Brass | Von Klaus Härtel

Steven Mead hat das letzte Wort

Die clarino-Serie »Sie haben das letzte Wort« ist zwar in Interview-Form gehalten, sie soll aber einmal ­andere Fragen beinhalten, als man sie aus »normalen« Interviews kennt. Durch ungewöhnliche und nicht alltägliche Fragen will die Redaktion Neues vom Künstler erfahren. Die Fragen beginnen immer gleich. Wir sind gespannt auf nicht immer gleiche antworten.

Wann war das letzte Mal, dass Sie wünschten, einen »ordentlichen« Beruf gewählt zu haben?

Nun, ich habe sogar mehrere »ordentliche« Jobs. Es ist der Mix, der das so irregulär aussehen lässt. Ich lehre in Manchester, ich teste und designe für den Instrumentenhersteller Besson, ich betreibe einen Webstore und ich arbeite als Solist. All diese Jobs sind ziemlich frei und im Endeffekt leicht chaotisch – aber ich liebe den Mix. Ich kann mir nicht vorstellen, nur einen Beruf zu haben, bei dem ich jeden Tag das gleiche mache. Niemals!

Wann war das letzte Mal, dass Sie über die Unterschiede von Österreichern und Engländern nachgedacht haben?

Ich mache das tatsächlich regelmäßig. Ich reise sehr viel herum und arbeite mit vielen verschiedenen Leuten zusammen. Und es ist tatsächlich faszinierend, wie wir manche Dinge angehen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen »Systeme«, sondern wegen der typischen Persönlichkeiten. Eines Tages werde ich darüber ein Buch schreiben über unterschiedliche Menschen und wie sie denken.

Wann war das letzte Mal, dass Sie deutsches Bier dem englischen vorgezogen haben?

Immer wenn ich in Deutschland bin. Ich bin da wie ein Chamäleon. Wenn ich in der Schweiz bin, trinke ich »Feldschlösschen«. Wenn ich in Deutschland bin, liebe ich es, Weizenbier zu trinken – was ich in Groß­britannien niemals tun würde. Und ein »real Ale« trinke ich nur dort. Weil Bier in der jeweiligen »Heimat« einfach besser schmeckt. Mein Motto: trink lokal!

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich mit einem Dirigenten gestritten haben?

Ich versuche immer, einen diplomatischen Kompromiss zu finden zwischen dem, was der Dirigent will und dem, wie ich es gerne spielen würde. Es muss immer ein an­dauern­des Kompromiss-Element geben. Was ich vom Dirigenten verlange, ist Klarheit.

Wann war das letzte Mal, dass Sie ein Chicken Tikka Masala hatten?

Ich hatte kürzlich eins in der Kantine des RNCM in Manchester, meinem College.

Wann war das letzte Mal, dass Sie geweint haben?

Das ist noch nicht lange her. Ich habe mich mit meiner Freundin verkracht. Das war sehr traurig. Ich weine, wenn ich groß­artige Musik höre – wobei das natürlich eine andere Art des Weinens ist. Ich bin ein ausdrucksfähiger Mensch und ich reagiere oft emotional. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die behaupten, sie würden nie weinen.

Wann war das letzte Mal, dass Sie in Bournemouth waren?

Ich habe kürzlich meine Eltern besucht. Und ich habe eine Brassband dirigiert in der Nähe von Bournemouth. Das hat wunderbar zusammengepasst. Ich habe zwei Tage mit der Band gearbeitet und konnte zu Hause bei meinen Eltern wohnen. Ich versuche, viermal im Jahr dorthin zu fahren. Das hat für mich auch therapeutische Wirkung: Ich stehe am Strand, atme die Seeluft, denke über die Welt nach…

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich wünschten, statt des Eufoniums das ­Saxofon gewählt zu haben?

Niemals. Noch nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen!

Wann war das letzte Mal, dass Sie etwas Verbotenes getan haben?

Ich bin ein sehr gesetzestreuer Mensch. Ich denke, die illegalen Dinge passieren mit dem Auto, wenn ich zu schnell fahre. In der vergangenen Nacht bin ich in der Nähe von Markneukirchen 150 km/h gefahren – in einer 50er-Zone. Das tut mir sehr leid. Und wenn die Polizei das liest, werde ich leugnen.

Wann war das letzte Mal, dass Sie die ganze Nacht durchgemacht haben?

Ich müsste sagen, dass das schon eine ­ganze Weile her ist. Als alter Sack mit 50 macht man so was nicht mehr sehr oft. In Süd­korea vor etwa 18 Monaten haben wir bis 5 Uhr morgens gefeiert. Ich gehe gerne unter Leute – doch noch lieber gehe ich ins Bett.

Wann war das letzte Mal, dass Sie bei einem Spiel von Manchester United oder Manchester City waren?

Ich war noch nie bei einem ManCity-Match. Da gehe ich nicht hin! Bei ManUnited war ich vor etwa vier Jahren mit meinem Sohn. Das war ein Europapokalspiel gegen OSC Lille. Meistens fahre ich von der Arbeit in Manchester nach Hause und schaue Fußball auf dem Breitbildfernseher in HDTV.

Wann war das letzte Mal, dass Sie einen Kollegen beneidet haben?

Neidisch werde ich manchmal auf Menschen, die Jazz-Piano spielen können. Ich war vor kurzem in Estland und habe einen holländischen Pianisten kennengelernt, der mit dem Saxofonisten Johan van der Linden unterwegs war. Und der setzte sich einfach hin und spielte drauf los wie er wollte. Ich beneide Leute, die diese Fähigkeit haben. Wenn ich überhaupt auf irgend­einen Blechbläser neidisch bin, dann ist das der Posaunist Wycliffe Gordon. Es war am 3. Dezember 2011 in einer Bar in Battle Creek: Da stand er einfach auf und spielte die unglaublichsten Jazz-Soli. Ich bin also manchmal auf Dinge neidisch, die ich nicht kann. Aber nie auf Dinge, die ich kann.      

Steven Mead

ist Engländer durch und durch. Das kann und das will er auch trotz seiner jahrelangen und internationalen Arbeit mit dem Eufonium nicht leugnen. Er trinkt gerne Bier, isst Chicken Tikka Masala und lacht gerne. Auch über sich selbst. In einem Interview mit dieser Zeitschrift vor neun Jahren hat er behauptet: »Ich möchte noch weitere zehn Jahre das machen, was ich jetzt ­mache. Dann werde ich es wohl ein bisschen lang­samer angehen lassen.« Das allerdings will man ja gar nicht hoffen und es ist auch schwer zu glauben.

Vom 22. bis 30. Juni ist er zunächst einmal künstlerischer Leiter der ITEC in Linz. In der oberösterreichischen Landeshauptstadt trifft sich die weltweite ­Szene des tiefen Blechs. Eine Woche der Begegnung mit internationalen Workshops, Konzerten, Ausstellungen und dem wohl bedeutendsten Wettbewerb für tiefe Bläser. Internationale Solisten und Lehrer werden im Brucknerhaus zu Gast sein, um gemeinsam mit Gleichgesinnten aller Erdteile zu musizieren und Erfahrungen auszutauschen.

Infos:
ww.euphonium.net
www.itec2012.at