Brass, Orchestra, Wood | Von Jürgen K. Groh

Stagnation ist normal! Üben üben!

Üben

Die Serie Serie “Üben üben!” befasst sich mit der Gestaltung bzw. Planung des Übens. Zu Beginn steht der Grundgedanke, es folgen nähere Erläuterungen dazu. Selbst bei schnellem Durchblättern wird die Kernaussage erfasst. In der 11. Folge geht es auch um Motivation.

Kennen Sie dieses Gefühl, wenn Ihnen ein gesuchter Name “auf der Zunge liegt”, Sie ihn aber nicht aussprechen können, während er Ihnen bei einer späteren und vollkommen anderen Aktivität urplötzlich einfällt? Oder dass beim Üben eine musikalische Pas­sage nicht funktioniert, während sie am nächsten Tag wie von Zauberhand gelingt? Beides sind deutliche Zeichen, dass Ihr Gehirn unbewusst an Problemlösungen weiterarbeitet.

Das Lernplateu

Unser Lernfortschritt ist nämlich nicht gleich­mäßig, sondern nach einer Steigerung folgt eine Plateauphase, gefolgt von einem Lernfortschritt, gefolgt von einer Plateauphase usw.

Dieses Lernplateau ist ein lernbiologisch notwendiger Vorgang, weil in dieser Phase, durch Veränderung der synaptischen Verbindungen, neue Strukturen im Gehirn gebildet werden. Das bedeutet, dass es in einer gewissen – vom Lernenden abhängigen – Zeit keinen Lernfortschritt mehr gibt.

In dieser Phase wird das Gehirn umgebaut, denn beim Üben wird neues Wissen in vielen kleinen Teilen im Gehirn hinterlegt. Sobald ein gewisser Grad an thematisch zusammenpassenden Wissens-Teilen erreicht ist, werden diese vielen kleinen Teile zusammengefasst. Das Wissen wird dadurch weiter gefestigt und für das Gehirn leichter aufrufbar. Statt sich alle Einzelteile aufs Neue zusammensuchen zu müssen, steht dann alles Wichtige beisammen.

Diese Stagnationsphasen sind normal! Deshalb ist es sehr wichtig, dass Sie weiter üben und sich auf gar keinen Fall durch den stockenden Lernfortschritt demotivieren lassen! In diesem Zusammenhang gibt es auch das Phänomen, dass etwas immer schlechter wird, wenn man es mehrmals hintereinander spielt. Um dieser sogenannten proaktiven Hemmung zu entgehen, lenken Sie sich einfach kurz ab und spielen etwas anderes, dann kehren Sie wieder zurück und das Phänomen ist weg.

“Der längere Atem”

Schon vor über einem Vierteljahrhundert beschrieb der Aikido-Meister George Leonard un­seren Lernprozess mit diesem Plateauphasenmodell und unterscheidet in seinem in deutscher Übersetzung erschienenen Buch “Der längere Atem” mit humorvollem Augenzwinkern drei verschiedene Persönlichkeitstypen:

Dilettanten gehen anfangs euphorisch an das Üben heran. Doch mit dem ersten Plateau verpufft ihre Euphorie und sie brechen frustriert ab.

Phlegmatiker dagegen verharren einfach auf dem ersten Plateau, denn sie sind jetzt keine Anfänger mehr und ein solides Halbwissen reicht ihnen, um durchzukommen.

Fanatiker währenddessen nutzen die Chance des Plateaus nicht, um das Eingeübte zu ver­tiefen. Kaum haben sie die eine Ebene erreicht, klettern sie weiter und weiter – bis sie aus­rutschen und abstürzen.

Vielleicht erkennen Sie diese Persönlichkeits­typen als Mix oder sogar in Reinkultur in ihrem Umfeld. Oder Sie erinnern sich an die vielzitierte Inschrift am Apollotempel in Delphi: Gnothi ­seauton (“Erkenne dich selbst!”). 

Der Autor Jürgen K. Groh ist Master of Arts, Dirigent, Moderator und Vizepräsident der WASBE Sektion Deutschland. Er ist unter der E-Mail Adresse juergenkgroh@brawoo.de zu erreichen.