Brass, Orchestra, Wood | Von Klaus Härtel

Rekorde in der Musik – schneller, höher, weiter?

Rekorde
Die größte Blechcombo bestand aus 15 761 Musizierenden (Foto: Siganese, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18609092)

Die Jagd nach Rekorden ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Wir messen uns doch ständig in Wettkämpfen, vergleichen unsere Leistungen, wollen die oder der ­Beste sein. Das olympische Motto “Citius, altius, for­tius” begegnet uns ständig. Nicht nur im Sport. Da mutet es doch bisweilen wohl­tuend an, dass dies in der Musik fehlt. Denn über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch weit gefehlt: Auch in diesem Metier gibt es Wettstreite und Rekorde. ­Länger, schwerer, älter… Wir haben uns mal umgeschaut. 

Eine kurios anmutende Diskussion ist jene darüber, welches Instrument denn nun am schwersten zu erlernen sei. Wenn man das dann beherrscht, ist einem die Anerkennung gewiss. In diversen Foren im Internet stößt man auf zahlreiche Debatten zum Thema. Die einen finden, dass die Bratsche am schwierigsten sei (“weil man auf ihr das Gleiche wie auf der Geige spielt, nur sind die Abstände viel größer”), an­dere halten Blechblasinstrumente für wesentlich komplizierter (“Es braucht einen perfekten Ansatz, um überhaupt einen anständigen Ton rauszubekommen. Und gerade bei der Po­saune muss man mit dem Zug die Töne suchen…”). 

Ganz vorne dabei in diesen Streitgesprächen ist die Oboe. Hier müsse man “alle Griffe auswendiglernen und dazu eine sehr starke physische Kondition haben”. Bei der Oboe sei außerdem eine spezielle Zwerchfellatmung nötig. “Versuch das mal alles zusammen: blasen, Noten lesen und den dazugehörigen Griff finden.” Die Diskussion übrigens hat bereits 1977 die “American Music Conference” versucht zu beenden – indem sie entschied, das schwierigste Instrument sei die Oboe. Das stand dann so auch lange im Guinness-Buch der Rekorde. Die Oboe wurde dort als das “kranke Holzblasinstrument, welches niemand gut bläst” beschrieben. Die Diskussionen werden wohl weitergehen…

Das Älteste…

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Die Knochenflöte

Nicht ganz so diskutabel ist die Frage nach dem ältesten Instrument – zumindest so lange, bis dann doch noch ein älteres ausgegraben wird. Auf der Schwäbischen Alb nämlich, das legen die Funde nahe, erklang schon vor 35 000 Jahren Musik. Hier fanden Tübinger Forscher eine Flöte aus Vogelknochen. Die etwa 22 Zentimeter lange Flöte mit einem Durchmesser von acht Millimetern gleicht äußerlich einem modernen In­stru­ment. Mit den Tonlöchern dürften schon komplexe Melodien möglich gewesen sein. 

Das Größte…

Im Guinness-Buch der Rekorde stehen durchaus Rekorde, die dort nur begrenzte Zeit gelistet sind, weil irgendwo auf der Welt jemand diese wieder überbietet. Das aktuell größte Holzblasinstrumentenensemble “Double Reed Band” etwa umfasst 500 Personen und wurde am 31. August 2018 im spanischen Granada zusammen­gestellt. Die Mehrheit des Ensembles bestand dabei aus Fagottisten und Oboisten. Die größte Blechcombo hingegen bestand sogar aus 15 761 Musizierenden, die sich 2008 zur Schluss-­Messe beim Deutschen Evangelischen Posaunentag im Zentralstadion in Leipzig versammelten. Der Dirigent stand in der Mitte des Rasens und die Musi­kerin­nen und Musiker folgten seinem Dirigat mittels Großbildleinwand. Aufgrund der ­Weite des Stadions soll es zwei Sekunden Verzögerung zwischen Dirigent und Musik ge­geben haben. Die größte Marching Band marschierte 1997 durch Osaka und vereinte Insgesamt 11 157 Menschen in 317 Bands – inklusive einer Fahnenabordnubng mit 1092 Menschen.

Das Teuerste…

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Charlie Parker (Foto: William P. Gottlieb)

Das bis dato teuerste auf einer Auktion verkaufte Musikinstrument ist die Stradivari-Geige “Lady Blunt” und wurde am 20. Juni 2011 in London für fast 10 Millionen Pfund (fast 12 Millionen Euro) versteigert. Die Auktion wurde übrigens im Auftrag der Nippon Music Foundation abgehalten; der Erlös ging an den “Northeastern Japan Earthquake and Tsunami Relief Fund”. Das teuers­te Blasinstrument ist ein Saxofon, das einst Charlie Parker gehörte und für schlappe 144 747 US-Dollar (ca. 130 000 Euro) versteigert wurde. 

Die Meisten…

Saxofonist Kenny G aus den USA ist der meistverkaufte Jazzmusiker der Welt – mit 15 Gold-, elf Platin- und acht Multi-Platin-Alben. Dafür sind über 75 Millionen Exemplare seiner Alben über die Ladentheke gegangen (Stand allerdings schon Februar 2011). John Williams ist für die bestverkaufte Single “rein instrumental” mitverantwortlich. Auf über zwei Millionen verkaufte Einheiten kommt ein Disco-Arrangement von John Williams’ Musik zu “Star Wars”. Das Ar­range­ment heißt “Star Wars Theme and Cantina Band” und wurde vom Plattenproduzenten Meco erschaffen. Diese Instrumental-Single soll laut den Angaben der “Recording Industry Association of America” die einzige sein, die den Platin-Status erreicht hat. Auch das Album “Star Wars and Other Galactic Funk”, das den Original-Soundtrack in den Verkaufszahlen übertraf, wurde mit Platin ausgezeichnet.

Das Längste…

“Longplayer” heißt das Stück, das vom britischen Künstler Jem Finer stammt. Um es zu produzieren, hat er zunächst einen 20-minütigen Song aufgenommen, der durch ein Computerprogramm so zerlegt wird, dass sich die Ton­folgen bis zum Ende des Jahres 2999 nicht wiederholen. Startschuss für das Projekt war der 1. Januar 2000, das Lied läuft also bereits seit 21 Jahren. Es basiert auf tibetischen Glockentönen. Den Schlussapplaus dürfte Jem Finer allerdings nicht mehr erleben… (Reinhören kann man hier: www.longplayer.org)

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Einen langen Atem beweist Hav Shambhu Kumar

Sportlich wird es beim Kampf um den “Welt­rekord im Töne aushalten”. Wenn bei Musikfesten im Bierzelt den Akteuren Wäscheklammern auf die Nase gesetzt werden (um die Zirkularatmung zu verhindern), dient das vor allem der Gaudi. Recherchen ergaben hier 49,2 Sekunden auf einem Tenorhorn. Den offiziellen Weltrekord (laut Guinness-Buch) hält allerdings der Inder Hav Shambhu Kumar. Der nämlich hatte am 27. März 2021 Luft für 1 Minute und 23,04 Sekunden. Nachdem er bereits Rekordhalter des “am längsten ausgehaltenen Tons auf der Muschel” war, war er sich sicher, dass er auch die Fähigkeit habe, den Rekord auf einem “richtigen” Blasinstrument zu brechen. “Das ‘Bigul’ zu spielen war eine sehr schwierige Aufgabe für mich, ich habe unermüdlich dafür geübt. Für mich war das Schwierigste, die Stabilität beim Blasen zu bewahren. Während des Trainings habe ich 1,35 Minuten geschafft. Dafür habe ich jeden Tag zwei bis drei Stunden geübt.”

Und dann war da noch…

Ilse – so heißt die größte spielbare Tuba der Welt. Ilse ist 2,05 Meter hoch, knapp 50 Kilogramm schwer und eine Oktave tiefer als ihr normal großes Ebenbild. Gespielt wird sie in der ­Regel von Tubist Jörg Wachsmuth aus Dresden. Und das wirklich schnell. Wachsmuth hält den Geschwindigkeitsweltrekord von Rimski-Korsakows “Hummelflug”. In 53,82 Sekunden wirbelt er durch das Stück. Im September 2021 knackte Wachsmuth einen weiteren Rekord – sofern der von den Guinness-Buch-Machern akzeptiert wird: Der Tubist spielte kürzlich in Riesa ein Riesenhorn – der Schalltrichter mit einem Durchmesser von 2,54 Metern, das Instrument 2,4 Tonnen schwer. Angesprochen auf die Rekorde seufzt Wachsmuth lachend: “Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus…” (Lesen Sie hier das Interview.)

Riesentuba
Foto: Ludwig Angerhöfer