Orchestra | Von Tanja Dusel

Zum 70. Geburtstag von Kurt Gäble

Gäble
Der Dirigent Gäble in Action während der Aufführung von »Franziskus«. (Foto: Ralf Lienert)

Kurt Gäble hat mit 20 Jahren das Musik­studium in Augsburg abgeschlossen, was ­sicherlich eher nur eine formale Sache war. Der Autodidakt ist sich sicher “Musik ist Lebenshilfe”, wenn das Spielen mit Herz und Seele als Sprache gelingt. Der leidenschaftliche Radler und Fußballspieler schafft es, ein 49 Seiten großes DIN-A3-Werk, wie “Franziskus” mit der Hand auf Papier zu bringen und erst mit dem Orchester das erste mal zu hören. Eine ganz besondere Gabe!

Eine auffallend behagliche Atmosphäre erfährt man beim Betreten des Privathauses von Kurt Gäble. Der Autodidakt, der in den verschiedensten Bereichen überaus aktiv ist, ist der Natur sehr verbunden. Dabei bevorzugt er, sein Leben weitestgehend ohne digitale Technik zu leben und dabei seinem eigenen Rhythmus treu zu bleiben. Wer Gäble erreichen möchte, darf am altbewährten Festnetz durchklingeln. Noten bringt er nach wie vor per Bleistift zu Papier und zwar vom kleinen Duett bis zum großen Musical. Ganz ohne Computer erklingen seine Werke zum ersten Mal dann im live besetzten Orchester beziehungsweise Ensemble. Was für ein Gänsehautmoment das sein muss. 

Die Musik und das Erlernen von Instrumenten hat er sich autodidaktisch über das Hören angeeignet. Ein entscheidender Vorteil, der sich später mit einem unschlagbaren Ohr auszahlt. “Eigentlich ein kleines Wunder”, so der Musiker in eigener Reflexion. Der einzige Nachteil entstand dabei höchstens im Studium, da dann Fächer wie “Liedbegleitung” eher Langeweile bei Kurt Gäble verursachten, weil er sich maßlos unterfordert fühlte (lacht). 

Lieber Kurt, wie sind Sie zur Musik gekommen?

Meine Mama war mein Glücksfall. Wir waren ein Dream-Team. Bei der Feldarbeit haben wir uns die Heuernte mit dem Singen sehr erleichtert. Dadurch war mein Gehör sehr gut ausgeprägt – heute würde man sagen, dass die musikalische Früherziehung meine Mutter übernommen hat. Wir haben immer zweistimmig gesungen. 

Mein Vater hat mir eine Blockflöte geschenkt. Ein sehr billiges Modell, sodass meine Kinder diese später lieber als Heizmittel verwendet hatten (lacht), aber auf dem habe ich mich einfach probiert. Später hat mir meine Frau eine sehr gute Flöte mit in die Ehe gebracht. Da ich dieses Instrument sehr viel gespielt und geliebt habe, kaufte ich mir noch eine gebrauchte Sopranino, Alt- und Bassflöte dazu, um ein Flötenquartett zu gründen. 

Wie durch eine “göttliche Fügung” kam ich zu meinem ersten eigenen Klavier. Ich hatte damals mit jemandem, der klassisch Klavier spielte, an der Klarinette musiziert. Dessen Onkel war hier in Lauben Hauptschullehrer. Nachdem er verstorben war und er selbst keine Nachkommen hatte, wurde mir das Klavier vermacht. Und so konnte ich mich auf diesem ausprobieren. Mein großer Traum war es, dass eine meiner Kompositionen von einer Nachbarkapelle aufgeführt würde. 

Waren Sie schon immer Autodidakt?

Ja! Mit Versuch und Irrtum habe ich schon immer gearbeitet und so meine Ziele erreicht. Ich habe ohne Bücher gearbeitet und mein Kriterium war schon immer mein Gehör und mein Gespür für die Musik. Mein ganz großer Traum war von Beginn an, dass ich einmal im Leben etwas komponiere. Ich wollte gerne, dass die Nachbarkapelle Frickenhausen dies einmal aufführen würden. Das war mein persönlicher ganz großer Traum.

Wann ging das mit dem Komponieren dann los und was war das erste Stück?

Mit zwölf oder dreizehn Jahren habe ich die ersten Versuche unternommen. Aber das ist zum Glück nicht mehr vorhanden (lacht). Mein erstes Stück war ein Marsch und ich habe das geschrieben, was mir mein Umfeld geliefert hatte. Als ich das erste mal während des Studiums in Augsburg ins Theater ging und die »Zauberflöte« hörte, war das für mich wie ein Kulturschock. Bis dahin war mir diese Musik völlig fremd. Ich kannte hauptsächlich Volkslieder, Choräle, Schlager und einfache Unterhaltungsmusik unserer Blaskapelle. 

Welche Musikrichtung ist dann Ihre beliebteste?

Ganz schwierig zu benennen. Das Wichtigste ist, dass die Musik mich emotional erreicht. Da spricht mich jeden Tag auch etwas anderes an. Wobei ich zugeben muss, dass ich doch hauptsächlich klassische Musik höre. 

Was inspiriert Sie zum Schreiben?

Das Leben an sich ist die beste Inspiration. Die Familie, die Menschen, die einem begegnen, die Natur beim Wandern und Radfahren, das Glück, das man erfährt, inspiriert in alle Richtungen. Wichtig ist, das zu tun, was einen glücklich macht. 

Zurzeit spiele ich ehrenamtlich mit einer Band und Sänger für ältere Menschen auf Dorfplätzen und in Altenheimen. Viele Ehrenämter und Seminare haben mir Kraft, Freude und Inspiration zurück­gegeben. Dabei immer in führender Position. Vom Bezirksdirigent bis Hospitanten in der Schule betreut, Schulorchester auf 68 Musizierende aufgebaut, Tonproduktionen mit dem BR, Se­minare für Junglehrer, Kirchenvorsitzender, den Dorfplatz in Lauben gegründet, private Musikschule gegründet, ein Doppelquartett gegründet, den Kirchenchor geleitet und 30 Jahre Orgel gespielt, das Gottesdienstteam gegründet, kleine Band, mit der wir auf Dorfplätzen und auch in Pflegeheimen unterwegs sind. 

Was ist das Besondere in Pflegeheimen zu musizieren?

Das ist das dankbarste Publikum überhaupt. Pfleger haben berichtet, dass Bewohner, die noch nie ein Wort gesprochen haben, plötzlich zum Singen angefangen hätten oder gar das Tanzen anfingen. Da gibt es die tollsten Erlebnisse. 

Menschen können durch das Stimulieren bestimmter Synapsen das Langzeitgedächtnis im Gehirn wieder aktivieren und so wieder am Leben teilhaben. Sie gewinnen wieder ein Stück Lebensfreude und Glück zurück. 

Warum schreiben Sie Musicals?

Weil diese Art der Kunst die Kunstschaffenden miteinander verbindet. Sänger, Schauspieler und Musiker arbeiten gemeinsam zusammen. Und auch Menschen, die sonst nicht viel mit der Kunst gemein haben. Möglichst viele Leute erreichen und einzubeziehen, das macht es für mich aus. Dabei beginne ich zuerst mit dem Text und füge dann die Musik hinzu. 

Welches eigene Musikerlebnis hat Sie bisher am meisten bewegt?

Das war auf jeden Fall “Franziskus” – es war eine überwältigende Gemeinschaft. 18 000 Gäste. Das Stück dauerte mit Pause 2 Stunden und 15 Minuten. Ich finde kaum die Worte für dieses Erlebnis. Der Erfolg und die emotionale Welle, die daraus entstand, war überwältigend. Wenn wir in dem was wir tun, nicht erreichen, dass es die Menschen bewegt, dann ist alles nichts wert. Und wenn ich selbst nicht berührt bin, dann kann ich es nicht erwarten, dass es andere sind. Ich möchte immer das weitergeben, was ich Liebe und was meine Grundüberzeugungen sind. 

Kennen Sie Schreibblockaden?

Momentan schreibe ich zwar wenig, aber ich habe inzwischen sieben Enkel und sie sind mir aktuell einfach wichtiger. Das genieße ich sehr. 

Wie viele Stücke haben Sie insgesamt schon geschrieben?

Puh, ich habe ja schon geschrieben, bevor der Druck losgegangen ist. Ich bin auch noch nie zu einem Verlag hingegangen. Die Verlage kamen zu mir. “Les Humphries” war das erste Werk, wonach dann auch die umliegenden Kapellen gefragt hatten und der Musikverlag Rundel das ebenfalls mitbekommen hat. Wir kannten uns allerdings schon. Danach folgte das Preisträgerstück vom BR “Komet” und ich war damals noch kein “Szenen-Gänger”. Danach folgte ein Choral, den mein Partnerverlag Rundel auch herausgebracht hat.

Der Musikverlag Schorer verlegte dann in Folge “Das neue Lied”, “Udo Jürgens live”, “Zeitenwende”, “The Best of Beatles”, “Simon and Garfunkel” und “Symphony of Hope” von mir. Danach frage mich der Verlag De Haske an. Sie wollten alles von mir exklusiv. Aber das wollte ich nicht. Und so blieb die Zusammenarbeit mit Thomas Rundel und das läuft seitdem sehr gut. Ich bin der Einzige, der mit dem Fahrrad zu ihm kommt. So radle ich die 28 Kilometer, bring die Noten, trinke einen Kaffee und radle wieder zurück. 

Wie kamen Sie zum Barfußlaufen?

Ja, dazu gibt es eine kleine Geschichte. Meine Schwiegermutter hat mir immer Socken gestrickt. Zu allen Festtagen habe ich ein Paar von ihr geschenkt bekommen. Sie war aber doch etwas unglücklich, weil ich immer nur mit den Socken umher gelaufen bin und diese dadurch kaputt gingen. Daraufhin bin ich ganz ohne Fuß­bekleidung gelaufen. Natürlich nicht überall hin, zum Beispiel ist es in Städten viel zu gefährlich, aber sonst in die Musikprobe und zu Hause sowieso bin ich barfuß gegangen. 

Was sind die Pläne Ihrer Zukunft?

Ich lass jetzt alles auf mich zukommen. Das mache ich nun schon seit vielen Jahren so und das funktioniert sehr gut. Ansonsten habe ich Aufträge bis 2027. Das meiste, was ich einmal in einem Jahr bekam, waren über 30 Aufträge, die jedoch überwiegend traditionell geprägt waren. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Blasmusik allgemein?

In diesem Jahr halte ich einen Vortrag bei den Wertungsrichtern in der Oberpfalz. Meine Vision dabei ist, dass es wieder um den Menschen und den Musiker selbst geht. Es soll kein Wettbewerb, sondern lediglich eine Wertung des Augenblicks sein. Dabei sollte man mitgeben, wo es musikalisch weiter gehen könnte. Das ist meiner Meinung nach das große Manko. Es geht um den Inhalt der Musik und um deren Vielseitigkeit!