Orchestra | Von Klaus Härtel

Oberst Apfolterer und die Militärmusik Tirol

Militärmusik
Oberst Apfolterer dirigiert ein internationales Großorchester mit circa 1500 Militärmusikern (Foto: Konrad Horst)

Die österreichische Militärmusik hat ihn geprägt – und er hat die österreichische Militärmusik geprägt. Besonders jene in Tirol. Mit 18 ist Johannes Apfolterer für den Grundwehrdienst eingetreten. Am Tag nach seinem 58. Geburtstag treffen wir den Kapellmeister zum Gespräch in der Innsbrucker Innenstadt. 

Oberst Apfolterer, 1983 sind Sie in die Militärmusik eingetreten. Vermutlich eine rhetorische Frage: Hat sich die Militärmusik in Österreich verändert? Inwiefern?

Ja, die Militärmusik hat sich verändert. Als ich damals angefangen habe, war die Militärmusik ein 60 Mann starkes – Frauen gab es damals noch nicht beim Militär – Ensemble. Die Militärmusik wurde im Laufe der Jahre kontinuierlich immer kleiner und kleiner. Den großen Bruch gab es dann im Jahr 2015. Da wurde die Militärmusik nur mehr auf Ensembles mit 19 Musikern reduziert. Das wurde von der Politik in Wien so veranlasst. Ein Jahr später hat man dann wieder begonnen, das Personal hochzufahren und wieder ein bisschen nach oben zu tendieren. Wir haben derzeit 45 Musiker. Demnächst bin ich wieder in Wien, wo eine Besprechung über das personelle System der Militärmusik stattfindet. Es ist angedacht, dass Posten geschaffen werden und man die Orchesterstärke noch ein Stück weiter anhebt.

Vermutlich treffen da zwei verschiedene Ansichten aufeinander, oder? Sie wollen möglichst gut Musik machen – wofür ein gewisses Personal notwendig ist, und die Politik möchte Geld sparen. Welche Möglichkeiten hat man da?

Wenn ich große musikalische Herausforderungen meistern will, die ich mit den 45 nicht leisten kann, dann engagiere ich zusätzlich eine Nachbarkapelle. Kürzlich haben wir in Kufstein auf der Festung ein Konzert gespielt, wofür ich die Militärmusik Kärnten dazu geholt habe. So hatten wir ein großes Orchester mit 100 Musikerinnen und Musikern – und da kann ich dann alles spielen. Das muss ich den Musikern auch bieten, weil ich sonst nicht die besten Musikerinnen und Musiker für mein Orchester bekomme. Mein Rezept ist klare Führung und Erfolg. Dadurch entsteht diese Motivation, mit der ich diese tollen Musiker bekomme.

Das ist dann natürlich eine pragmatische Entscheidung. Wie aber argumentiert man gegenüber der Politik, dass man Personal braucht? Politiker schmücken sich ja schon ganz gerne mit der Musik. Muss man da Argumente liefern? 

Argumente zählen eigentlich nicht für die Politik. Wenn sich etwas tut im Militärbereich, dann wird meistens ein Paket geschnürt – und da sind wir nicht zwangsläufig die Wichtigsten. Man muss da auch ein Stück weit zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Momentan ist es bei uns so, dass Klaudia Tanner, die Bundesministerin für Landesverteidigung, die Musik sehr gerne mag. Das ist natürlich ein Plus für uns. Auch der neue Generalstabschef in Österreich, General Rudolf Striedinger ist der Musik wohlgesonnen. Natürlich ist das nicht der einzige Punkt, der zählt. Geld spielt immer eine Rolle. Jeder will die Musik haben – nur kosten darfs nix. 

Was war damals 1983 für Sie der Beweggrund, zur Militärmusik zu gehen?

Ich hatte damals als junger 18-jähriger einfach den Ehrgeiz, bei der Militärmusik dabei zu sein. Der wurde auch befriedigt, denn ich habe es geschafft, auf Anhieb gleich an der ersten Klarinette zu sitzen – das hat mich natürlich motiviert. Die Kapellmeisterei hat sich dann später ergeben. Das hatte ich zu Beginn so noch nicht geplant. Ich hatte damals bereits einen Studienplatz bei Professor Peter Schmidl in Wien. Ich hätte also die Klarinette weiter spielen können, habe aber für mich überlegen müssen: Will ich in ein Orchester gehen oder will ich mit einer Militär­musik mobil bleiben und vielleicht auch inter­national herumziehen. Das hat mich dann dazu bewogen, den Weg als Militärkapellmeister einzuschlagen.

Oberst Johannes Apfolterer 

geboren 1965, wuchs in Mayrhofen im Zillertal in Tirol auf und wurde 1983 zur Militärmusik Tirol einberufen. Das Musikstudium am Konservatorium der Stadt Innsbruck beendete er mit der Ab­legung der staatlichen Lehramtsprüfung im Fach Instrumental- und Gesangspädagogik und der Diplomprüfung im Hauptfach Klarinette mit ausgezeichnetem Erfolg. Er absolvierte auch die Ausbildung zum Blasorchester-Leiter am Konservatorium der Stadt Innsbruck und setzte seine dirigiertechnische Ausbildung zum Orchester-­Dirigenten an der Kapellmeisterschule von Generalmusikdirektor Professor Edgar Seipenbusch fort. 1993 wurde er zunächst stellvertretender Militärkapellmeister bei der Militärmusik Tirol. 1994, im Alter von 29 Jahren wurde Hannes Apfolterer zum Kapellmeister des militärhistorischen Blasorchesters »Original Tiroler Kaiserjägermusik« in Innsbruck bestellt, 1995 wurde er zusätzlich mit der Leitung der Militärmusik Salzburg beauftragt. Ab 2001 als Chef und Kommandant der Militärmusik Tirol wurde ihm interimistisch zusätzlich von August 2008 bis März 2010 die Leitung der Militärmusik Vorarlberg übertragen, was bedeutet, dass er in diesem Zeitraum verantwortlicher Dirigent von drei Orchestern gleichzeitig war. Und er leitete montags weiterhin die Probe der Kaiserjägermusik.

www.hannes-apfolterer.at

Apfolterer
Was ist denn so faszinierend am Dirigieren?

Es ist vor allem die Arbeit mit den Musikern. Das Dirigieren selbst ist es bis zu einem gewissen Grad natürlich auch. Ich habe einen sehr guten Lehrer gehabt, den damaligen Innsbrucker Generalmusikdirektor Edgar Seipenbusch. Allein, dass er mich gelehrt hat, was die Unterschiede zwischen einem Theaterkapellmeister und einem Konzertkapellmeister sind. Bei Seipenbusch habe ich einerseits auch das Handwerk gelernt, aber andererseits auch, die Musik zu hören und zu machen. 

Ist es eigentlich so, dass je besser der Dirigent ist, desto weniger nimmt man ihn im Konzert wahr? 

Das würde ich unterschreiben. Ich sage immer: weniger ist mehr. Dann reagiert das Orchester auch schneller. Wenn ich merke, die Orchestermusiker laufen, dann lasse ich sie laufen. Wenn ich dann die Hand hebe, ist das fast wie eine Vollbremsung (lacht).

Werden Dirigenten im Laufe der Karriere mit dem Alter und mit der Erfahrung immer besser? Hat ein Dirigent irgendwann einmal ausgelernt? 

Nein, das glaube ich nicht. Man hat nie ausgelernt. Ich befinde mich in einem Prozess. Und zwar in vielerlei Hinsicht. Im Dirigat sowieso, aber eben auch in der geistigen Entwicklung und in der Formierung. Nicht zuletzt spüre ich es bei meinem Gehör. Ich höre Dinge, die ich vor zehn Jahren nicht gehört habe. Ich merke, dass meine Entwicklung immer noch weiter geht.

Welche Eigenschaften sind es denn, die den erfahrenen Dirigenten ausmachen?

Das ist ein Prozess. Man lernt und lernt und lernt. Und irgendwann hat man dann eine gewisse Ruhe, mehr Gelassenheit und Überlegtheit. Bestimmte Dinge sind einfach auch leichter vorbereitet, weil man es einfach über die Jahre gelernt hat. Das ist heute unser Potenzial und Kapital. 

Und wenn Sie heute bestimmte Werke auf das Programm setzen, die Sie schon öfter gespielt haben, müssen Sie die nicht mehr vorbereiten? Kennen Sie die auswendig? 

Das schon, ja (lacht). Es ist tatsächlich eine meiner Leidenschaften, dass ich nur auswendig dirigiere. Ich habe gelernt, die Partituren sauber zu lernen in Form der Analyse eben. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich mir die Werke nicht mehr anschaue. Denn gerade wenn ich Werke schon öfter gespielt habe, ist es durchaus wahrscheinlich, dass ich es beim nächsten Mal ein bisschen anders mache. Der Mensch entwickelt sich weiter und somit auch meine Sicht auf die Musik. 

Wie ist denn in Österreich generell der Stellenwert der Militärmusik? Auch in Bezug auf die Bevölkerung?

Ich kann hier nur für Tirol sprechen, da ist der Stellenwert sehr hoch. Gerade in den vergangenen Jahren ist der noch einmal gestiegen – was man unter anderem auch an der Kooperation mit dem Tiroler Landeskonservatorium hier in Innsbruck sehen kann. Wir arbeiten da wirklich gut zusammen und ergänzen uns gegenseitig. Und wird fordern uns auch gegenseitig – nur so kann das Level hoch bleiben. 

Wie sieht diese Kooperation aus?

Ich bin Mitglied der Prüfungskommission für den Lehrgang Blasorchesterleitung des Tiroler Landeskonservatoriums. Und als einziges Berufsblasorchester in Tirol steht die Militärmusik Tirol als Prüfungsorchester zur Verfügung. Andere Studierende sollen in Zukunft zudem auch das Sinfonische Blasorchester kennenlernen. Diese Kooperation ist exklusiv. Früher haben wir auch viel mit dem Blasmusikverband oder den Musikschulen gemacht – aber die Kooperation mit dem Konservatorium ist dafür umso intensiver jetzt.

Inwiefern profitiert die Militärmusik davon?

Die Militärmusik ist gefordert mit der Erarbeitung von neuen Werken. Jede Probe ist eine neue Herausforderung. Und wenn dann vorne verschiedene Dirigentinnen und Dirigenten stehen, lernt ja auch das Orchester wieder etwas dazu. Jeder Dirigent ist anders. Und vielleicht wird dadurch ja auch der eine oder andere Musiker dazu animiert, Dirigent zu werden. 

Geben Sie den Studierenden auch Feedback oder Anleitungen?

Da pfusche ich dem Lehrenden in der Regel nicht rein. Ich sitze in der Kommission, schau mir das an und bewerte es. 

Diese Kooperation ist eine Aufgabe der Militärmusik Tirol. Was steht denn sonst noch so auf der Agenda?

Wir haben im Jahr etwa 150 Einsätze: Konzerte, Protokolle, Aktionstage, Kommandoübergaben. Da spielen natürlich auch schon mal kleinere Ensembles, aber ich versuche immer, mit der ganzen Mannschaft anzutreten. Musik verbindet und die Militärmusik ist eines der wichtigsten Bindeglieder zur Zivilbevölkerung. Und nicht zuletzt sind die besonderen Konzerte auch das Motivationsmittel für die Musikerinnen und Musiker – nur mit Protokolldienst hätten wir es da schwerer. Vor Kurzem hatten wir wieder einmal etwas Besonderes auf der Tagesordnung: Wir haben ein Konzert mit dem Hornisten Felix Klieser gespielt. Strauß stand auf dem Programm.

Wie sieht die Zukunft aus?

Ich bin jetzt 58, mit 62 dürfte ich in Pension gehen und mit 65 muss ich in Pension gehen. Meine Nachfolge muss irgendwann geklärt werden. Es wird auch erwartet, dass ich einen Vorschlag bringe – aber das ist nur ein Vorschlag… Ich möchte die Militärmusik Tirol schon in guten Händen wissen. Ein bisschen Zeit ist ja noch (lacht).

Im Gehen verrät Oberst Apfolterer noch, dass im Jahr 2024 “etwas Großes” passiert. Hamburg soll der Schauplatz werden und Apfolterer freut sich schon jetzt wie ein kleines Kind. Er lässt sich aber noch nicht in die Karten schauen – verspricht aber, dass die Leserinnen und Leser von BRAWOO als erstes davon erfahren… 

Hier geht es zu einem Beitrag über die Militärmusik Oberösterreich.