Orchestra | Von Redaktion

Anton Bruckner und die Blasmusik

Bruckner
Bild: Gemälde von Ferry Bératon, 1890, sammlung.wienmuseum.at

Blasorchester ist in der Welt der “Kunst­musik” immer noch eine Randerscheinung. Dennoch finden sich immer wieder große Komponisten der Musikgeschichte, die kleinere Werke für Blasorchester komponierten. Dazu gehört auch Anton Bruckner (1824 bis 1896). Berühmt für seine Symphonien befinden sich aber auch Werke der Blas- und Bläsermusik bei den Werken des Komponisten, dessen 200. Geburtstag sich im Jahr 2024 jährt. 

Das Verhältnis Anton Bruckners zur Bläsermusik beruht auf seinen beruflichen Tätigkeiten als Lehrer und Organist, die zur damaligen Zeit de facto nicht voneinander zu trennen waren. Einerseits fungierten Lehrer auf dem Land immer wieder als Kapellmeister, andererseits kam er durch seine Tätigkeit als Organist zwangsläufig mit diesen Besetzungen in Berührung. Auch bei seinen Reisen kam Bruckner immer wieder in Kontakt mit Blasmusik, diese Begegnungen haben ihn sicher in seinem Schaffen geprägt.

Werke für Blasorchester

Betrachtet man alle bekannten Werke Anton Bruckners, so findet man nur zwei Kompositionen, die dezidiert für Blasorchester geschrieben wurden.

Der Marsch in Es-Dur wurde 1865 vollendet und für die Militär-Kapelle der Jäger-Truppe in Linz komponiert, höchstwahrscheinlich wurde er auch noch im selben Jahr uraufgeführt. Aus der Instrumentation lässt sich auf die damalige Besetzung dieses Militärorchesters der Militär-Kapelle der Jäger-Truppe in Linz schließen, er wurde quasi auf den Klangkörper »maßgeschneidert«.

Die Kantate Preiset den Herrn (Festkantate) aus dem Jahr 1862 ist das einzige geistliche Werk Bruckners, in dem er Chor (in diesem Fall Männerchor) in Verbindung mit Blasorchester verwendet. Der Linzer Bischof Franz Joseph Rudigier beauftragte ihn mit der Komposition zur Grundsteinlegung des Neuen Maria-Empfängnis-Doms in Linz. Die Textvorlage stammte vom Theologieprofessor Maximilian Prammesberger. Die Uraufführung unter der Leitung von Engelbert Lanz fand mit der Liedertafel Frohsinn und der Militärmusik (vermutlich Militär-Kapelle der Jäger-Truppe) auf dem Bauplatz statt. Auch dieses Werk scheint wiederum an die Besetzung der Militärmusikapelle angepasst worden zu sein. 

Zweckgemeinschaft

Bruckners Beziehung zum Blasorchester beruht auf der jahrelangen Zusammenarbeit mit Musikern der Militärmusik, muss aber dennoch als Zweckgemeinschaft angesehen werden. 

Es war eine Zeit, in der er sehr wohl als Domorganist und Komponist hoch angesehen war, jedoch erst am Anfang seines großen symphonischen Schaffens stand. Von 1861 bis 1863 studierte Anton Bruckner beim damaligen Kapellmeister des Linzer Theaters Otto Kitzler (1834 bis 1915) Formenlehre, Instrumentation und Komposition. Dies mag vielleicht auch der Grund sein, wieso er sich in seiner »Messe in e-moll« der Bläserbesetzung eines Symphonieorchesters bediente und nicht, wie in seiner 1862 komponierten Kantate, das Blasorchester verwendete. Weder vorher noch nachher ist in diesem knappen Jahrzehnt das Blasorchester im Schaffen des Komponisten so präsent. Nach 1870 gibt es keinerlei Kompositionen mehr für derlei Besetzungen. 

Bläsersatz und Chor

Im Gegensatz zu der geringen Anzahl an Werken Anton Bruckners für Blasorchester sind die Kompositionen, in denen er sich Bläserensembles bediente, schon um einiges zahlreicher. Die meisten dieser Kompositionen wurden entweder für Chor und Posaunen (eines für Chor und Hornquartett) oder Chor und Blechbläserensemble komponiert. All diese Werke (mit drei Ausnahmen) fallen in ihrer Entstehung entweder vor die 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts oder direkt in diese Zeitspanne, in der er sich mehr oder minder intensiv mit Blasorchester beschäftigte.

Blasmusik als farbenreicher “Orgelersatz”?

Ob nun im Fall seiner »Messe in e-Moll« der Bläsersatz als Ersatz für die Orgel angesehen werden muss, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Für Anton Bruckner war klar, dass er Blasinstrumente verwenden musste, da die Orgel fehlte. Die Bläser waren für ihn eine Art »farbenreiche Orgel« und die kleinere Besetzung, verglichen mit dem Blasorchester, diente der Komposition bei Weitem besser. Andererseits fällt dieses Werk in die Zeit, in der seine kom­positorische Entwicklung von den »kleinen« Kirchen- und Instrumentalstücken hin zum »großen« Symphonieorchester und dessen Besetzung führte. Was lag zu diesem Zeitpunkt näher, als die Bläserbesetzung eines Symphonieorchesters zu verwenden und sich selbst in deren Instrumentationstechnik weiterzuentwickeln. Und genau darin zeigt sich die Verwendung des Bläsersatzes in einer neuen und eigenständigen Besetzung, die sich von vergleichbaren Werken der damaligen Zeit abhebt.

Anton Bruckner Stellenwert im Blasorchester

Obwohl es eine beträchtliche Anzahl an Arrangements seiner Werke gibt, und mit dem Jubiläumsjahr 2024 kamen einige, bis dato noch nie arrangierte Werke hinzu, findet man ganz selten Stücke von ihm in den Konzertprogrammen un­serer Blasorchester. Dies ist sehr schade. Auch wenn Bruckner nur zwei seiner vielen Werke dezidiert für Blasorchester geschrieben hat, was in dieser Zeit üblich war, so lohnt es sich auf jeden Fall, die Arrangements seiner Werke zu spielen. Es erwarten uns unglaublich schöne Akkorde und Klangfarben.

Resümee

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Blasorchester nicht wirklich von Bedeutung für seine kompositorische Entwicklung war und auch in seinem Schaffen eine untergeordnete Rolle spielte. Fest steht aber, dass Blasinstrumente in Anton Bruckners kompositorischen Schaffen einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Ihre vielfältigen Klangfarben und Kombinationsmöglichkeiten, die große dynamische Differenzierung, die große zusätzliche Klangfülle und vieles mehr haben ihn dazu inspiriert, sie sowohl in seinen Symphonien als auch in diversen anderen Werken meisterhaft einzusetzen.

»Hätte Anton Bruckner das heutige ›Sinfonische Blasorchester‹ gekannt, hätte er sicher dafür komponiert.« Ob das wirklich so gewesen wäre, werden wir mit Sicherheit niemals erfahren.

Andreas Simbeni

Bruckner

Tipps der Redaktion 

Anton Bruckner komponierte zu Lebzeiten etwa 40 Motetten, die früheste, eine Vertonung von Pange lingua, um 1835, die letzte, Vexilla regis, 1892. Einige dieser Motetten hat Thomas Doss in diesem Band für Sinfonisches Blasorchester zusammengefasst. 

Auch den fulminanten Beginn und das große Finale des letzten Satzes von Bruckners monumentaler 8. Symphonie in c-Moll gibt es in einer gelungenen Bearbeitung von Josef Schiechtl.

Mehr Arrangements für Blasorchester gibt es unter blasmusik-shop.de