Wood | Von Klaus Härtel

15 Jahre Arcis Saxophon Quartett

Arcis Saxophon Quartett
Foto: Arcis Visuals

Wenn diese Ausgabe gedruckt ist, wird das Arcis Saxophon Quartett gerade seine “bisher verrückteste Tour” gestartet haben. Die vier Musikerinnen und Musiker machen halt in Abu Dhabi, Kuwait, Saudi Arabien, Nepal, Indien und im Libanon. Schließlich gibt es das Quartett seit mittlerweile 15 Jahren – und das muss natürlich gebührend gefeiert werden!

Wenn man die vier Musikerinnen und Musiker zum Interview bittet, hat man nicht nur das Gefühl, vier Freunde zu treffen. Nein, der menschliche Aspekt ist in diesem Ensemble ein Garant dafür, dass es seit nun mehr 15 Jahren erfolgreich ist. Ständig werden neue Ideen gesponnen, umjubelte Konzerte gegeben, innovative Projekte ins Leben gerufen. Das Arcis Saxophon Quartett, das sind die Gründungsmitglieder Claus Hierluksch (Sopran) und Ricarda Fuss (Alt), sowie Anna-Marie Schäfer (Tenor) und Jure Knez (Bariton). 

An den Beispielen der beiden Neuen kann man erkennen, dass die persönliche Ebene die wohl wichtigste Rolle im Ensemble spielt. Wobei “neu” bei Jure Knez nicht mehr gilt. Er ist immerhin auch schon seit acht Jahren dabei. Der damalige Kontakt zum Quartett kam über Claus Hierluksch zustande. Konkreter noch über dessen Eltern. Denn als Jure Knez damals zu Beginn seines Studiums in München eine Bleibe suchte, nächtigte er kurzerhand bei den Hierlukschs in Erding. Dass er dann ins Quartett kam, war auch ein Stück weit Wink des Schicksals. Als nämlich ein Baritonsax-Spieler gesucht wurde, sattelte der gelernte Sopransax-Spieler kurzerhand um. “Ich hatte vorher noch nie Bariton gespielt”, lacht Knez. Claus Hierluksch erzählt, wie er ursprünglich das Konzert im Rahmen der “European Chamber Music Academy” in Wien habe absagen wollen, weil eben das Baritonsaxofon nicht besetzt war. “Doch Hatto Beyerle war nicht davon zu überzeugen, dass wir nicht spielen konnten. Also hat Jure Vollgas gegeben. Und danach war er dann endgültig dabei.”

Die menschliche Ebene im Arcis Saxophon Quartett

Wirklich neu ist Anna-Marie Schäfer. Seit April 2023 ist die Tenorsaxofonistin dabei. Auch sie war bis dato als Sopransaxofonistin unterwegs. “Allerdings habe ich früher mit dem Tenor angefangen – für mich war es also eher eine Rückkehr zu den Wurzeln”, lacht sie. Auch hier war Zufall im Spiel. Kennengelernt hat sie das Quartett nämlich, weil der Percussionist Martin Grubinger krank war. Der Solist hätte ein Konzert mit dem Gürzenich Orchester in Köln spielen sollen. Und weil in München gleichzeitig Ricarda Fuss mit Corona flach lag, wurde eben eine Aushilfe gesucht – und aus dem freien Wochenende für Anna-Marie Schäfer ein München-Trip. “Mir gefiel damals schon die professionelle Arbeitsweise”, erklärt sie. Man sei in Kontakt geblieben und im April diesen Jahres habe sich dann die feste Zusammenarbeit ergeben. 

Claus Hierluksch bestätigt, dass die menschliche Ebene die wichtigste ist. “Definitiv! Natürlich muss das spielerische Niveau entsprechend sein, doch da dürfte die Auswahl an Saxofonisten noch relativ groß sein. Menschlich muss es einfach passen.”

Menschlich gepasst hat es auch vor 15 Jahren schon, als sich vier junge Studierende an der Musikhochschule in München kennenlernten, in der Arcisstraße. Aus einer “Weinlaune” heraus fand man dann zum Quartett zusammen. Das erste Konzert fand am 16. Dezember 2008 statt. Wobei Konzert etwas hochgegriffen ist. “Ein Stück durften wir spielen”, lacht Claus Hierluksch. Aber trotzdem war dieser Auftritt dann die Initialzündung, die Ensemblearbeit ins Studium zu integrieren. “Anfangs haben das gar nicht so ernst betrieben”, gibt der Sopransaxofonist zu. “Umso erstaunlicher, dass wir wirklich drangeblieben sind.” Nicht unbeteiligt war der Dozent Koryun Asatryan, der die Professionalisierung begleitet hat. Von 2013 bis zum Master­abschluss im Sommersemester 2016 studierten sie Kammermusik an der Universität der Künste Berlin in der Klasse des Artemis Quartetts. Allerspätestens da wurde klar, “dass wir das wirklich weitermachen wollen”, erklärt Ricarda Fuss.

Ensemble als fast einzige Möglichkeit, regelmäßig zu spielen

Claus Hierluksch fügt an: “Wir haben allerdings auch mit der Zeit gemerkt: Eigentlich ist es die einzige Möglichkeit, wenn man regelmäßig auf der Bühne stehen will.” Natürlich gebe es auch Saxofonsolisten, doch die seien schon eher rar gesät – und zumindest sind es die Auftrittsmöglichkeiten. Zu Beginn der Karriere, im Studium habe man natürlich eine Vorstellung, einen Wunsch, wie es laufen könnte, meint Ricarda Fuss. “Aber eigentlich keine Ahnung.” Sie lacht. “Vielleicht ist das auch manchmal gar nicht so schlecht, sich eine gewisse jugendliche Naivität zu bewahren!” Natürlich wäre es manchmal besser gewesen, manche Dinge schon vorher zu wissen, aber so sei das nun einmal … 

“Unsere ‘Karrierestufen’ waren irgendwie nie so geplant”, erklärt Claus Hierluksch. “Manchmal waren wir skeptisch und auch überrascht, dass das manchmal so klappt.” Ab einem gewissen Punkt in der Professionalität wäre es durchaus sinnvoll gewesen, gewisse Tools schon an der Hand zu haben. Das Kaufmännische etwa sei in der Ausbildung doch etwas zu kurz gekommen. “Aber das Problem hat ja jeder.” Anna-Marie Schäfer stimmt zu: “Das ist in der Ausbildung leider noch nicht vorgesehen. Man weiß das zwar, dass da irgendwas passieren muss, aber es bringt einem ja keiner bei.” Es gebe zwar mittlerweile Ansätze an den Hochschulen – mehr aber auch nicht. In jungen Jahren sei die Musik natürlich das Wichtigste, doch wenn “die Strukturen” sich parallel entwickelten, wäre das schon hilfreich. Da sind sich alle vier einig.

“Erlebniswelt” um das Arcis Saxophon Quartett

Doch “das Schicksal ist uns sehr gewogen gewesen”, findet Claus Hierluksch. “Wir hätten vielleicht hier oder dort mal mehr riskieren können, aber wir haben auch so viel ausprobiert! Und manches funktioniert und manches eben nicht.” Claus Hierluksch hebt zwei der Mentoren hervor, die beide erst kürzlich verstorben sind und die das Quartett geprägt haben. Hatto ­Beyerle und Friedemann Berger waren Förderer des Arcis Saxophon Quartetts und als Experten nicht ganz unschludig daran, dass das Saxofonquartett im Kammermusikbereich Fuß fassen konnte.

Arcis Saxophon Quartett
K.I.nd of Human (Foto: Georg Stirnweiß)

Bei allem gegenwärtigen Erfolg machen sich die vier Musikerinnen und Musiker – gemeinsam mit dem “Team Arcis” – stets Gedanken um die Zukunft. Sie wissen, dass man sich quasi immer wieder neu erfinden muss. So gibt es unter dem Dach “Arcis” mittlerweile eine ganze “Erlebniswelt” – mit dem Saxofonquartett als Mittelpunkt. Das Arcis Collective um die Choreografin Roberta Pisu gibt es seit der ersten Zusammenarbeit “Heimat” im Jahre 2020. Seitdem wurden mehrere Tanzprojekte (etwa “K.I.nd of Human” und “2X getanzt”) realisiert. Weiter führte “unsere unermüdliche Neugierde und unsere unablässige Suche nach dem perfekten Klang” zum eigenen Label Arcis Records.

Positive Unruhe

Ein Grund für die ständige positive Unruhe ist auch ein Fragebogen, den die Saxofonisten einigen Veranstaltern geschickt hatten. Die Auswertung nämlich habe ergeben, dass es zwar wichtig war, dass ein Saxofonquartett zu Gast war, nicht aber, dass es das Arcis Saxophon Quartett war. Claus Hierluksch fand das “traurig. Das will man als Künstler ja nicht hören!” Und so habe man sich gefragt: “Wo ist unsere Identität? Und aus dieser Frage hat sich dann ein bisschen ein Umdenken herauskristallisiert.” Und Ideen hat das Quartett viele, wie im Gespräch klar wird. “Eigentlich haben wir für zu viele Ideen zu wenig Zeit”, lacht Jure Knez. Der “klassische” Konzertbetrieb ist dabei immer noch der Hauptaspekt. Doch selbst diese Konzerte versuchen die Musikerinnen und Musiker, “anders” zu machen, besonders. “Das sind zwar oft nur kleine Stellschrauben”, erläutert Claus Hierluksch, “doch wir bemerken den Erfolg in den Reaktionen der Veranstalter und des Publikums”. 

Im Jahr 2017 titelte diese Zeitschrift noch vom “Exotenbonus” eines Saxofonquartetts. Ist das heute immer noch so? Ricarda Fuss findet: “Ja, den Exotenbonus hat man als Saxofonquartett immer noch.” Was sich geändert habe, sei die “Sichtweise auf uns selber. Damals waren wir im klassischen Kammermusikquartett unterwegs. Heute werden wir mehr dem gerecht, was das Saxofon wirklich ist, ein Grenzgänger.” Man wolle das Saxofonquartett als etwas Eigenes etablieren – und eben nicht als Exot im Streichquartettbereich. “Wir ziehen durch die Welt, um Adolphe Sag‘ Traum Wirklichkeit werden zu lassen: dass das Saxofon die klassischen Bühnen dieser Welt erobert.”

Apropos Welt: Für die aktuelle Welttournee werden die vier Musikerinnen und Musiker am Ende zigtausende Kilometer auf dem Tacho haben. Und sie werden um viele Erfahrungen reicher sein. Herausforderungen müssen gemeistert werden und vor dem Hintergrund des aktuell eskalierten Nahostkonflikts sind Ziele wie Kuwait und der Libanon schwer vorstellbar. Das Arcis Saxophon Quartett wird in jeder Hinsicht seinen Weg gehen, dessen kann man sich sicher sein. Auf die nächsten 15 Jahre! 

Arcis Saxophon Quartett

Arcis Education 

“Von Beginn an war es uns wichtig Wege zu finden, Kinder und Jugendliche für klassische Musik zu begeistern und diese zu vermitteln. Wir sind überzeugt, dass interaktive Bildungserfahrungen mit Musik und der direkte Kontakt zum Künstler neue Welten des Hörens und Erlebens von Musik eröffnen können. Deshalb veranstalten wir Gesprächsrunden vor unseren Konzerten, geben Workshops an Hochschulen und bieten bei Schulbesuchen Education Programme für die aktive Auseinandersetzung mit Musik und den Umgang mit Gehörtem für alle Altersstufen und Schularten an. Dabei versuchen wir stets mit pädagogischem Feingefühl flexibel und spielerisch auf die individuellen Ansprüche unseres jungen Publikums einzugehen und mit unserer Leidenschaft als Künstler für die Magie der Musik zu begeistern.”

“Wir brauchen euch!”, ruft das Quartett den Schulen zu. Denn zum Jubiläum “15 Jahre Arcis wollen wir 15 Schulen besuchen!”

www.arcissaxophonquartett.de