Andreas Joos ist Musiker durch und durch. Festgelegt auf ein Genre ist er heute nicht mehr. Er gründete vor zehn Jahren “Fättes Blech”, für die er als Arrangeur, musikalischer Leiter und Posaunist tätig ist. Seit 2017 ist er festes Mitglied bei “Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original“, wo er die Posaune oder das Bariton spielt. Seit dem Schuljahr 2022/23 unterrichtet er zudem an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach. Er kehrt damit quasi “Back to the Roots”. Wir haben den Musiker in seinem Klassenzimmer besucht.
Andreas, du warst vor etwa zehn Jahren selbst Schüler hier in Krumbach. Eine bessere Werbung kann es ja für angehende Schülerinnen und Schüler kaum geben, oder?
Ja, ich war tatsächlich Schüler hier. Und das war damals fast eine spontane Entscheidung. Denn ich gebe zu: Ich wusste gar nicht, dass es die Schule gibt. In Bayern sind die Berufsfachschulen für Musik eine Institution, aber sie ist eben auch nur hier verbreitet. Ich stamme aus Tettnang im Allgäu und da war Krumbach nicht unbedingt der nächste Weg. Aber als ich dann hier war, hat es mir alle Augen und Ohren geöffnet! Die Berufsfachschule für Musik war perfekt, weil ich mir am Anfang noch nicht so hundertprozentig sicher war, ob ich die Musik beruflich machen würde. Bis dahin war sie vor allem ein sehr intensives Hobby. Krumbach hat mir gezeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten sind.
Ich hatte mit Peter Seitz natürlich einen hervorragenden Lehrer, der mir die richtigen Wege gezeigt hat. Weil ich vorher in Krumbach war, habe ich das Studium und die Zeit gefühlt viel einfacher empfunden. Ich habe schlicht schon sehr viel gewusst – nicht nur fachlich, sondern ganz banale Dinge wie man richtig übt. Ich glaube, viele, die mit dem Studium beginnen, sind das erste Mal von zu Hause weg – und fallen auf die Schnauze.
War das damals ausschlaggebend, dass du hier nach Krumbach gekommen bist?
Schon, ja. Ich bin ganz klassisch im Musikverein groß geworden, habe auch bei “Jugend musiziert” mitgemacht und war damals schon recht gut, wie ich finde. Aber Musik studieren? Ich komme vom Land und damals waren München oder Stuttgart einfach ganz schön weit weg … Ich habe dann von der Berufsfachschule erfahren und habe den Peter Seitz einfach mal angeschrieben. Ich habe schnell gemerkt, dass das hier genau mein Ding ist. Morgens habe ich Unterricht und vor allem kann ich den ganzen Tag Musik machen!
Ich bin dann zwar danach zum Studium nach Basel gegangen – aber ich weiß nicht, ob ich das ohne Krumbach gemacht hätte. Nach dem Abitur sind sich viele ja nicht sicher. Und selbst wenn ich nur die Berufsfachschule gemacht und nicht studiert hätte, hätte ich nach den zwei Jahren eben etwas anderes gemacht und nicht viel Zeit verloren. Das hat mir die Angst genommen.
Die Ausbildungsdauer liegt zwischen einem und drei Jahren. Bei dir war der Grund, reinzuschnuppern und zu schauen, ob es dir taugt. Vermutlich ist das nicht bei allen so?
Es kommen auch Schülerinnen und Schüler, die schon eine Ausbildung gemacht haben und nun noch etwas anderes machen möchte. Die wollen unterrichten oder im Verein die Ausbildung übernehmen. Hier bekommt man Dinge an die Hand, die es an Hochschulen so nicht gibt. Der Unterricht ist praxisbezogen. Ich hatte Stimmbildung, ich habe arrangiert oder einfach mal was komponiert. Ich bin hier nicht hergekommen, weil ich ins Orchester wollte – und das ist an der Hochschule ja bei den meisten schon so …
Wie sehen die Lehrpläne hier in Krumbach aus? Sind die flexibel handhabbar?
Auch hier gibt es natürlich Vorgaben. Romantik, Barock oder Klassik sind Bestandteile des Lehrplans, aber welche Stücke dann gespielt werden, mache ich mit dem Schüler aus. Selbst wenn ich weiß, der wird nie ein Barockkonzert spielen, weil er Dirigent in der Blasmusik sein möchte. Aber er bekommt einen Überblick, den er super anwenden kann.
Ein Abschluss, den man hier in Krumbach erlangen kann, ist »Staatlich geprüfter Chor- und Ensembleleiter«. Nach der Ausbildung können die Leute also rausgehen und in der Laienmusik tätig sein. Es gibt natürlich die Theoriefächer wie Musiktheorie, Musikgeschichte, Harmonielehre. Es gibt Stimmbildung und jeder Schüler muss Klavier lernen. Aber man braucht dafür keine Vorkenntnisse.
Du hast die Berufsfachschule als Einstieg oder Sprungbrett für deine berufliche musikalische Karriere genommen. Wie gings dann weiter?
Ich hab in Basel studiert, schließlich in Augsburg und dann noch in Luzern. Ich habe hier in Krumbach gemerkt, dass das genau das ist, was ich möchte: von morgens bis abends irgendetwas mit Musik machen.
“Fättes Blech” wurde etwa zu der Zeit gegründet, als du hier in Krumbach warst und hat richtig Fahrt aufgenommen. Viel gespielt hast du ohnehin schon immer. Hat man dann überhaupt Zeit zum Studieren?
(lacht) Das ist eine berechtigte Frage. Im Nachhinein hätte ich vielleicht nicht alles mitmachen müssen. Ich hab aber immer gespielt. Selbst in Basel habe ich schon in der vierten Woche beim Sinfonieorchester ausgeholfen. Ich bin montags immer müde zum Studieren gekommen, während die Kommilitonen ausgeruht waren. (lacht) Statt für vier Konzerte in ganz Deutschland unterwegs zu sein, hätte ich mal ein bisschen reduzieren können … Andererseits dachte ich mir auch oft: Ich kann studieren, bin dann irgendwann fertig, kann alles spielen – aber niemand kennt mich! Das hat Peter Seitz hier in Krumbach immer gesagt: “Du musst spielen!” Denn auf der Bühne lernt man die Sachen, die man im Studium nicht lernt. Da ist schon was dran. Was nicht heißen soll, dass ich im Studium nichts gelernt habe. Ganz im Gegenteil. Auch Dinge, zu denen ich bis dahin keinen Bezug hatte, haben mir immer weitergeholfen.
Aber das Ziel der meisten Studierenden ist schon Orchestermusiker, oder?
Das stimmt, ja. Aber das kann auch ein Problem sein – denn so viele Stellen gibt es ja gar nicht. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man nach dem Studium auf jeden Fall einen Orchesterjob bekommt. Und das Schlimme ist eigentlich, dass die Professoren einem das nicht sagen! Ich versuche, das den Schülern weiterzugeben: Hey, Orchester ist ein mögliches Puzzleteil. Die meisten Dozenten an der Hochschule sind Orchestermusiker und vermitteln natürlich ihre Sicht auf die Dinge. Ich denke, das ist die große Chance der Berufsfachschulen. Hier ist die Zusammenstellung bunt gemischt. Das ist viel wert.
Ich könnte vermutlich alle Dozenten nennen, aber ein Beispiel ist etwa der Trompetenlehrer Matthias Haslach. Der ist stellvertretender Solotrompeter bei den Stuttgarter Philharmonikern. Aber er hat auch bei Berthold Schick gespielt, ist enorm breit aufgestellt. Oder der Gitarrendozent, der bei den “Fantastischen Vier” gespielt hat. Auch der Klavierdozent Hannes Stollsteimer hat schon mit Jakob Manz auf den großen Bühnen gestanden.
So viele hochkarätige Dozenten auf einem Fleck – woran liegt es, dass die Berufsfachschulen für Musik immer noch nicht so bekannt sind?
Das ist eine gute Frage. Seit Jahrzehnten gibt es in jedem bayerischen Regierungsbezirk eine solche Schule. Macht man zu wenig Werbung? Ist es ein Kommunikationsfehler? Wird diese bayerische Institution immer noch als etwas »ländliches« angesehen? Sicher ist, dass sie weit über die Landesgrenzen wirken könnte. Denn es gibt genügend Schüler, die genau das benötigen, was hier gelehrt wird.
Außerdem ist der Wohnraum noch halbwegs bezahlbar im Vergleich zu anderen Städten. Neulich beim Infotag war ein Schüler aus Rheinland-Pfalz da, der unbedingt hierher kommen möchte, weil ich bei den Egerländern spiele (lacht). Die Schüler sind heute 17 oder 18, wenn die Abitur machen. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre in dem Alter in den Hochschulkomplex reingeraten – Horror! Hier kann ich intensiv den Spaß an der Musik erleben und dann vielleicht an die beste Hochschule gehen …
Wieso bist du eigentlich nach Krumbach zurückgekommen?
Prinzipiell unterrichte ich sehr gerne. Ich will hier unbedingt – oder auch bei den Workshops mit den Egerländern oder Fättes Blech – die Dinge, die ich mitbekomme, weitergeben. Und dabei will ich Positives ansprechen aber auch Negatives. Ich will Leuten, die bisher »nur« in der Blasmusik aufwachsen, auch die Angst vor “klassischer Musik” nehmen.
Darauf gebracht hat mich dann eigentlich wieder Peter Seitz. Wir hatten bei “Alpenblech” zusammengespielt und er meinte, das wäre genau meine Stelle … Aber natürlich musste ich vorspielen, unterrichten und die Stelle war begehrt. Ich hatte dann das Glück, dass ich nun wieder an alter Wirkungsstätte sein darf. Der Kreis hat sich geschlossen.
Wie oft bist Du dann hier an der Schule? Denn deine musikalischen Verpflichtungen hast du ja trotzdem noch.
Prinzipiell bin ich zwei Tage in der Woche hier. Ich lege den Unterricht dann schon so, dass keine Konzerte sind. Wenn dann doch einmal eine Tournee ansteht, dann hole ich Unterricht vor oder nach, bin mal eine ganze Woche da. Aber der regelmäßige Unterricht ist schon der Normalfall.
Was sind das so für Dinge, die du aus deinen Erfahrungen weitergibst?
Gerade die Erfahrungen auf der Bühne stehen in keinem Buch. Die Schülerinnen und Schüler erleben das hier mit kleinen Situationen beim Vorspielen etwa. Es ist ja völlig normal, dass man da nervös ist. Und dann stehen da plötzlich 10 000 Leute vor der Bühne. Ich bin definitiv einer, der Probleme mit Lampenfieber hatte und hat. Ich bin gerne mal nervös. Aber man kann lernen, damit umzugehen. Meistens ist die Situation ja gar nicht so schlimm, wie man sich sie leider im Kopf vorstellt. Im Unterricht versuche ich immer, kleine Erfolgserlebnisse einzubauen. Erst einmal spielt man hier im Unterrichtszimmer vor, dann wird die Zuhörergruppe größer, dann passiert mal etwas Unvorhergesehenes … Die Schüler werden dann mit der Zeit immer cooler und abgeklärter.
Da ist für dich so eine Band wie “Fättes Blech” sicherlich auch eine gewisse Art von Therapie, oder?
Definitiv. Gerade in Bands wie “Fättes Blech” oder “Alpenblech” habe ich immer gespielt. Das war sehr anspruchsvoll, denn eine Routine stellt sich ja nicht ein. Es passiert immer was. Und von dem Moment auf der Bühne an müssen die Leute funktionieren. Ich würde nicht da spielen, wo ich jetzt spiele, wenn ich die Band vor zehn Jahren nicht gegründet hätte. Ich habe gelernt und durfte definitiv ganz viele Fehler machen. Das ist die beste Schule.
Andreas Joos
sprach im großen Interview natürlich nicht nur über die Berufsfachschule für Musik in Krumbach, sondern auch über das Jubiläum seiner Band “Fättes Blech”. Den Teil des Interviews gibt es dann in der September-Ausgabe der BRAWOO. Unter dem QR-Code gibt es einen akustischen Vorgeschmack auf die neue Scheibe von »Fättes Blech«. Doch Obacht! Die Blasmusikpolizei hört mit.