzen durchgeführt.

Ansonsten nutze ich die Zeit, um mehr Tiefe in der Musik zu suchen: ich schaue Partituren an, für die ich bisher keine Zeit gefunden habe. Im Concertgebouw Amsterdam war ein Festival für Gustav Mahler geplant, das online durchgeführt wurde. So konnte man alle Sinfonien anhören und über Podcasts mehr über die Werke und den Komponisten erfahren. Das ermöglichte mir einen neuen Fokus auf den Komponisten zu legen, neue Geschichten zu finden und die Hintergründe besser zu verstehen.

Und ansonsten, was machst Du abseits der Musik?

Ich bin viel in der Natur: Wandern, Mountainbiking und Sport geben mir die Bewegung, die mir aufgrund der Absagen natürlich fehlt. Dirigieren ist ja auch eine Art Sport. Außerdem betätige ich mich gerade im Garten. Und natürlich genieße ich die Zeit mit meiner Familie, die glücklicherweise kerngesund ist.

Was vermisst Du am meisten?

Natürlich das Dirigieren im Allgemeinen und das gemeinsame Musizieren. Das fehlt einfach! Abgesehen davon vermisse ich eine klare Positionierung der Niederländischen Regierung für Künstler. Meiner Meinung nach bekommen wir derzeit keine Perspektive geboten. Der Umgang mit der Kultur in Deutschland ist einfach wertschätzender als bei uns. Daher vermisse ich die Arbeit in Deutschland: hier steht Angela Merkel für die Kultur ein und setzt sich für die Belange der Künstler mehr ein als es bei uns der Fall ist. Das würde ich mir wünschen, denn Musik verbindet – und derzeit ist sie daher umso wichtiger!

Was ist das Gute an der Zeit? Hast Du vielleicht etwas gelernt und ziehst etwas daraus?

Bis die Corona-Pandemie ausbrach, habe ich sehr viel gearbeitet. Jedes Wochenende war ich auf Reisen, jeden Tag war ich von morgens bis abends voll beschäftigt – also total im Hamsterrad, das jetzt abrupt gestoppt wurde. Man merkt, dass man mindestens einmal wöchentlich einen Corona-Tag braucht, um viele Dinge zu vertiefen und Dinge zu erleben. Sei es bei einer Wanderung, beim Lesen oder Sport. Ich vergleiche das mit einem Schwamm: als Künstler wird einem sehr viel abverlangt und man muss sehr viel von sich geben. Der Schwamm wird mit der Zeit ausgedrückt und man muss dafür sorgen, dass der Schwamm wieder Zeit hat, sich vollzusaugen. Jetzt in dieser Zeit sauge ich mich wieder voll: ich höre Musik und beschäftige mich mit Philosophie und der Natur. Bin ich beispielsweise im Wald, höre ich einfach so 20 Minuten den Vögeln zu. Denn dann habe ich mal die Zeit nachzudenken, was sich Olivier Messiaen gedacht hat und wie ihn diese Geräusche inspirierten. So kann man besser verstehen, wie Werke wirken. Das kann ich dann wieder in meine Arbeit einbringen.

Machst Du vielleicht auch Musik? Wenn ja, welches Instrument und welche Stücke spielst Du?

Ich habe etwas Posaune gespielt, aber sonst nichts. Ich höre lieber verschiedene Werke an und lese dabei simultan in der Partitur mit. Denn als Dirigent ist man eher analytisch unterwegs – spielen sollen ja die anderen [lacht].

Was wird Dein nächstes Projekt? Worauf freust Du Dich am meisten, wenn die Pandemie überstanden ist?

Auf jeden Fall auf das Musikmachen in der Gruppe. Das ist das Allerwichtigste für mich. Und ich mache mir große Sorgen, wie das in der Praxis umgesetzt werden kann. 1,5 Meter Abstand wären im LBO sehr schwierig einzuhalten. Wir sind ein großes Orchester aus allen Teilen Baden-Württembergs und gehen sehr familiär miteinander um. Es würde einfach etwas fehlen, wenn wir auf die Umarmung bei der Begrüßung verzichten müssten. Aber jetzt müssen wir abwarten und gesund bleiben – auch Sie, liebe Leserinnen und Leser!

Als Maßnahme, der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) entgegenzuwirken, hat das Landesblasorchester Baden-Württemberg alle Veranstaltungen des ersten Halbjahres abgesagt bzw. diese ins Frühjahr 2021 verschoben. Wir hoffen, dass die Konzerte im Herbst wieder planmäßig stattfinden können. Trotzdem spielt das LBO für Sie Konzerte ganz privat im Wohnzimmer: Streamen Sie unsere neuen CDs Klangbilder oder Johan de Meijs neue Herr der Ringe-Sinfonie. Aber auch auf unserem YouTube-Kanal finden Sie einige interessante Konzerte wie das unserer letzten Teilnahme beim ECWO in Utrecht im Jahr 2016 oder unser Vizeweltmeister-Konzert 2017 beim WMC in Kerkrade.

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