Brass, Orchestra, Wood | Von Christian Schick

Hinter den Kulissen der Klangfabrik Studios

Klangfabrik Studios
Fotos: Marvin Hollederer

In der Rubrik “Hinter den Kulissen” werden verschiedenste Musikinstitutionen einmal von ihren unbekannteren und internen Seiten beleuchtet. Ob Musikverlag, Tonstudio, Opern- oder Musikhaus: Alle haben ihre ganz individuellen Abläufe und Gewohnheiten. Dieses Mal gaben uns die “Klangfabrik Studios” aus der Nähe von Darmstadt großzügige Einsichten.

Ein kalter Wind bläst uns an dem Tag um die Ohren, als wir die “Klangfabrik Studios” besuchen. Der Himmel ist bewölkt und immer wieder gibt es kurze Regenschauer. In einem von außen unscheinbar aussehenden weißen Gebäude hat Oliver Wiesmann ein Zuhause für sein Tonstudio gefunden. Der Bau steht in einem Industriegebiet von Wolfskehlen, einem Stadtteil von Riedstadt. Als wir in den Mischraum gehen – das Herzstück des Studios – fällt sofort das Mischpult ins Auge. Mit den Ausmaßen eines Bettes, auf dem hunderte Regler, Knöpfe, Rädchen, Lichter und etliche kleine Anzeigen die komplette Fläche bedecken, ist es auch schwer zu übersehen. Der Raum ist in dunklen Farbtönen gehalten. In die schwarzen Wände sind alle paar Meter längliche Lampen hochkant eingebaut. Die Tische hingegen sind weiß. 

Diese hellen Akzente und viel Licht lassen den Raum modern und einladend wirken. An der Wand hinter dem Mischpult hängt ein großer Monitor, auf dem das Schnittprogramm zu sehen ist. Links, rechts und darunter große Boxen – wie die Lampen ebenfalls in die Wand eingelassen. Ein paar Meter weiter hinten befindet sich ein Tisch, an dem wir Platz nehmen und die ganze Szenerie betrachten können.

Eine Führung durch die Klangfabrik Studios

Bevor jedoch unser Gespräch beginnt, führen uns Oliver Wiesmann und Marvin Hollederer durch das Studio. Oliver ist Geschäftsführer und “Audio Engineer”, Marvin fürs Marketing zuständig. Online zugeschaltet ist später auch Holger Müller, der “Studio Manager”. Zum Team gehören außerdem Mark Wilhelm als zweiter “Audio Engineer” sowie die Grafikdesignerin Luisa Wiesmann.

Zwei Regieräume und drei Aufnahmeräume haben sie. Im kleinsten hat eine Person Platz. Im größten ungefähr 40 – samt Instrument und sonstigem Equipment. Diese beiden sind mitei­nander verbunden und durch eine dicke Glastür getrennt. Es ist bei Aufnahmen zwischen Bläsern und Schlagwerkern üblich, das Schlagzeug in einem extra Raum aufzunehmen, da sonst deren Geräusche auf den Bläser-Mikrofonen zu hören sind. So können Schlagwerker das Orchester und die Dirigentinnen oder Dirigenten trotzdem direkt sehen. Aufwendige Akustik-Elemente sind an Decken und Wänden angebracht.

Einsatzbereite Mikrofone stehen in großer Zahl bereit. Wie schon beim Mischraum ist auch im Foyer und in den Aufnahmeräumen alles in schwarz und weiß gehalten. Eine Besonderheit: Jeder Raum hat Fenster. “Die wichtigste Anforderung einer Produktion ist die Atmosphäre”, erklärt uns Oliver. “Letztlich produzieren wir Kunst. Das geht nur, wenn sich für den Kunstschaffenden alles gut anfühlt. Deshalb haben wir beim Neubau viel Wert auf die Optik gelegt. Einheitlich, in jedem Raum Tageslicht, alles klimatisiert.”

Angenehmes Ambiente

Tatsächlich sind Fenster – und somit natürliches Licht – in Tonstudios eher selten. Das hat akustische Gründe. Moderne Fenster können mittlerweile jedoch genügend Schall dämmen, um den hohen Anforderungen der Tonstudios gerecht zu werden. Das angenehmere Ambiente oder die Möglichkeit, zwischendurch stoßzulüften sind nur zwei Gründe dafür.

“Der zweite Punkt ist natürlich die Akustik. Wir wollten akustisch perfekte Räume machen, damit jedes Instrument seinen Klang in Gänze rüberbringen kann”, führt Oliver das Gespräch fort. Das Studio hat sich in den letzten Jahren ganz auf akustische Musik spezialisiert. Also “von Hand” mit Instrumenten eingespielte Produktionen. Laut Oliver in der heutigen Zeit ein Muss. “Früher waren Studios All-in-One. Vom Sprecher bis zum Orchester. Heute sind aber nur noch Spezialisten gefragt, ganz messerscharf.”

Oliver war gerade einmal 18 Jahre alt, als er die “Klangfabrik Studios” gründete. Anfangs noch in Mainz, wurde vier Jahre später das jetzige Studio in Wolfskehlen gebaut. Mitten in der Pandemie. In der heutigen Zeit ein großes Tonstudio bauen – lohnt sich das? Marvin erklärt uns: “Man kann mittlerweile für kleines Geld gutes Equipment kaufen. Wenn schnell Demos oder dergleichen produziert werden wollen, dann ist das super. Aber wenn es wirklich um qualitativ hochwertige Musik geht und man sich als Kapelle oder Band weiterentwickeln möchte, ist der Gang zum Tonstudio unverzichtbar”. Er zieht den Vergleich zum Friseur. “Man schneidet sich normalerweise auch nicht selbst die Haare. Die Frage ist, für was das Endprodukt verwendet werden soll.” Dass große Studios gerade aussterben, liegt für Oliver an den Betreibern. “Die haben irgendwann aufgehört, mit der Zeit zu gehen. Sie arbeiten mit alten Strukturen und Prinzipien. Logisch, dass sie nun zu wenige Aufträge haben.”

Lieber drei bis vier Titel im Jahr als eine komplette CD

In der Ausgabe 4/23 haben wir bereits über den CD-Markt und die Auswirkungen des Musik-Streamings geschrieben. Die Nachfrage für CDs ist in den letzten Jahren stark gesunken. Viele haben nicht einmal mehr CD-Player. Die “Klangfabrik Studios” produzieren wenige Alben. Denn Oliver empfiehlt das ausschließlich Bands und Kapellen, die mindestens 500 CDs im Jahr verkaufen. Seine Herangehensweise: “Mach drei bis vier Titel im Jahr und veröffentliche sie quartalsweise. Die Werbewirkung ist viel größer, als alle paar Jahre eine CD aufzunehmen.”

Bevor eine Produktion zustande kommt, gibt es mit jeder Kundin und jedem Kunden ein Erstgespräch. Dort wird analysiert, wo das Ensemble aktuell steht. Parameter wie Verkaufszahlen der bisherigen Alben, Social-Media-Reichweite, Auftritte und Streaming-Zahlen werden erörtert. Danach werden konkrete Ziele abgesteckt. Etwa häufigere Auftritte oder mehr Streams. “Und dann überlegen wir, mit welchen Mitteln und Herangehensweisen wir diese Ziele realistisch in den nächsten Jahren erreichen können.” Diese Vorgehensweise sei auch der Grund, warum der Großteil seiner Aufträge von Bestandskunden ist, so Oliver.

“Wir wollen, dass unsere Kunden Erfolg haben”

“Wir sind Helfer. Wir wollen, dass unsere Kunden Erfolg haben. Nur so kann eine langfristige und gute Zusammenarbeit entstehen. Ein Punkt dabei ist, dass man auch mal auf alte Handlungsmuster schaut und sie hinterfragt. In erster Linie geht es darum, einer Band zu helfen”, ergänzt der online zugeschaltete Holger. “Darum haben wir manchen Kapellen auch schon von CD-Produktionen abgeraten und dafür andere Ziele ausgearbeitet, die besser zu den jeweiligen Bedürfnissen passen. Unser Ziel ist, jemanden zu kriegen, der wieder kommt. Oft sollen wir einfach mal Angebote machen. So etwas machen wir nicht. Wir können etwas für 100 Euro anbieten oder für 15 000 Euro. Bei der Vorbesprechung erarbeiten wir das bestmögliche Angebot für die Kunden.”

Die meisten Tonstudios rechnen in Tagessätzen ab. Bei den “Klangfabrik Studios” gibt es fixe Pauschalbeträge. Somit wollen sie den Kunden mehr finanzielle Sicherheit bieten. Da Aufnahmen häufig länger dauern als geplant, versucht man, zeitlich flexibel zu bleiben. “Gerade im Jazz braucht ein Titel manchmal einfach mehr Zeit. Die geben wir den Kunden, damit sie keinen Druck haben”, so Holger. Zwar sind die “Klangfabrik Studios” weder Label noch Verlag, sie bieten ihrer Kundschaft dafür aber Videoaufnahmen sowie Hilfestellungen bei der Vermarktung an. 

Zukunftspläne der Klangfabrik Studios

Am Ende des Gespräches erzählt Oliver von seinen zukünftigen Plänen. Er wird einen großen Orchestersaal für 80 Musizierende bauen. Die Räumlichkeiten dafür gibt es bereits. In einem anderen Teil des Gebäudes gibt es eine große Maschinenhalle. Dort stehen ein Kastenwagen und viele alte Geräte, Maschinen sowie nicht mehr verwendetes Equipment. Es gibt ein Rolltor und eine Treppe mit einer Türe am Ende führt direkt zum Tonstudio. Als wir uns verabschieden, sind Marvin und Holger bereits in anderen Terminen. So begleitet uns Oliver allein hinaus. Kaum aus der Türe hinaus kommt uns wieder der kalte Wind entgegen. Auf der Heimreise philosophieren wir noch lange über den interessanten Tag. Vielen Dank Marvin, Holger und Oliver für das spannende Gespräch und die angenehme Atmosphäre.

Sollten Sie noch weitere Fragen haben, dann finden Sie die “Klangfabrik Studio” auf der kommenden BRAWO-Messe von 24. bis 26. November. Sie halten einen Vortrag darüber, “warum du als Ensemble heute keine CD mehr produzieren solltest“.

Holger Müller

kurz & knapp 

  • Oliver (rechts) gründete sein Tonstudio bereits mit 18 Jahren
  • Aktuell besteht das Team aus fünf Personen
  • Sie haben sich auf akustische Musik spezialisiert

www.klangfabrik-studios.com