Orchestra | Von Klaus Härtel

Oberst Klinkhammer ist neuer Leiter der Militärmusik

Militärmusik
Oberst Thomas Klinkhammer im Gespräch mit Klaus Härtel (Foto: Albrecht/Bundeswehr)

Am 22. Februar 2022 wechselte die Leitung des Militärmusikdienstes und des Zentrums Militär­musik der Bundeswehr in einem feierlichen Appell in Bonn. Oberst Christoph Lieder übergab das Kommando an Oberst Thomas Klinkhammer. Aus Anlass seiner 100-­tägigen Amtszeit reisten wir nach Bonn, um dem neuen “obersten Kapell­meister” der Bundeswehr ein paar Fragen zu stellen.

Herr Oberst Klinkhammer, seit 100 Tagen ­bekleiden Sie nun Ihr Amt. Der Chef des Streitkräfteamtes, Generalmajor Franz Weid­hüner, sagte bei der Übergabe des Militärmusikdienstes an Sie, dass dieses Amt besonders herausfordernd sei. Nach diesen 100 Tagen: Stimmt seine Aussage?

Der Respekt vor dem Amt ist auf jeden Fall vorhanden. Aber mindestens gleichberechtigt sind die Zuversicht und der Optimismus. Ich genieße die Aufgaben, denn ich bin umgeben von äußerst kreativen, engagierten und motivierten Menschen in meinem Umfeld. Damit meine ich nicht nur die Angehörigen des Militärmusikdienstes im Zentrum Militärmusik, sondern auch in den Musikeinheiten. Und das macht Freude.

Was waren Ihre ersten Amtshandlungen? Vorstellung bei der Truppe?

Leider noch nicht persönlich, aber ich habe mich zunächst mittels eines von unserem Informationsarbeit-Team produzierten Videos an die Angehörigen der Musikeinheiten gewandt und mich vorgestellt. Das persönliche Kennenlernen steht noch aus. Im Sommer beginne ich, die ersten Musikkorps zu bereisen. Corona hat leider auch hier sehr bremsend gewirkt.

Was wollen Sie den Orchestern dann persönlich mit auf den Weg geben? 

Das Zentrum Militärmusik der Bundeswehr als sowohl fachlich wie auch truppendienstlich vorgesetzte Dienststelle sorgt unter anderem dafür, dass die Musikeinheiten bestmöglich personell und materiell ausgestattet sind. Dafür sollen die Orchester bei ihren Auftritten professionell, sympathisch und eben auch bestmöglich überzeugen. Diese “Botschaft” möchte ich stets in Erinnerung rufen, damit die Musikerinnen und Musiker sich bei jedem Musikeinsatz dieser Verantwortung stellen und somit weiter den ex­zellenten Ruf der Militärmusik stärken. Dies gilt insbesondere unter den realen und erbarmungslosen Bedingungen des Medienzeitalters: wie schnell ist ein Handy gezückt und jeder noch so vermeintlich unbedeutende Auftritt kann eine ungeheure Wirkung entfalten, positiv wie negativ. 

Ein gegenseitiges Kennenlernen ist ja ei­gent­lich nicht nötig, oder? Denn Sie waren ja vorher schon Stellvertreter hier. 

Ja, ich bin schon einige Jahre im Geschäft. Der Musikbereich innerhalb der Bundeswehr ist doch überschaubar, sodass man sich immer wieder mal über den Weg läuft. Man kennt sich. Da ich in Hilden im Ausbildungsmusikkorps viele Prüfungen mitverfolgt habe, konnte ich auch einige Lehrgangsteilnehmende kennenlernen. 

Militärmusik
Oberst Thomas Klinkhammer im Gespräch mit Klaus Härtel (Foto: Albrecht/Bundeswehr)
Unabhängig von Corona – gibt es denn etwas, das Sie anders machen wollen? 

Da ich einige Jahren die Themen aus der Stellvertreterrolle begleiten und bearbeiten durfte, werde ich nichts Grundlegendes ändern. Ich werde den Schwerpunkt bei den Inspizierungen leicht ändern. Aber die laufenden, erfolgreichen Projekte werden selbstverständlich weitergeführt und weiterentwickelt: Musikfest der Bundeswehr, BwMusix, Woche der Militärmusik und die Masterclasses. 

Sie haben in Ihrer Antrittsrede gesagt, dass Sie das Amt mit Respekt, aber auch Optimismus übernehmen. Wie meinen Sie das?

Ich habe Respekt vor der Verantwortung, welche jetzt auf meinen Schultern liegt. Bei meinen bisherigen Antrittsbesuchen bei verschiedenen Inspekteuren und vorgesetzten Dienststellen konnte ich eine besondere Wahrnehmung er­leben: Für meine Gesprächspartner war ich DER Leiter und Repräsentant der Militärmusik. Davor habe ich Respekt, frei nach dem Motto: “Hoffentlich mache ich alles richtig.” (lacht) Voller Opti­mismus bin ich, weil ich weiß, dass die Menschen im Militärmusikdienst hoch kreativ und motiviert sind. Wir haben 15 Musikeinheiten mit einer professionellen und sehr akzeptierten Außendarstellung – das ist schon ein hohes Gut und dies soll weiter in die Zukunft tragen.

Konnten Sie bei den Antrittsbesuchen erkennen, wie die Wertschätzung der Militärmusik ist?

Ob beim Inspekteur des Sanitätsdienstes, dem Inspekteur der Streitkräftebasis oder beim Bundesamt für das Personalmanagement – überall konnte ich feststellen, dass die Militärmusik ein bemerkenswert hohes Ansehen genießt. Die Freude, wenn der oberste Musiker kommt, war wirklich spürbar. Wir, die Musiker, sind halt ein sehr sympathischer Botschafter sowohl nach ­innen in die Bundeswehr als auch nach außen in die Bevölkerung. 

Also war es nicht so, dass etwas vermeintlich Unwichtiges wie die Musik aufgeschoben wird – vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und auch der Pandemie?

Nein. Während der Pandemie konnten wir in einem vollkommen anderen Aufgabenfeld auch überzeugen. Ungefähr ein Drittel unseres Per­sonals hat die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung unterstützt und – nebenbei bemerkt – war dabei teilweise wesentlich schneller als das eigentliche Hauspersonal. Unsere Angehörigen waren in Pflegeheimen tätig und haben sogar auch geimpft. Das wird ­anerkannt. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes bewertet unsere Musikerinnen und Musiker als “Hochwertpersonal”. Und das kommt noch einmal obendrauf zur musikfachlichen Qualität, die die Truppe vor allem sieht, hört und wertschätzt. 

Aber würden Sie mir zustimmen, dass sich das Bewusstsein, dass Musik in der Bundeswehr wichtig ist, in der Vergangenheit zum Positiven verändert hat?

Schon, ja. Das hängt auch damit zusammen, dass wir mit der Aufstellung des Zentrums eine Zentralisierung beispielsweise der Musikeinsatzgebung erreichen konnten. Früher waren die Musikkorps den verschiedenen Organisationsbereichen unterstellt. Das heißt, ein Luftwaffenmusikkorps gehörte zur Luftwaffe, ein Heeresmusikkorps war einer Heeresdivision angegliedert und so weiter. Für die musikfachlichen ­Dinge war zwar schon immer der Leiter Militärmusikdienst zuständig, aber der militärische und administrative Truppenalltag wurde durch die jewei­ligen unterschiedlichen Vorgesetzten bestimmt. Früher konnten die Generale sagen: “Mein Musikkorps brauch ich jetzt da und da.” Heute müssen sie bei uns anfragen. (lacht) Aber mit der Zentralisierung können wir nun endlich die Ressource Militärmusik effizient, wirtschaftlich und angemessen einsetzen. Dies wird allgemein anerkannt. 

Wie sieht es mit der Akzeptanz in der Be­völkerung aus? Die musikalische Qualität kommt an. Viele Veranstaltungen haben noch einmal eine höhere Öffentlichkeitswirksamkeit: Das Musikfest der Bundeswehr in Düsseldorf etwa, oder wenn das Musikkorps der Bundeswehr in Wacken spielt. Das sind Dinge, die über “übliche Blasmusik­kreise” hinausgehen. Das sind hervorragende PR-Aktionen – aber dienen sie auch der Nachwuchswerbung? 

Unbedingt. Das wichtigste Thema für uns lautet: Personalgewinnung. Im Beamtendeutsch heißt das so schön “wir haben eine personelle Unterdeckung im Bereich der sogenannten Mangelinstrumente”. Bei der Klarinette sind wir derzeit in einer entsprechenden Situation, bei der Tuba und dem Fagott zeichnet sich ein Fehl ab dem Jahr 2025 ab. Hier müssen wir gezielte Maß­nahmen einsteuern bzw. haben dies bereits begonnen. Und ja, solche Veranstaltungen sollen auch dazu beitragen, dass wir in der Szene bekannt werden. Wir wollen darstellen, dass die Militärmusik ein Berufsfeld sein kann. Wer sin­foni­sche Blasmusik beruflich ausüben möchte, sollte sich bei uns umsehen. 

Zumal die Bundeswehr immer noch der größte Arbeitgeber in Sachen Blasmusik ist.

Ja, das ist richtig: Wir verfügen über den größten Anteil aller Arbeitsplätze in Deutschland in diesem Segment. Und wir benötigen Personal. Interessierte wenden sich gerne an unser Ausbildungsmusikkorps in Hilden. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf Studienanfänger, also die­jenigen, die auf Kosten des Bundes einen Bachelor-Abschluss absolvieren können, sondern auch auf sogenannte Seiteneinsteiger, die bereits ein abgeschlossenes Musikstudium vorweisen können. Insgesamt bieten wir einen sicheren Job, ein sicheres Gehalt.

Sind die Meisterklassen auch ein Stück weit Nachwuchswerbung?

Ja. Deshalb finden diese auch in Hilden auf unserem Campus des Ausbildungsmusikkorps statt. Jeweils bis zu 30 Teilnehmende können eine erstklassige, äußerst attraktive Weiter­bildung bei idealen Bedingungen erleben. Die unausgesprochene Erwartung unsererseits ist natürlich, dass dies dann in die Szene hinein­getragen wird. Unsere Musikakademie der Bundeswehr, wie wir das Ausbildungsmusikkorps noch inoffiziell nennen, soll als Tor zur zivilen Blasmusikszene weiter geöffnet werden. 

Klinkhammer

Oberst Thomas Klinkhammer

begann seine musikalische Ausbildung an der Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf, zunächst mit musikalischer Früherziehung, dann am Klavier und später an der Klarinette. Nach dem Abitur ging er zur Bundeswehr und begann im darauffolgenden Jahr ein Kapellmeisterstudium mit den Hauptfächern Dirigieren und Klavier an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. 1985 legte er das Kapellmeisterdiplom ab.

Von 1992 bis 2003 führte er das in Ko­blenz beheimatete Heeresmusikkorps 300. Seit 2003 ist er in der Organisation und Verwaltung des Militärmusikdienstes der Bundeswehr tätig, zunächst im Dezernat Militärmusik des Streitkräfteamtes, dann im Zentrum Militärmusik.

Seit dem 22. Februar 2022 ist Oberst Klinkhammer Leiter des Militärmusikdienstes und Leiter des Zentrums Militärmusik der Bundeswehr. Damit trägt er die fachdienstliche sowie truppendienstliche Verantwortung für etwa 1000 Soldatinnen und Soldaten.

Sie sind 1980 in die Bundeswehr eingetreten und wurden nach der Grundausbildung zum Kapellmeister ausgebildet. Was waren die Beweggründe? Der “sichere Job”?

Mein Weg war eigentlich vorgezeichnet. Ich stamme aus einer musikalischen Familie. Schon mein Großvater und mein Onkel haben den ältesten Musikverein in Rheinland-Pfalz geleitet: den Musikverein 1821 Neuerburg. Da bin ich groß geworden, dort war ich Klarinettist. Mein Vater war Zeitsoldat im damaligen Heeresmusikkorps 7 Düsseldorf, daher mein früher Bezug zur Bundeswehr. Der Berufswunsch nach dem Abitur war klar: Es sollte auf jeden Fall etwas mit Musik sein. Orgel habe ich überlegt, Klarinette war natürlich ein Thema und letztlich blieb das Klavier übrig. Damit habe ich mit sechs Jahren angefangen. Und da ich im Musikverein groß geworden bin, hatte ich schon früh den Wunsch, ein richtig großes Orchester zu dirigieren, diese ungeheure Klangvielfalt und solch einen geballten Sound “in der Hand” zu haben. 

Sie waren dann lange Kapellmeister und sind schließlich in die Administration gewechselt. War das ein schwerer Schritt?

Nein. Als Leiter eines Musikkorps wird man regional sehr intensiv wahrgenommen und kann sich manchmal als der König in seinem regio­nalen Umfeld fühlen. Das war die bis dahin schönste Zeit meines Berufslebens. Musikalisch “trockengelegt” wurde ich 2003 mit dem Wechsel in das damalige Dezernat Militärmusik in Bonn. Es war – und ist es immer noch – sehr reizvoll, etwas beruflich Neues kennenzulernen. Nach der schönsten Zeit kam dann die nächste schönste Zeit. In meinem Fall kommt auch eine regionale Verwurzelung hinzu. Meine Familie und ich wohnen seit vielen Jahren glücklich in der Eifel und da ist Bonn als Standort natürlich besonders attraktiv. Da fällt die Entscheidung schon leichter, in die Administration zu wechseln.

Ist es da ein Vorteil, dass Sie die Musik schon “von innen heraus” kannten? Oder anders gefragt: Kann man als Nicht-Musiker dieses Amt überhaupt übernehmen?

Nein, kann man nicht. Und es ist sehr wohl von Vorteil, um nicht zu sagen unabdingbar, wenn man die Abläufe in einem Musikkorps kennt. Vor allem, weil die Musikeinheiten sich darauf ver­lassen können, dass wir wissen, um was es geht. Häufig sind ja auch Entscheidungen zu treffen, die den Alltag beeinflussen. 

Was war denn eigentlich am 22. Februar – als Sie das jetzige Amt übernommen haben – Ihre erste Amtshandlung? Haben Sie erst einmal Ihre Fotos aufgestellt? Die Verteidigungsministerin angerufen?

Ich habe versucht, die Schränke in meinem ­neuen Büro einzuräumen, das ist mir aber bis heute immer noch nicht ganz gelungen. (lacht) Dann ging es in erster Linie darum, meine Antrittsbesuche terminlich zu organisieren. 

Aktuell herrschen im Verteidigungsministerium andere Themen vor als die Musik. Inwiefern spielt der Krieg in der Ukraine bei der Militärmusik eine Rolle?

Im Tagesablauf spielt er im Moment keine Rolle. Aber wir haben natürlich Anknüpfungspunkte, beispielsweise mit dem Musikfest der Bundeswehr. Das wurde zweimal coronabedingt verschoben, aber schon für 2020 war das Repräsentationsorchester der ukrainischen Armee eingeladen. Diese Einladung haben wir aktuell erneuert. Der ganz klar ausgesprochene Wunsch seitens der Ukraine ist: “Bitte vergesst uns nicht. Wenn es irgendwie möglich ist, kommen wir.” Wir werden auf jeden Fall einen Platz in der Show freihalten, sodass sie am 24. September in Düsseldorf auftreten können.

Ansonsten gibt es bei der Bundeswehr neben der Hauptfunktion eine sogenannte Zweitrolle, die wir derzeit in engem Kontakt mit dem Sanitätsdienst weiterentwickeln. Landes- und Bündnisverteidigung ist hier das Stichwort. Mit der Annexion der Krim rückte diese wieder in den Mittelpunkt der strategischen Ausrichtung der Bundeswehr. Die Angehörigen des Militärmusikdienstes sind von jeher mit einer sanitätsdienstlichen Nebenrolle ausgestattet. Und diese Rolle wird nun vor dem Hintergrund des russischen Einmarsches in die Ukraine angepasst. Insofern wirkt sich der Krieg in der Ukraine auch mittelbar für uns aus.

Ist das dann auch der Moment, in dem einem bewusst wird, dass Musiksoldaten eben trotzdem Soldaten sind?

Absolut, das kommt dann sehr zum Tragen. Dies wurde vielen auch in der Pandemie bewusst, als wir für unser Land Amtshilfe geleistet haben.

Ein russisches Orchester wird wohl beim Musikfest nicht dabei sein…

Richtig. Es berührt mich allerdings sehr, wenn ich an die vielen musikalischen Begegnungen mit russischen Musikkorps bei internationalen Festivals in der Vergangenheit denke. Unvergessen sind die Auftritte deutscher Musiksoldaten auf dem Roten Platz in Moskau. Derzeit herrscht natür­lich Eiszeit in den Beziehungen. Aber ich hoffe, dass in naher Zukunft die Musik dazu beitragen kann, diesen unmenschlichen Zustand überwinden zu helfen.

Beim Musikfest nehmen Menschen aus mindestens sechs Nationen teil. Stargast sind die “Bläck Fööss”. Was ist denn eigentlich das Ziel eines Musikfestes der Bundeswehr? 

Wir wollen die Bundeswehr gleichermaßen sympathisch wie professionell darstellen und die Verbindung zur Bevölkerung besonders betonen. Im Schwerpunkt steht das völkerverbindende Element, das sich mit der Weltsprache Musik einzigartig in einem solchen Format darstellen lässt.

Herr Oberst Klinkhammer, eine abschlie­ßende Frage: 100 Tage sind Sie nun im Amt. Haben Sie Ziele, die Sie sich bis zum Tag X vorgenommen haben?

Ende September 2026 werde ich voraussichtlich in den Ruhestand versetzt. Bis dahin versuche ich gemeinsam mit dem gesamten Militärmusikdienst, unsere Profession sowohl innerhalb der Bundeswehr als auch in der Öffentlichkeit weiter zu verorten und zu festigen. Denn ein Leben ohne Musik ist nicht vorstellbar.