Brass | Von Klaus Härtel

Andreas Joos über Fättes Blech

Fättes Blech
Foto: Tobias Epp

Seit dem Schuljahr 2022/23 unterrichtet Andreas Joos an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach. Er kehrte damit quasi “Back to the Roots””, denn dort hat er auch selbst gelernt. Trotzdem hält er die Band “Fättes Blech”, die er vor zehn Jahren gründete “für die beste Schule”. In diesem zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit dem Musiker über diesen “zweiten Bildungsweg” …

Vor 10 Jahren ist “Fättes Blech” gegründet worden. Was war der Hintergrund?

Wir waren alle in der örtlichen Blaskapelle. Wir haben gerne Musik gemacht. Sehr gerne auch traditionelle Musik. Und modern kann doch nicht Udo Jürgens sein! Denn es hieß immer in der Blaskapelle: “Wir spielen auch moderne Stücke!” Und dann kamen Udo Jürgens und James Last … (lacht) Es gab damals schon LaBrassBanda, die man gern gehört hat. Dann haben wir uns gesagt: Lass uns doch irgendwas machen! Jeder kannte irgendjemanden und so haben wir ein paar Leute zusammengetrommelt. Und dann ging es schon los – hier an der Schule. Schon da habe ich probiert, ein paar Noten zu schreiben, was natürlich eine Katastrophe war, denn man hatte ja keine Ahnung! (lacht) Wir haben also einfach probiert, mit Blasinstrumenten, mal was anderes als Polka, Walzer, Marsch zu spielen. Und vor allem was Modernes, das nicht nach James Last klang. Zu den ersten Proben haben wir
ein paar Sachen ausgeteilt und das ging recht schnell recht gut. Nach den ersten Auftritten haben wir gemerkt: Da sollte man vielleicht dranbleiben! Wir haben dann Songs gecovert. Was dabei aber auch heute noch mein Anspruch ist: Es soll kein Song sein, den alle schon kennen. Es sollte ein guter Song sein, der vielleicht noch gar nicht so bekannt ist. Wir drücken diesem Song dann unseren Stempel drauf und machen ihn zu unserem Song. 

Wie gings dann denn so steil nach oben? Vermutlich wart ihr erst einmal lokale Größen in Musikverein und Umgebung, oder? Mittlerweile kennt man euch über Landes- und Staatsgrenzen hinaus.

Wir wurden definitiv professioneller. Mittlerweile sind wir fast nur noch Musiker, die mit Musik Geld verdienen. Der eigene Anspruch ist extrem gewachsen. Und das ist auch nötig, weil es so viele kleine Besetzungen und Bands gibt mittlerweile. Man vergleicht sich natürlich und schaut, dass man immer am Puls der Zeit bleibt. Mittlerweile haben wir die Möglichkeit, auf Festival zu spielen. Und wenn wir dann mit manchen Leuten backstage sitzen – ich hätte früher nie geträumt davon, dass man mit denen mal ein Bier zusammen trinkt! (lacht) Es wurde professioneller und der Anspruch wurde größer. Ich war nie zufrieden. Die Band wird das bestätigen. (lacht) 

Aber wenn man einmal auf den großen Festivals spielt und dort gehört wird, wird auch der Anspruch von außen größer, oder?

Klar. Sobald die Gagen wachsen, muss man natürlich auch etwas dafür tun. “Jetzt trinken wir mal zwei Bier und schauen was passiert!” – ­sowas gibt es nicht mehr. 

Andreas Joos
Foto: www.tobiaseppfotografie.de
Wie beurteilst du die Entwicklung in eurem Blasmusikbereich? Bands wie LaBrassBanda sind da schon die Wegbereiter, oder? 

Als LaBrassBanda aufkam, war ich ja noch klein. (lacht) Aber natürlich, das waren die Heroes! Aus Amerika die Young Blood Brass Band habe ich auch gehört. Aber LaBrassBanda – das war immer “abgespaced”, das wollten wir auch machen! Auch Mnozil Brass war für mich ein maßgeblicher Einfluss. Das hat mir einfach gezeigt, dass mit Posaune auch noch was anderes geht. Und natürlich war Moop Mama großartig. Der Martin Hutter kommt aus der Ecke, wo auch ich aufgewachsen bin. Und sein Bruder Julian spielt ja bei uns. Rap wollten wir dann auch gleich machen. “Keiner kann rappen, aber wir müssen das trotzdem machen!” (lacht) Im Vergleich zu Moop Mama haben wir es aber doch etwas leichter. Wir mussten nicht von Club zu Club tingeln und irgendwo am Strand schlafen. Früher gab es keine Festivals wie die Brass Wiesn oder das Woodstock der Blasmusik. Klar: Wenn es die Bühne nicht gibt, dann wird es schwer für eine Band. Und da haben diese Bands uns schon ein bisschen den Weg geebnet. Die Entwicklung ist total positiv!

Der Trend ist weiterhin positiv. Aber Trends können auch abebben. Hast du manchmal ein bisschen Angst, dass es irgendwann vorbei sein könnte?

Angst nicht, aber ich glaube schon, dass der Trend auch wieder zurückgehen wird. In den vergangenen zehn Jahren gings wirklich steil nach oben. Der Musikmarkt ist gerade völlig überlaufen. Es gibt so viele Bands! Für uns ist das dann auch eine finanzielle Frage, denn wir müssen alle Geld damit verdienen. Die Frage ist dann, ob sich der Veranstalter das leisten kann. Denn vielleicht gibt es gleichzeitig auch zwei kleinere Bands, die nur für Essen und Trinken spielen – und trotzdem alles anbieten … 

Ist das dann aber auch etwas, das man angehenden Musikerinnen und Musikern klar machen muss? Dass es eben sein kann, dass man nicht die nächsten 50 Jahre genau so weitermacht?

Es gibt immer mehr gute Musiker, und es gibt immer weniger gut bezahlte Jobs. Das ist eigentlich eine blöde Entwicklung … Aber natürlich ist das eine Sache, die ich meinen Schülern mitgebe. Es geht dann auch knallhart ums Überleben. Da darf man kein Blatt vor den Mund nehmen. Ich gebe ihnen Tipps, was sie machen sollen – aber auch, was sie nicht machen sollen. Musikerinnen und Musikern sollten sich nie unter Wert verkaufen. Das ist ein großes Thema, denn es gibt immer einen, der billiger ist. Und der macht in dem Moment den Markt kaputt. Man muss sich bewusst sein, dass es immer noch etwas Besonderes ist, Musik machen zu dürfen. Aber ja: Es kann hart sein. Wenn ich daran denke, was ich in den vergangenen zehn Jahre alles gemacht habe – da könnte ich zwei Bücher vollschreiben (lacht). Ich habe Konzerte gespielt, bei denen es danach keine Gage gab. Ich bin nächtelang durchgefahren, nur um irgendwo zu spielen. Und immer fährt diese Angst mit: “Wenn ich nicht spiele, spielt ein anderer!” Und diese Angst ist definitiv berechtigt. 

Es gibt zwar so viele gute Musiker, doch es kommt gar nicht mehr darauf an, dass du der Beste bist. Das Gesamtpaket muss stimmen! Peter Seitz hat mir damals schon gesagt: “Du musst kein Arschloch sein!” Erst einmal einfach hinsetzen, still sein und spielen. Die soziale Komponente ist enorm wichtig. Bei “Fättes Blech” ist das gerade wieder sehr gut erkennbar. Wir haben neue Mitglieder, und natürlich sind das alles echt gute Musiker. Aber es muss vor allem menschlich passen. Denn wir spielen zwei Stunden ein Konzert, doch davor sitzt man fünf Stunden gemeinsam im Bus und danach am nächsten Tag schon wieder. 

“Fättes Blech” gibt es nun zehn Jahre, die offizielle Jubiläumsveranstaltung ist vorbei. Wie geht’s weiter?

Bisher war es oft so, dass man in der Blasmusik Dinge nachspielt. Wir haben dann angefangen, unsere eigenen Arrangements zu schreiben von Stücken, die man nicht zwingend mit Blasmusik in Verbindung bringt. Wir wollten anderer Musik unseren Stempel aufdrücken. Und jetzt gibt es endlich eigene, wirklich selbst geschriebene Songs. Die haben wir beim Jubiläum teilweise präsentiert. Es wird auch eine kleine Platte geben. Bis es dazu kam, hat es schon lang gedauert. Da kam zunächst Corona dazwischen und ehrlicherweise muss ich sagen: Man traut sich dann doch nicht so. Es gibt einfach diese Erwartungshaltung. Bei Festivals ist immer eine super Stimmung und meine Angst war dann, dass die mit dem eigenen Song abfällt. Seit drei oder vier Jahren will ich gerne was schreiben, doch ich hatte immer Respekt davor, das auch zu präsentieren. Und jetzt haben wir das tatsächlich gemacht. Ich bin jetzt schon sehr glücklich, weil ich glaube, dass es ganz cool geworden ist. 

Ein neuer Song ist “Blasmusikpolizei”, in dem wir darlegen, was wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt haben. Es gibt ja diese kritischen Blicke aus der Szene auf Musiker, die “was Modernes” machen: “Das darf man doch nicht!” (lacht) Diese ganzen Klischees haben wir im Song verarbeitet. Ich denke, jeder kennt jemanden, der diese Merkmale eines “Blasmusik-Polizisten” hat. Je mehr Bands es gibt, desto größer ist der Konkurrenzkampf … Von dem Denken bin ich weg. Der hat höher gespielt, die intonieren die Polka so … Von diesen Debatten bin ich definitiv kein Fan. Alle sollen spielen dürfen, wie sie spielen wollen. Es gibt keine krassen Regeln, solange du nicht versuchst, den Ruhm anderer abzugreifen …

In einem anderen Song geht es um die Touren von Festival zu Bierzelt und zu Festival. Das sieht alles immer schön aus auf Instagram: Das nächste Festival und da noch ein Bierzelt mit 4000 Leuten … Aber wenn man ehrlich ist, ist man dann auch mal ganz froh, nicht wieder nach Frittenfett zu riechen und zu Hause zu sein. (lacht) Nach und nach kommen dann nun die Singles und demnächst gibt es auch die CD zu kaufen. 

Schaust du auch zehn Jahre nach vorne?

Das “Nach-vorne-schauen” war in den vergangenen Jahren doch ein bisschen eingeschränkt. Vor allem im Musikbusiness. Aber ich glaube, dass wir mit der Band so gut dastehen wie noch nie. Die Musiker haben alle Lust weiterzumachen. Wir haben eigene Songs, was uns noch mehr dahinterstehen lässt. Wir haben mit unserer Musik jetzt auch was zu sagen. Das ist für mich ein ganz wichtiges Thema. Wir haben uns genug hinter anderen Songs “versteckt”. Ich bin total gespannt, was noch kommt. Es stehen viele Türen offen. Ich würde gerne mal kleine Touren spielen, die die Blasmusik auch in Clubs bringt und nicht nur ins Bierzelt. Ich glaube, das funktioniert.